Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

das, was wir Geist nennen, mit dem Aufhören der in-
dividuellen stofflichen Zusammensetzung schwinden, und
es muß einem vorurtheilsfreien Verstande scheinen, als
habe dieses eigenthümliche Zusammenwirken vieler kraft-
begabter Stofftheilchen einen Effekt erzeugt, der mit
seiner Ursache aufhören muß. "Wenn wir mit dem
Tode nicht vernichtet werden", sagt Fechner, "unsere
bisherige Existenzweise können wir doch im Tode nicht
retten. Wir werden sichtbarlich wieder zu der Erde,
von der wir genommen worden. Aber indeß wir wechseln,
besteht die Erde und entwickelt sich fort und fort; sie
ist ein unsterblich Wesen und alle Gestirne sind es
mit ihr."

Heute ist die Unsterblichkeit des Stoff's eine wissen-
schaftlich festgestellte und nicht mehr zu läugnende That-
sache. Es ist interessant, zu wissen, daß auch frühere
Philosophen eine Kenntniß dieser großen Wahrheit be-
saßen, wenn auch mehr in unklarer und ahnender, als
wissenschaftlich sicher erkannter Weise. Den Beweis
dafür konnten uns erst unsere Waagen und Retorten
liefern.

Sebastian Frank, ein Deutscher, welcher im
Jahre 1528 lebte, sagt: "Die Materie war von An-
fang an in Gott und ist deßwegen ewig und unendlich.
Die Erde, der Staub, jedes erschaffne Ding vergeht
wohl; man kann aber nicht sagen, daß dasjenige ver-

Büchner, Kraft und Stoff. 2

das, was wir Geiſt nennen, mit dem Aufhören der in-
dividuellen ſtofflichen Zuſammenſetzung ſchwinden, und
es muß einem vorurtheilsfreien Verſtande ſcheinen, als
habe dieſes eigenthümliche Zuſammenwirken vieler kraft-
begabter Stofftheilchen einen Effekt erzeugt, der mit
ſeiner Urſache aufhören muß. „Wenn wir mit dem
Tode nicht vernichtet werden‟, ſagt Fechner, „unſere
bisherige Exiſtenzweiſe können wir doch im Tode nicht
retten. Wir werden ſichtbarlich wieder zu der Erde,
von der wir genommen worden. Aber indeß wir wechſeln,
beſteht die Erde und entwickelt ſich fort und fort; ſie
iſt ein unſterblich Weſen und alle Geſtirne ſind es
mit ihr.‟

Heute iſt die Unſterblichkeit des Stoff’s eine wiſſen-
ſchaftlich feſtgeſtellte und nicht mehr zu läugnende That-
ſache. Es iſt intereſſant, zu wiſſen, daß auch frühere
Philoſophen eine Kenntniß dieſer großen Wahrheit be-
ſaßen, wenn auch mehr in unklarer und ahnender, als
wiſſenſchaftlich ſicher erkannter Weiſe. Den Beweis
dafür konnten uns erſt unſere Waagen und Retorten
liefern.

Sebaſtian Frank, ein Deutſcher, welcher im
Jahre 1528 lebte, ſagt: „Die Materie war von An-
fang an in Gott und iſt deßwegen ewig und unendlich.
Die Erde, der Staub, jedes erſchaffne Ding vergeht
wohl; man kann aber nicht ſagen, daß dasjenige ver-

Büchner, Kraft und Stoff. 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0037" n="17"/>
das, was wir Gei&#x017F;t nennen, mit dem Aufhören der in-<lb/>
dividuellen &#x017F;tofflichen Zu&#x017F;ammen&#x017F;etzung &#x017F;chwinden, und<lb/>
es muß einem vorurtheilsfreien Ver&#x017F;tande &#x017F;cheinen, als<lb/>
habe die&#x017F;es eigenthümliche Zu&#x017F;ammenwirken vieler kraft-<lb/>
begabter Stofftheilchen einen Effekt erzeugt, der <hi rendition="#g">mit</hi><lb/>
&#x017F;einer Ur&#x017F;ache aufhören muß. &#x201E;Wenn wir mit dem<lb/>
Tode nicht vernichtet werden&#x201F;, &#x017F;agt <hi rendition="#g">Fechner,</hi> &#x201E;un&#x017F;ere<lb/>
bisherige Exi&#x017F;tenzwei&#x017F;e können wir doch im Tode nicht<lb/>
retten. Wir werden &#x017F;ichtbarlich wieder zu der Erde,<lb/>
von der wir genommen worden. Aber indeß wir wech&#x017F;eln,<lb/>
be&#x017F;teht die Erde und entwickelt &#x017F;ich fort und fort; &#x017F;ie<lb/>
i&#x017F;t ein un&#x017F;terblich We&#x017F;en und alle Ge&#x017F;tirne &#x017F;ind es<lb/>
mit ihr.&#x201F;</p><lb/>
        <p>Heute i&#x017F;t die Un&#x017F;terblichkeit des Stoff&#x2019;s eine wi&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
&#x017F;chaftlich fe&#x017F;tge&#x017F;tellte und nicht mehr zu läugnende That-<lb/>
&#x017F;ache. Es i&#x017F;t intere&#x017F;&#x017F;ant, zu wi&#x017F;&#x017F;en, daß auch frühere<lb/>
Philo&#x017F;ophen eine Kenntniß die&#x017F;er großen Wahrheit be-<lb/>
&#x017F;aßen, wenn auch mehr in unklarer und ahnender, als<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlich &#x017F;icher erkannter Wei&#x017F;e. Den <hi rendition="#g">Beweis</hi><lb/>
dafür konnten uns er&#x017F;t un&#x017F;ere Waagen und Retorten<lb/>
liefern.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#g">Seba&#x017F;tian Frank,</hi> ein Deut&#x017F;cher, welcher im<lb/>
Jahre 1528 lebte, &#x017F;agt: &#x201E;Die Materie war von An-<lb/>
fang an in Gott und i&#x017F;t deßwegen ewig und unendlich.<lb/>
Die Erde, der Staub, jedes er&#x017F;chaffne Ding vergeht<lb/>
wohl; man kann aber nicht &#x017F;agen, daß dasjenige ver-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Büchner,</hi> Kraft und Stoff. 2</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[17/0037] das, was wir Geiſt nennen, mit dem Aufhören der in- dividuellen ſtofflichen Zuſammenſetzung ſchwinden, und es muß einem vorurtheilsfreien Verſtande ſcheinen, als habe dieſes eigenthümliche Zuſammenwirken vieler kraft- begabter Stofftheilchen einen Effekt erzeugt, der mit ſeiner Urſache aufhören muß. „Wenn wir mit dem Tode nicht vernichtet werden‟, ſagt Fechner, „unſere bisherige Exiſtenzweiſe können wir doch im Tode nicht retten. Wir werden ſichtbarlich wieder zu der Erde, von der wir genommen worden. Aber indeß wir wechſeln, beſteht die Erde und entwickelt ſich fort und fort; ſie iſt ein unſterblich Weſen und alle Geſtirne ſind es mit ihr.‟ Heute iſt die Unſterblichkeit des Stoff’s eine wiſſen- ſchaftlich feſtgeſtellte und nicht mehr zu läugnende That- ſache. Es iſt intereſſant, zu wiſſen, daß auch frühere Philoſophen eine Kenntniß dieſer großen Wahrheit be- ſaßen, wenn auch mehr in unklarer und ahnender, als wiſſenſchaftlich ſicher erkannter Weiſe. Den Beweis dafür konnten uns erſt unſere Waagen und Retorten liefern. Sebaſtian Frank, ein Deutſcher, welcher im Jahre 1528 lebte, ſagt: „Die Materie war von An- fang an in Gott und iſt deßwegen ewig und unendlich. Die Erde, der Staub, jedes erſchaffne Ding vergeht wohl; man kann aber nicht ſagen, daß dasjenige ver- Büchner, Kraft und Stoff. 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/37
Zitationshilfe: Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/37>, abgerufen am 26.04.2024.