Ernsthafte Gedanken bey Gelegen- heit des Tobackrauchens.
Wir meynen, es besteh die Lust und das Vergnügen vom Toback Hauptsächlich ja fast ganz allein auf unsrer Zung und im Geschmack. Jedoch wir irren. Das Vergnügen besteht fast im Ge- sicht allein, Da die Beweglichkeit des Dampfs so mancherley Figur formirt, Die tausendfach veränderlich, die bald sich zeigt, bald sich verliert: Wie solches sich gar deutlich weiset, wenn wir denselbi- gen gebrauchen, Und etwan rauchen Zur Zeit, wenn wir im Finstern seyn. Da wir (wie ganz unstreitig wahr) so dann, ob unsre Pfeifen brennen, Wie oder nicht, durch den Geschmack, nicht merken und nicht wissen können.
Mich führte die Betrachtung weiter, und, von den Sinnen die vereinet, Auf die vereinte Seelenkräfte, da fiel mir nun die Frage bey: Ob ihrer Kräfte Dreyheit wohl so sehr getheilet, als man meynet? Man nennet sie gemeiniglich Verstand, Gedächtniß, Phantasey; Man füget der gedritten Zahl, die vierte noch, den Wil- len, bey.
Nun
Vermiſchte Gedichte
Ernſthafte Gedanken bey Gelegen- heit des Tobackrauchens.
Wir meynen, es beſteh die Luſt und das Vergnuͤgen vom Toback Hauptſaͤchlich ja faſt ganz allein auf unſrer Zung und im Geſchmack. Jedoch wir irren. Das Vergnuͤgen beſteht faſt im Ge- ſicht allein, Da die Beweglichkeit des Dampfs ſo mancherley Figur formirt, Die tauſendfach veraͤnderlich, die bald ſich zeigt, bald ſich verliert: Wie ſolches ſich gar deutlich weiſet, wenn wir denſelbi- gen gebrauchen, Und etwan rauchen Zur Zeit, wenn wir im Finſtern ſeyn. Da wir (wie ganz unſtreitig wahr) ſo dann, ob unſre Pfeifen brennen, Wie oder nicht, durch den Geſchmack, nicht merken und nicht wiſſen koͤnnen.
Mich fuͤhrte die Betrachtung weiter, und, von den Sinnen die vereinet, Auf die vereinte Seelenkraͤfte, da fiel mir nun die Frage bey: Ob ihrer Kraͤfte Dreyheit wohl ſo ſehr getheilet, als man meynet? Man nennet ſie gemeiniglich Verſtand, Gedaͤchtniß, Phantaſey; Man fuͤget der gedritten Zahl, die vierte noch, den Wil- len, bey.
Nun
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Vermiſchte Gedichte
Ernſthafte Gedanken bey Gelegen-
heit des Tobackrauchens.
Wir meynen, es beſteh die Luſt und das Vergnuͤgen
vom Toback
Hauptſaͤchlich ja faſt ganz allein auf unſrer Zung und
im Geſchmack.
Jedoch wir irren. Das Vergnuͤgen beſteht faſt im Ge-
ſicht allein,
Da die Beweglichkeit des Dampfs ſo mancherley Figur
formirt,
Die tauſendfach veraͤnderlich, die bald ſich zeigt, bald
ſich verliert:
Wie ſolches ſich gar deutlich weiſet, wenn wir denſelbi-
gen gebrauchen,
Und etwan rauchen
Zur Zeit, wenn wir im Finſtern ſeyn.
Da wir (wie ganz unſtreitig wahr) ſo dann, ob unſre
Pfeifen brennen,
Wie oder nicht, durch den Geſchmack, nicht merken und
nicht wiſſen koͤnnen.
Mich fuͤhrte die Betrachtung weiter, und, von den
Sinnen die vereinet,
Auf die vereinte Seelenkraͤfte, da fiel mir nun die Frage
bey:
Ob ihrer Kraͤfte Dreyheit wohl ſo ſehr getheilet, als
man meynet?
Man nennet ſie gemeiniglich Verſtand, Gedaͤchtniß,
Phantaſey;
Man fuͤget der gedritten Zahl, die vierte noch, den Wil-
len, bey.
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Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 456. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/476>, abgerufen am 03.03.2025.
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