Brümmer, Franz: Lexikon der deutschen Dichter und Prosaisten vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. Bd. 4. 6. Aufl. Leipzig, 1913.[Spaltenumbruch] Mei Meißer, Leonhard, geb. am 21. S: Geistliche Harfenklänge *Meißner, Alfred, Enkel des be- Mei nannte, und in diesem Kreise sproßtendenn auch die ersten Blüten von M. s Poesie. Nachdem M. 1845 den ersten Band seiner Gedichte der Öffentlichkeit übergeben, unternahm er eine Reise nach Oberitalien, promovierte nach seiner Rückkehr 1846 zum Dr. med. u. fand Beschäftigung als Arzt in einem Spitale. Jn seinen Mußestunden machte er Studien zu seinem großen epischen Gedichte "Ziska". Da aber Stoff u. Behandlung desselben derart waren, daß es unter der damaligen österreichischen Zensur nicht hätte er- scheinen können, so beschloß M., für einige Zeit freiwillig aus dem Lande zu gehen und die Heimkehr von einem Umschwunge der Verhältnisse abzu- warten. Er ging nach Leipzig (Sept. 1846), dem damaligen Asyl einer kleinen österreichischen Emigration. Hier fand er Herloßsohn, Kuranda, Karl Beck, Mor. Hartmann, Joh. Nordmann, H. Rollett, Ed. Mautner u. a., mit denen ihn bald ein enges Freundschaftsband verknüpfte. Jn Dresden stand ihm das durch seine wertvolle Gemäldesammlung allen Kunstfreunden wohl bekannte Haus seines Oheims von Quandt gastlich offen, und in dieser Stadt mit ihrem reichen geistigen Leben lernte er die interessantesten Persönlichkeiten aus allen Kreisen kennen. Jnzwischen war der "Ziska" erschienen und sofort in Österreich verboten worden. Da man wegen Zensurübertretung auf den Dichter fahndete und dessen Ausliefe- rung an Österreich nicht zu den Un- möglichkeiten gehörte, so verließ M. Leipzig und begab sich nach Paris, wo er zehn Monate weilte, viel mit dem kranken Heinr. Heine verkehrte und durch diesen mit A. Weill, Dumas, Balzac, Alfred de Vigny, dem unglück- lichen Gerard de Nerval und mit der Rachel bekannt wurde. Jm College de France hörte er national-ökono- mische Vorträge, Physiologie und populäre Astronomie und entwickelte *
[Spaltenumbruch] Mei Meißer, Leonhard, geb. am 21. S: Geiſtliche Harfenklänge *Meißner, Alfred, Enkel des be- Mei nannte, und in dieſem Kreiſe ſproßtendenn auch die erſten Blüten von M. s Poeſie. Nachdem M. 1845 den erſten Band ſeiner Gedichte der Öffentlichkeit übergeben, unternahm er eine Reiſe nach Oberitalien, promovierte nach ſeiner Rückkehr 1846 zum Dr. med. u. fand Beſchäftigung als Arzt in einem Spitale. Jn ſeinen Mußeſtunden machte er Studien zu ſeinem großen epiſchen Gedichte „Ziska‟. Da aber Stoff u. Behandlung desſelben derart waren, daß es unter der damaligen öſterreichiſchen Zenſur nicht hätte er- ſcheinen können, ſo beſchloß M., für einige Zeit freiwillig aus dem Lande zu gehen und die Heimkehr von einem Umſchwunge der Verhältniſſe abzu- warten. Er ging nach Leipzig (Sept. 1846), dem damaligen Aſyl einer kleinen öſterreichiſchen Emigration. Hier fand er Herloßſohn, Kuranda, Karl Beck, Mor. Hartmann, Joh. Nordmann, H. Rollett, Ed. Mautner u. a., mit denen ihn bald ein enges Freundſchaftsband verknüpfte. Jn Dresden ſtand ihm das durch ſeine wertvolle Gemäldeſammlung allen Kunſtfreunden wohl bekannte Haus ſeines Oheims von Quandt gaſtlich offen, und in dieſer Stadt mit ihrem reichen geiſtigen Leben lernte er die intereſſanteſten Perſönlichkeiten aus allen Kreiſen kennen. Jnzwiſchen war der „Ziska‟ erſchienen und ſofort in Öſterreich verboten worden. Da man wegen Zenſurübertretung auf den Dichter fahndete und deſſen Ausliefe- rung an Öſterreich nicht zu den Un- möglichkeiten gehörte, ſo verließ M. Leipzig und begab ſich nach Paris, wo er zehn Monate weilte, viel mit dem kranken Heinr. Heine verkehrte und durch dieſen mit A. Weill, Dumas, Balzac, Alfred de Vigny, dem unglück- lichen Gerard de Nerval und mit der Rachel bekannt wurde. Jm Collége de France hörte er national-ökono- miſche Vorträge, Phyſiologie und populäre Aſtronomie und entwickelte *
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Mei
Mei
Meißer, Leonhard, geb. am 21.
Dezember 1803 zu Davos im Kanton
Graubünden, war der Sohn ſchlichter
Bauersleute und beſuchte, von dem
Wunſche beſeelt, Geiſtlicher zu werden,
ſeit 1820 die Kantonsſchule in Chur.
Der Mangel an Mitteln nötigte ihn
aber, einſtweilen einen andern Lebens-
beruf zu ergreifen, u. deshalb wandte
er ſich dem Schulfach zu und war
mehrere Jahre Privat- und Haus-
lehrer. Doch die alte Neigung ſchlum-
merte nicht, u. ſo durchbrach er denn
alle Hinderniſſe und brachte es nach
den eifrigſten Studien dahin, daß er
1838 die Aufnahme in das mit der
Kantonsſchule verbundene theolo-
giſche Jnſtitut erreichte. Jm Jahre
1841 beſtand er ſein Examen, wurde
bald darauf Pfarrer in Tſchappina,
1843 in Tenna, 1849 in Wieſen und
1859 in Maladers. Kränklichkeit
nötigten ihn, 1865 in den Ruheſtand
zu treten.
S: Geiſtliche Harfenklänge
(Chriſtl. Lr.), 1847, 1877. ‒ Neue
Harfenklänge (Lr.), 1863.
*Meißner, Alfred, Enkel des be-
kannten Dichters Auguſt Gottlieb M.
u. Sohn eines Badearztes in Teplitz,
wurde hier am 15. Oktober 1822 geb.
Jm Jahre 1832 zogen ſeine Eltern
nach Karlsbad, und Alfred kam in
das nahe Piariſten-Gymnaſium von
Schlackenwerth, wo er indes bei der
klöſterlichen Schulzucht geiſtig wenig
gefördert wurde. Vorteilhafter ge-
ſtaltete ſich ſeine Bildung, als ſeine
Eltern 1835 nach Prag zogen und er
nun das dortige Gymnaſium der Alt-
ſtadt beſuchte. Nachdem er hier auch
den zweijährigen philoſophiſchen Kur-
ſus beendigt, bezog er 1840 die Uni-
verſität Prag, um ſich dem Studium
der Medizin zu widmen. Bald ge-
hörte er dem Kreiſe poetiſcher, vor-
wärtsſtrebender Jünglinge (Mor.
Hartmann, Fr. Bach, Max Schleſin-
ger, Jſidor Heller, Leop. Kompert,
Fr. Szarvady) an, den man damals
bezeichnend das „junge Böhmen‟
nannte, und in dieſem Kreiſe ſproßten
denn auch die erſten Blüten von M. s
Poeſie. Nachdem M. 1845 den erſten
Band ſeiner Gedichte der Öffentlichkeit
übergeben, unternahm er eine Reiſe
nach Oberitalien, promovierte nach
ſeiner Rückkehr 1846 zum Dr. med. u.
fand Beſchäftigung als Arzt in einem
Spitale. Jn ſeinen Mußeſtunden
machte er Studien zu ſeinem großen
epiſchen Gedichte „Ziska‟. Da aber
Stoff u. Behandlung desſelben derart
waren, daß es unter der damaligen
öſterreichiſchen Zenſur nicht hätte er-
ſcheinen können, ſo beſchloß M., für
einige Zeit freiwillig aus dem Lande
zu gehen und die Heimkehr von einem
Umſchwunge der Verhältniſſe abzu-
warten. Er ging nach Leipzig (Sept.
1846), dem damaligen Aſyl einer
kleinen öſterreichiſchen Emigration.
Hier fand er Herloßſohn, Kuranda,
Karl Beck, Mor. Hartmann, Joh.
Nordmann, H. Rollett, Ed. Mautner
u. a., mit denen ihn bald ein enges
Freundſchaftsband verknüpfte. Jn
Dresden ſtand ihm das durch ſeine
wertvolle Gemäldeſammlung allen
Kunſtfreunden wohl bekannte Haus
ſeines Oheims von Quandt gaſtlich
offen, und in dieſer Stadt mit ihrem
reichen geiſtigen Leben lernte er die
intereſſanteſten Perſönlichkeiten aus
allen Kreiſen kennen. Jnzwiſchen war
der „Ziska‟ erſchienen und ſofort in
Öſterreich verboten worden. Da man
wegen Zenſurübertretung auf den
Dichter fahndete und deſſen Ausliefe-
rung an Öſterreich nicht zu den Un-
möglichkeiten gehörte, ſo verließ M.
Leipzig und begab ſich nach Paris, wo
er zehn Monate weilte, viel mit dem
kranken Heinr. Heine verkehrte und
durch dieſen mit A. Weill, Dumas,
Balzac, Alfred de Vigny, dem unglück-
lichen Gerard de Nerval und mit der
Rachel bekannt wurde. Jm Collége
de France hörte er national-ökono-
miſche Vorträge, Phyſiologie und
populäre Aſtronomie und entwickelte
*
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