Obgleich die Zeit, von der Natur, in Tag und Nacht, und von uns, in Stunden, eingetheilet wird; so befin- den wir jedoch, daß dadurch eine langweilige Einför- migkeit bey uns sich nicht unterbreche. Wir ver- bringen unsere Dauer in einem ungefühlten Zug. Jndem wir nicht daran gedenken; bemerken wir kaum, daß wir seyn, wenn wir uns in guten Umständen befinden: und, in verdrießlichen, werden wir, in einer nicht unterbrochenen bittern Stille, gleichsam als in einem schwehren Schlaf, und wie in einem schleichen- den Drang eines Strohms, fortgezogen. Jnson- derheit empfinden wir eine verdrießliche lange Weile, bey schlaflosen Nächten. Diese beschwehrliche Lang- wierigkeit nun nicht allein zu unterbrechen; sondern auch zugleich, (nebst einer vernünftigen Erinnerung unsers Daseyns) in guten Zeiten, unser Vergnügen zu vermehren; in kranken und betrübten aber, durch erbauliche Betrachtung: daß wir, bey jeder Stunde, dem Ende unserer beschwehrlichen Umstände, und dem Anfange einer ewig daurenden Glückseligkeit, uns nähern; habe ich nicht undienlich erachtet, folgende Stunden-Betrachtungen anzustellen.
1.
Jetzt schlägt es Ein. Laß diese Zahl, Die aller Zahlen Grund allein, Gerührtes Herz! dir allemal Der großen Einheit Denk-Bild seyn, Aus welcher alles, was vorhanden, Der Welt und Sonnen Heer', entstanden.
2. Es
Stunden-Betrachtungen.
Obgleich die Zeit, von der Natur, in Tag und Nacht, und von uns, in Stunden, eingetheilet wird; ſo befin- den wir jedoch, daß dadurch eine langweilige Einfoͤr- migkeit bey uns ſich nicht unterbreche. Wir ver- bringen unſere Dauer in einem ungefuͤhlten Zug. Jndem wir nicht daran gedenken; bemerken wir kaum, daß wir ſeyn, wenn wir uns in guten Umſtaͤnden befinden: und, in verdrießlichen, werden wir, in einer nicht unterbrochenen bittern Stille, gleichſam als in einem ſchwehren Schlaf, und wie in einem ſchleichen- den Drang eines Strohms, fortgezogen. Jnſon- derheit empfinden wir eine verdrießliche lange Weile, bey ſchlafloſen Naͤchten. Dieſe beſchwehrliche Lang- wierigkeit nun nicht allein zu unterbrechen; ſondern auch zugleich, (nebſt einer vernuͤnftigen Erinnerung unſers Daſeyns) in guten Zeiten, unſer Vergnuͤgen zu vermehren; in kranken und betruͤbten aber, durch erbauliche Betrachtung: daß wir, bey jeder Stunde, dem Ende unſerer beſchwehrlichen Umſtaͤnde, und dem Anfange einer ewig daurenden Gluͤckſeligkeit, uns naͤhern; habe ich nicht undienlich erachtet, folgende Stunden-Betrachtungen anzuſtellen.
1.
Jetzt ſchlaͤgt es Ein. Laß dieſe Zahl, Die aller Zahlen Grund allein, Geruͤhrtes Herz! dir allemal Der großen Einheit Denk-Bild ſeyn, Aus welcher alles, was vorhanden, Der Welt und Sonnen Heer’, entſtanden.
2. Es
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Stunden-Betrachtungen.
Obgleich die Zeit, von der Natur, in Tag und Nacht,
und von uns, in Stunden, eingetheilet wird; ſo befin-
den wir jedoch, daß dadurch eine langweilige Einfoͤr-
migkeit bey uns ſich nicht unterbreche. Wir ver-
bringen unſere Dauer in einem ungefuͤhlten Zug.
Jndem wir nicht daran gedenken; bemerken wir kaum,
daß wir ſeyn, wenn wir uns in guten Umſtaͤnden
befinden: und, in verdrießlichen, werden wir, in einer
nicht unterbrochenen bittern Stille, gleichſam als in
einem ſchwehren Schlaf, und wie in einem ſchleichen-
den Drang eines Strohms, fortgezogen. Jnſon-
derheit empfinden wir eine verdrießliche lange Weile,
bey ſchlafloſen Naͤchten. Dieſe beſchwehrliche Lang-
wierigkeit nun nicht allein zu unterbrechen; ſondern
auch zugleich, (nebſt einer vernuͤnftigen Erinnerung
unſers Daſeyns) in guten Zeiten, unſer Vergnuͤgen
zu vermehren; in kranken und betruͤbten aber, durch
erbauliche Betrachtung: daß wir, bey jeder Stunde,
dem Ende unſerer beſchwehrlichen Umſtaͤnde, und
dem Anfange einer ewig daurenden Gluͤckſeligkeit, uns
naͤhern; habe ich nicht undienlich erachtet, folgende
Stunden-Betrachtungen anzuſtellen.
1.
Jetzt ſchlaͤgt es Ein. Laß dieſe Zahl,
Die aller Zahlen Grund allein,
Geruͤhrtes Herz! dir allemal
Der großen Einheit Denk-Bild ſeyn,
Aus welcher alles, was vorhanden,
Der Welt und Sonnen Heer’, entſtanden.
2. Es
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 462. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/476>, abgerufen am 30.12.2024.
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