Wir selbst scheuchen uns einander, und es reibet jeder- mann Sein gefühltes ängstlichs Grauen insgemein dem andern an, Ja man überträgt sich gleichsam diese Furcht von Hand zu Hand Allemal annoch vergrößert, um dieselbe, wie bekannt, Jmmer mehr noch zu vergrößern. Wie viel Dichter, wie wir lesen, Wie viel Mahler, wie wir sehn, sind so sinnreich stets gewesen, Jhn stets schändlicher zu bilden, scheußlicher stets vorzu- stellen; Mehrentheils sind ihre Werke unsers bangen Jrrthums Quellen. Laßt uns doch einmal erwägen, ob der Tod denn in der That Etwas, das so fürchterlich und so scheußlich, an sich hat.
Ursachen, weswegen man den Tod insgemein für so schrecklich hält.
A. Man wird oftermals geholfen, wenn man sei- nen Gram entdecket, Sage mir, was ist am Tode, das dich so entsetzlich schrecket? B. "Selbst der Tod, den alles fürchtet. Scheut selbst die Natur ihn nicht? "Muß der Allertapferste nicht bey seinem Ansehn zittern? "Wird er nicht für ihn erschrecken? und sein ganzer Leib erschüttern?
"Was
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zum vergnuͤgten und gelaſſenen Sterben.
Wir ſelbſt ſcheuchen uns einander, und es reibet jeder- mann Sein gefuͤhltes aͤngſtlichs Grauen insgemein dem andern an, Ja man uͤbertraͤgt ſich gleichſam dieſe Furcht von Hand zu Hand Allemal annoch vergroͤßert, um dieſelbe, wie bekannt, Jmmer mehr noch zu vergroͤßern. Wie viel Dichter, wie wir leſen, Wie viel Mahler, wie wir ſehn, ſind ſo ſinnreich ſtets geweſen, Jhn ſtets ſchaͤndlicher zu bilden, ſcheußlicher ſtets vorzu- ſtellen; Mehrentheils ſind ihre Werke unſers bangen Jrrthums Quellen. Laßt uns doch einmal erwaͤgen, ob der Tod denn in der That Etwas, das ſo fuͤrchterlich und ſo ſcheußlich, an ſich hat.
Urſachen, weswegen man den Tod insgemein fuͤr ſo ſchrecklich haͤlt.
A. Man wird oftermals geholfen, wenn man ſei- nen Gram entdecket, Sage mir, was iſt am Tode, das dich ſo entſetzlich ſchrecket? B. „Selbſt der Tod, den alles fuͤrchtet. Scheut ſelbſt die Natur ihn nicht? „Muß der Allertapferſte nicht bey ſeinem Anſehn zittern? „Wird er nicht fuͤr ihn erſchrecken? und ſein ganzer Leib erſchuͤttern?
„Was
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zum vergnuͤgten und gelaſſenen Sterben.
Wir ſelbſt ſcheuchen uns einander, und es reibet jeder-
mann
Sein gefuͤhltes aͤngſtlichs Grauen insgemein dem andern an,
Ja man uͤbertraͤgt ſich gleichſam dieſe Furcht von Hand
zu Hand
Allemal annoch vergroͤßert, um dieſelbe, wie bekannt,
Jmmer mehr noch zu vergroͤßern. Wie viel Dichter,
wie wir leſen,
Wie viel Mahler, wie wir ſehn, ſind ſo ſinnreich ſtets
geweſen,
Jhn ſtets ſchaͤndlicher zu bilden, ſcheußlicher ſtets vorzu-
ſtellen;
Mehrentheils ſind ihre Werke unſers bangen Jrrthums
Quellen.
Laßt uns doch einmal erwaͤgen, ob der Tod denn in der
That
Etwas, das ſo fuͤrchterlich und ſo ſcheußlich, an ſich hat.
Urſachen,
weswegen man den Tod insgemein fuͤr
ſo ſchrecklich haͤlt.
A. Man wird oftermals geholfen, wenn man ſei-
nen Gram entdecket,
Sage mir, was iſt am Tode, das dich ſo entſetzlich
ſchrecket?
B. „Selbſt der Tod, den alles fuͤrchtet. Scheut ſelbſt
die Natur ihn nicht?
„Muß der Allertapferſte nicht bey ſeinem Anſehn zittern?
„Wird er nicht fuͤr ihn erſchrecken? und ſein ganzer Leib
erſchuͤttern?
„Was
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Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 567. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/587>, abgerufen am 22.02.2025.
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