OGott! wo kommt doch dieses her, Daß wir, recht als in einem Meer Von Gütern, und von Wundern, schwimmen: Und man doch immer, ungerührt, Fast alles, im Besitz, verliert; Sich nimmer, Dir, wie sichs gebührt, Bemüht, ein Dank-Lied anzustimmen!
Die meisten Dinge scheinen so; Man wird derselben bloß nur froh, So lange sie von uns entfernet. Es ist nur ein Gesichts-Punkt da, Wo es gefällt: Kommt es zu nah; Verzieht sich plötzlich alles das, (Als wie, durch ein Vergrößrungs-Glas, Bey Dingen, die zu nahe stehn) Was in dem Aug-Punkt wunderschön, So lang' es nicht zu nah, zu sehn.
Der Fehler aber lieget nicht Am Vorwurf, auch nicht am Gesicht; Er liegt allein, daß wir das Denken Nur immer vorwärts, und fast nie, Aufs wenigste nicht ohne Müh', Aufs Gute, so uns nah ist, lenken.
"So
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Ungluͤckſelige Folgen der Unachtſamkeit.
OGott! wo kommt doch dieſes her, Daß wir, recht als in einem Meer Von Guͤtern, und von Wundern, ſchwimmen: Und man doch immer, ungeruͤhrt, Faſt alles, im Beſitz, verliert; Sich nimmer, Dir, wie ſichs gebuͤhrt, Bemuͤht, ein Dank-Lied anzuſtimmen!
Die meiſten Dinge ſcheinen ſo; Man wird derſelben bloß nur froh, So lange ſie von uns entfernet. Es iſt nur ein Geſichts-Punkt da, Wo es gefaͤllt: Kommt es zu nah; Verzieht ſich ploͤtzlich alles das, (Als wie, durch ein Vergroͤßrungs-Glas, Bey Dingen, die zu nahe ſtehn) Was in dem Aug-Punkt wunderſchoͤn, So lang’ es nicht zu nah, zu ſehn.
Der Fehler aber lieget nicht Am Vorwurf, auch nicht am Geſicht; Er liegt allein, daß wir das Denken Nur immer vorwaͤrts, und faſt nie, Aufs wenigſte nicht ohne Muͤh’, Aufs Gute, ſo uns nah iſt, lenken.
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Ungluͤckſelige
Folgen der Unachtſamkeit.
OGott! wo kommt doch dieſes her,
Daß wir, recht als in einem Meer
Von Guͤtern, und von Wundern, ſchwimmen:
Und man doch immer, ungeruͤhrt,
Faſt alles, im Beſitz, verliert;
Sich nimmer, Dir, wie ſichs gebuͤhrt,
Bemuͤht, ein Dank-Lied anzuſtimmen!
Die meiſten Dinge ſcheinen ſo;
Man wird derſelben bloß nur froh,
So lange ſie von uns entfernet.
Es iſt nur ein Geſichts-Punkt da,
Wo es gefaͤllt: Kommt es zu nah;
Verzieht ſich ploͤtzlich alles das,
(Als wie, durch ein Vergroͤßrungs-Glas,
Bey Dingen, die zu nahe ſtehn)
Was in dem Aug-Punkt wunderſchoͤn,
So lang’ es nicht zu nah, zu ſehn.
Der Fehler aber lieget nicht
Am Vorwurf, auch nicht am Geſicht;
Er liegt allein, daß wir das Denken
Nur immer vorwaͤrts, und faſt nie,
Aufs wenigſte nicht ohne Muͤh’,
Aufs Gute, ſo uns nah iſt, lenken.
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 567. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/581>, abgerufen am 21.11.2024.
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