Wie viele Thiere steile Höh'n, so lieben Dachse dunk- le Tiefen Und finstre Löcher in der Erde, worinn sie nicht des Tags nur schliefen, Nein, worinn sie die halbe Zeit des Lebens selbst sich fast begraben, Und ihre Lagerstatt darinn, so lang der Winter währet, haben: Dann schlafen sie die ganze Zeit, dann sollen sie von sich sich nähren, Und bloß von ihrem eignen Körper und ihrem eignen Fet- te zehren. Sonst nähret dieses Thier sich meist von Regenwürmern, Käfern, Schnecken, Von Molchen, Kröten, Fröschen, Mäusen und anderm Ungeziefer mehr. Doch lassen sie auch junge Hasen, zusammt Kaninichen, sich schmecken, Auch junge Vögel sonderlich. Sie sind sehr fett, es wird das Schmeer Als eine Haut herabgezogen, und nützet sehr in Arzeneyen. Des Fleisches hat man sich nicht minder, wenn es ge- salzen, zu erfreuen. Die Häute, welche denen Sattlern, den Täschnern auch, zu Gute kommen, Die werden viel zu Reisekasten, zu Pinseln wird das Haar, genommen. So daß selbst an dem faulen Dachs ein fromm- und bil- liges Gemüth, Wie sehr auch er den Menschen nützt, mit Dank und mit Bewundrung sieht.
Die
T
uͤber das Reich der Thiere.
Der Dachs.
Wie viele Thiere ſteile Hoͤh’n, ſo lieben Dachſe dunk- le Tiefen Und finſtre Loͤcher in der Erde, worinn ſie nicht des Tags nur ſchliefen, Nein, worinn ſie die halbe Zeit des Lebens ſelbſt ſich faſt begraben, Und ihre Lagerſtatt darinn, ſo lang der Winter waͤhret, haben: Dann ſchlafen ſie die ganze Zeit, dann ſollen ſie von ſich ſich naͤhren, Und bloß von ihrem eignen Koͤrper und ihrem eignen Fet- te zehren. Sonſt naͤhret dieſes Thier ſich meiſt von Regenwuͤrmern, Kaͤfern, Schnecken, Von Molchen, Kroͤten, Froͤſchen, Maͤuſen und anderm Ungeziefer mehr. Doch laſſen ſie auch junge Haſen, zuſammt Kaninichen, ſich ſchmecken, Auch junge Voͤgel ſonderlich. Sie ſind ſehr fett, es wird das Schmeer Als eine Haut herabgezogen, und nuͤtzet ſehr in Arzeneyen. Des Fleiſches hat man ſich nicht minder, wenn es ge- ſalzen, zu erfreuen. Die Haͤute, welche denen Sattlern, den Taͤſchnern auch, zu Gute kommen, Die werden viel zu Reiſekaſten, zu Pinſeln wird das Haar, genommen. So daß ſelbſt an dem faulen Dachs ein fromm- und bil- liges Gemuͤth, Wie ſehr auch er den Menſchen nuͤtzt, mit Dank und mit Bewundrung ſieht.
Die
T
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0309"n="289"/><fwplace="top"type="header">uͤber das Reich der Thiere.</fw><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b">Der Dachs.</hi></head><lb/><lgtype="poem"><l><hirendition="#in">W</hi>ie viele Thiere ſteile Hoͤh’n, ſo lieben Dachſe dunk-</l><lb/><l><hirendition="#et">le Tiefen</hi></l><lb/><l>Und finſtre Loͤcher in der Erde, worinn ſie nicht des Tags</l><lb/><l><hirendition="#et">nur ſchliefen,</hi></l><lb/><l>Nein, worinn ſie die halbe Zeit des Lebens ſelbſt ſich faſt</l><lb/><l><hirendition="#et">begraben,</hi></l><lb/><l>Und ihre Lagerſtatt darinn, ſo lang der Winter waͤhret,</l><lb/><l><hirendition="#et">haben:</hi></l><lb/><l>Dann ſchlafen ſie die ganze Zeit, dann ſollen ſie von ſich</l><lb/><l><hirendition="#et">ſich naͤhren,</hi></l><lb/><l>Und bloß von ihrem eignen Koͤrper und ihrem eignen Fet-</l><lb/><l><hirendition="#et">te zehren.</hi></l><lb/><l>Sonſt naͤhret dieſes Thier ſich meiſt von Regenwuͤrmern,</l><lb/><l><hirendition="#et">Kaͤfern, Schnecken,</hi></l><lb/><l>Von Molchen, Kroͤten, Froͤſchen, Maͤuſen und anderm</l><lb/><l><hirendition="#et">Ungeziefer mehr.</hi></l><lb/><l>Doch laſſen ſie auch junge Haſen, zuſammt Kaninichen,</l><lb/><l><hirendition="#et">ſich ſchmecken,</hi></l><lb/><l>Auch junge Voͤgel ſonderlich. Sie ſind ſehr fett, es wird</l><lb/><l><hirendition="#et">das Schmeer</hi></l><lb/><l>Als eine Haut herabgezogen, und nuͤtzet ſehr in Arzeneyen.</l><lb/><l>Des Fleiſches hat man ſich nicht minder, wenn es ge-</l><lb/><l><hirendition="#et">ſalzen, zu erfreuen.</hi></l><lb/><l>Die Haͤute, welche denen Sattlern, den Taͤſchnern auch,</l><lb/><l><hirendition="#et">zu Gute kommen,</hi></l><lb/><l>Die werden viel zu Reiſekaſten, zu Pinſeln wird das Haar,</l><lb/><l><hirendition="#et">genommen.</hi></l><lb/><l>So daß ſelbſt an dem faulen Dachs ein fromm- und bil-</l><lb/><l><hirendition="#et">liges Gemuͤth,</hi></l><lb/><l>Wie ſehr auch er den Menſchen nuͤtzt, mit Dank und mit</l><lb/><l><hirendition="#et">Bewundrung ſieht.</hi></l></lg></div><lb/><fwplace="bottom"type="sig">T</fw><fwplace="bottom"type="catch">Die</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[289/0309]
uͤber das Reich der Thiere.
Der Dachs.
Wie viele Thiere ſteile Hoͤh’n, ſo lieben Dachſe dunk-
le Tiefen
Und finſtre Loͤcher in der Erde, worinn ſie nicht des Tags
nur ſchliefen,
Nein, worinn ſie die halbe Zeit des Lebens ſelbſt ſich faſt
begraben,
Und ihre Lagerſtatt darinn, ſo lang der Winter waͤhret,
haben:
Dann ſchlafen ſie die ganze Zeit, dann ſollen ſie von ſich
ſich naͤhren,
Und bloß von ihrem eignen Koͤrper und ihrem eignen Fet-
te zehren.
Sonſt naͤhret dieſes Thier ſich meiſt von Regenwuͤrmern,
Kaͤfern, Schnecken,
Von Molchen, Kroͤten, Froͤſchen, Maͤuſen und anderm
Ungeziefer mehr.
Doch laſſen ſie auch junge Haſen, zuſammt Kaninichen,
ſich ſchmecken,
Auch junge Voͤgel ſonderlich. Sie ſind ſehr fett, es wird
das Schmeer
Als eine Haut herabgezogen, und nuͤtzet ſehr in Arzeneyen.
Des Fleiſches hat man ſich nicht minder, wenn es ge-
ſalzen, zu erfreuen.
Die Haͤute, welche denen Sattlern, den Taͤſchnern auch,
zu Gute kommen,
Die werden viel zu Reiſekaſten, zu Pinſeln wird das Haar,
genommen.
So daß ſelbſt an dem faulen Dachs ein fromm- und bil-
liges Gemuͤth,
Wie ſehr auch er den Menſchen nuͤtzt, mit Dank und mit
Bewundrung ſieht.
Die
T
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/309>, abgerufen am 22.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.