Epigramma auf einen erbaulich lehrenden aber übel lebenden Priester, wie selbiger starb.
Zu unserm doppelten Verlust wird unser Priester uns entrissen; Sein Lehren zeigt' uns, was wir thun, sein Leben, was wir lassen müssen.
Was ist, das ist nicht, was es ist, es ist, für uns nur, was es scheinet. Obs Aug', als ein Vergrößrungsglas, der Dinge We- sen größer sieht, Ob es dieselbigen verkleint und sie in engre Grenzen zieht, Wie, oder wahre Größen schauet; das ist, was man nicht weis, nur meynet.
Mein Schöpfer, gieb mir doch die Gabe, Daß ich empfinde, was ich habe!
Ein Jrrthum ist es, wenn ein Mensch uns nicht gefällt, der unbequem. Ein Jrrthum ist es, wenn er uns gefällt, der aber ange- nehm.
So-
Vermiſchte Gedichte
Epigramma auf einen erbaulich lehrenden aber uͤbel lebenden Prieſter, wie ſelbiger ſtarb.
Zu unſerm doppelten Verluſt wird unſer Prieſter uns entriſſen; Sein Lehren zeigt’ uns, was wir thun, ſein Leben, was wir laſſen muͤſſen.
Was iſt, das iſt nicht, was es iſt, es iſt, fuͤr uns nur, was es ſcheinet. Obs Aug’, als ein Vergroͤßrungsglas, der Dinge We- ſen groͤßer ſieht, Ob es dieſelbigen verkleint und ſie in engre Grenzen zieht, Wie, oder wahre Groͤßen ſchauet; das iſt, was man nicht weis, nur meynet.
Mein Schoͤpfer, gieb mir doch die Gabe, Daß ich empfinde, was ich habe!
Ein Jrrthum iſt es, wenn ein Menſch uns nicht gefaͤllt, der unbequem. Ein Jrrthum iſt es, wenn er uns gefaͤllt, der aber ange- nehm.
So-
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Vermiſchte Gedichte
Epigramma
auf einen erbaulich lehrenden
aber uͤbel lebenden Prieſter,
wie ſelbiger ſtarb.
Zu unſerm doppelten Verluſt wird unſer Prieſter uns
entriſſen;
Sein Lehren zeigt’ uns, was wir thun, ſein Leben, was
wir laſſen muͤſſen.
Was iſt, das iſt nicht, was es iſt, es iſt, fuͤr uns
nur, was es ſcheinet.
Obs Aug’, als ein Vergroͤßrungsglas, der Dinge We-
ſen groͤßer ſieht,
Ob es dieſelbigen verkleint und ſie in engre Grenzen zieht,
Wie, oder wahre Groͤßen ſchauet; das iſt, was man
nicht weis, nur meynet.
Mein Schoͤpfer, gieb mir doch die Gabe,
Daß ich empfinde, was ich habe!
Ein Jrrthum iſt es, wenn ein Menſch uns nicht gefaͤllt,
der unbequem.
Ein Jrrthum iſt es, wenn er uns gefaͤllt, der aber ange-
nehm.
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Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 550. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/570>, abgerufen am 21.11.2024.
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