Die besiegte Verleumdung, als der Beschluß aller Gedichte.
Belisa, ist denn das, so ich vernommen, wahr? Jsts möglich? glaubst du mehr der schwarzen Heuchler Schaar Als deinen Augen selbst? Allein, was tadelt dann An mich der Gleißner Schwarm, der nichts als ta- deln kann? Hab ich mit meiner Lehr die Sitten je vergiftet? Hab ich in unserm Staat Verrätherey gestiftet? Hab ich verschmitzt, mit Schein- und andern falschen Gründen Für Atheisten je gesuchet Schutz zu finden? O nein, ein solcher Gift, ein solches Jrrwischlicht Befindet sich Gottlob in meinen Schriften nicht.
Zwar war mit seinem Glanz das heitre Licht der Tugend Nicht allemal der Zweck von meiner heißen Jugend, Auch mich riß, vielen gleich, das feuerreiche Blut Vom wahr- und wirklichen zum Schein- und falschem Gut. Jn diesem Stande war nunmehr von meinen Jahren Von fünf und zwanzgen schon ein Theil dahin gefahren, Als mich der Tugend Glanz von neuem zu sich zog Und aller Dinge Quell zu suchen, mich bewog. Er ließ sich auch von mir auf Bergen, in den Gründen, Jn einem jeden Kraut, in jeder Blume finden. Jch fühlte, schmeckt' und sah' den Schöpfer überall, Jch hört' an jedem Ort der süssen Stimme Schall. Jch lernte dazumal ein ewiges Regieren Und eine Vorsicht sehn und ließ mich durch sie führen. Von meinem ernsilichen und ämsigen Studiren
Ward
zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Die beſiegte Verleumdung, als der Beſchluß aller Gedichte.
Beliſa, iſt denn das, ſo ich vernommen, wahr? Jſts moͤglich? glaubſt du mehr der ſchwarzen Heuchler Schaar Als deinen Augen ſelbſt? Allein, was tadelt dann An mich der Gleißner Schwarm, der nichts als ta- deln kann? Hab ich mit meiner Lehr die Sitten je vergiftet? Hab ich in unſerm Staat Verraͤtherey geſtiftet? Hab ich verſchmitzt, mit Schein- und andern falſchen Gruͤnden Fuͤr Atheiſten je geſuchet Schutz zu finden? O nein, ein ſolcher Gift, ein ſolches Jrrwiſchlicht Befindet ſich Gottlob in meinen Schriften nicht.
Zwar war mit ſeinem Glanz das heitre Licht der Tugend Nicht allemal der Zweck von meiner heißen Jugend, Auch mich riß, vielen gleich, das feuerreiche Blut Vom wahr- und wirklichen zum Schein- und falſchem Gut. Jn dieſem Stande war nunmehr von meinen Jahren Von fuͤnf und zwanzgen ſchon ein Theil dahin gefahren, Als mich der Tugend Glanz von neuem zu ſich zog Und aller Dinge Quell zu ſuchen, mich bewog. Er ließ ſich auch von mir auf Bergen, in den Gruͤnden, Jn einem jeden Kraut, in jeder Blume finden. Jch fuͤhlte, ſchmeckt’ und ſah’ den Schoͤpfer uͤberall, Jch hoͤrt’ an jedem Ort der ſuͤſſen Stimme Schall. Jch lernte dazumal ein ewiges Regieren Und eine Vorſicht ſehn und ließ mich durch ſie fuͤhren. Von meinem ernſilichen und aͤmſigen Studiren
Ward
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[559/0579]
zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Die
beſiegte Verleumdung,
als der Beſchluß aller Gedichte.
Beliſa, iſt denn das, ſo ich vernommen, wahr?
Jſts moͤglich? glaubſt du mehr der ſchwarzen
Heuchler Schaar
Als deinen Augen ſelbſt? Allein, was tadelt dann
An mich der Gleißner Schwarm, der nichts als ta-
deln kann?
Hab ich mit meiner Lehr die Sitten je vergiftet?
Hab ich in unſerm Staat Verraͤtherey geſtiftet?
Hab ich verſchmitzt, mit Schein- und andern falſchen
Gruͤnden
Fuͤr Atheiſten je geſuchet Schutz zu finden?
O nein, ein ſolcher Gift, ein ſolches Jrrwiſchlicht
Befindet ſich Gottlob in meinen Schriften nicht.
Zwar war mit ſeinem Glanz das heitre Licht der Tugend
Nicht allemal der Zweck von meiner heißen Jugend,
Auch mich riß, vielen gleich, das feuerreiche Blut
Vom wahr- und wirklichen zum Schein- und falſchem Gut.
Jn dieſem Stande war nunmehr von meinen Jahren
Von fuͤnf und zwanzgen ſchon ein Theil dahin gefahren,
Als mich der Tugend Glanz von neuem zu ſich zog
Und aller Dinge Quell zu ſuchen, mich bewog.
Er ließ ſich auch von mir auf Bergen, in den Gruͤnden,
Jn einem jeden Kraut, in jeder Blume finden.
Jch fuͤhlte, ſchmeckt’ und ſah’ den Schoͤpfer uͤberall,
Jch hoͤrt’ an jedem Ort der ſuͤſſen Stimme Schall.
Jch lernte dazumal ein ewiges Regieren
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Von meinem ernſilichen und aͤmſigen Studiren
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Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 559. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/579>, abgerufen am 22.02.2025.
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