Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Sprache der Natur.
Das Welt-Buch muß der Mensch studieren.
Dieß schrieb des Schöpfers Wunder-Hand.
Er schenkt uns Sinnen und Verstand,
Daß uns der Jnhalt könnte rühren,
Und uns auf Sein Erkenntniß führen.
Der Jnhalt ist der Unterricht:
Euch zeigt Mein Werk, daß Jch gewollt,
Daß ihr Mein Daseyn wissen sollt.
Ein mehrers brauchen wir hier nicht.
Doch merket, wie der Mensch es macht!
Was Gott, und zwar für ihn, geschrieben,
Läßt er, von seinen eignen Trieben
Verführet, sträflich aus der Acht.
Er braucht, er nützt, er liest es nicht;
Er glaubt, was Paul und Peter spricht:
Die sagen nichts von Gottes Werken;
Noch, daß Er darinn sichtbarlich
Zu sehn, zu spühren, zu bemerken.
Ein jeder schreibt sein Buch für sich.
Sie sehn nicht, was sie sollen sehen:
Nicht Gott, in Seiner Werke Zier;
Sie ziehn, die eigenen Jdeen,
Des schönen Welt-Buchs Jnhalt für.
Jhr Hirn-Gespinnst ists ganz allein,
Womit sie hier beschäfftigt seyn:
Man lehrt, mit Zanken und Geschrey,
Nicht, daß ein Gott; nein, was Er sey.
Was
Die Sprache der Natur.
Das Welt-Buch muß der Menſch ſtudieren.
Dieß ſchrieb des Schoͤpfers Wunder-Hand.
Er ſchenkt uns Sinnen und Verſtand,
Daß uns der Jnhalt koͤnnte ruͤhren,
Und uns auf Sein Erkenntniß fuͤhren.
Der Jnhalt iſt der Unterricht:
Euch zeigt Mein Werk, daß Jch gewollt,
Daß ihr Mein Daſeyn wiſſen ſollt.
Ein mehrers brauchen wir hier nicht.
Doch merket, wie der Menſch es macht!
Was Gott, und zwar fuͤr ihn, geſchrieben,
Laͤßt er, von ſeinen eignen Trieben
Verfuͤhret, ſtraͤflich aus der Acht.
Er braucht, er nuͤtzt, er lieſt es nicht;
Er glaubt, was Paul und Peter ſpricht:
Die ſagen nichts von Gottes Werken;
Noch, daß Er darinn ſichtbarlich
Zu ſehn, zu ſpuͤhren, zu bemerken.
Ein jeder ſchreibt ſein Buch fuͤr ſich.
Sie ſehn nicht, was ſie ſollen ſehen:
Nicht Gott, in Seiner Werke Zier;
Sie ziehn, die eigenen Jdeen,
Des ſchoͤnen Welt-Buchs Jnhalt fuͤr.
Jhr Hirn-Geſpinnſt iſts ganz allein,
Womit ſie hier beſchaͤfftigt ſeyn:
Man lehrt, mit Zanken und Geſchrey,
Nicht, daß ein Gott; nein, was Er ſey.
Was
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0462" n="448"/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">Die Sprache der Natur.</hi> </head><lb/>
            <lg type="poem">
              <lg n="1">
                <l><hi rendition="#in">D</hi>as Welt-Buch muß der Men&#x017F;ch &#x017F;tudieren.</l><lb/>
                <l>Dieß &#x017F;chrieb des Scho&#x0364;pfers Wunder-Hand.</l><lb/>
                <l>Er &#x017F;chenkt uns <hi rendition="#fr">Sinnen</hi> und <hi rendition="#fr">Ver&#x017F;tand,</hi></l><lb/>
                <l>Daß uns der Jnhalt ko&#x0364;nnte ru&#x0364;hren,</l><lb/>
                <l>Und uns auf Sein Erkenntniß fu&#x0364;hren.</l><lb/>
                <l>Der Jnhalt i&#x017F;t der Unterricht:</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#fr">Euch zeigt Mein Werk, daß Jch gewollt,</hi> </l><lb/>
                <l> <hi rendition="#fr">Daß ihr Mein Da&#x017F;eyn wi&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ollt.</hi> </l><lb/>
                <l>Ein mehrers brauchen wir hier nicht.</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="2">
                <l>Doch merket, wie der Men&#x017F;ch es macht!</l><lb/>
                <l>Was Gott, und zwar fu&#x0364;r ihn, ge&#x017F;chrieben,</l><lb/>
                <l>La&#x0364;ßt er, von &#x017F;einen eignen Trieben</l><lb/>
                <l>Verfu&#x0364;hret, &#x017F;tra&#x0364;flich aus der Acht.</l><lb/>
                <l>Er braucht, er nu&#x0364;tzt, er lie&#x017F;t es nicht;</l><lb/>
                <l>Er glaubt, was Paul und Peter &#x017F;pricht:</l><lb/>
                <l>Die &#x017F;agen nichts von Gottes Werken;</l><lb/>
                <l>Noch, daß Er darinn &#x017F;ichtbarlich</l><lb/>
                <l>Zu &#x017F;ehn, zu &#x017F;pu&#x0364;hren, zu bemerken.</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="3">
                <l>Ein jeder &#x017F;chreibt &#x017F;ein Buch fu&#x0364;r &#x017F;ich.</l><lb/>
                <l>Sie &#x017F;ehn nicht, was &#x017F;ie &#x017F;ollen &#x017F;ehen:</l><lb/>
                <l>Nicht Gott, in Seiner Werke Zier;</l><lb/>
                <l>Sie ziehn, die eigenen Jdeen,</l><lb/>
                <l>Des &#x017F;cho&#x0364;nen Welt-Buchs Jnhalt fu&#x0364;r.</l><lb/>
                <l>Jhr Hirn-Ge&#x017F;pinn&#x017F;t i&#x017F;ts ganz allein,</l><lb/>
                <l>Womit &#x017F;ie hier be&#x017F;cha&#x0364;fftigt &#x017F;eyn:</l><lb/>
                <l>Man lehrt, mit Zanken und Ge&#x017F;chrey,</l><lb/>
                <l>Nicht, <hi rendition="#fr">daß</hi> ein Gott; nein, <hi rendition="#fr">was</hi> Er &#x017F;ey.</l>
              </lg><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">Was</fw><lb/>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[448/0462] Die Sprache der Natur. Das Welt-Buch muß der Menſch ſtudieren. Dieß ſchrieb des Schoͤpfers Wunder-Hand. Er ſchenkt uns Sinnen und Verſtand, Daß uns der Jnhalt koͤnnte ruͤhren, Und uns auf Sein Erkenntniß fuͤhren. Der Jnhalt iſt der Unterricht: Euch zeigt Mein Werk, daß Jch gewollt, Daß ihr Mein Daſeyn wiſſen ſollt. Ein mehrers brauchen wir hier nicht. Doch merket, wie der Menſch es macht! Was Gott, und zwar fuͤr ihn, geſchrieben, Laͤßt er, von ſeinen eignen Trieben Verfuͤhret, ſtraͤflich aus der Acht. Er braucht, er nuͤtzt, er lieſt es nicht; Er glaubt, was Paul und Peter ſpricht: Die ſagen nichts von Gottes Werken; Noch, daß Er darinn ſichtbarlich Zu ſehn, zu ſpuͤhren, zu bemerken. Ein jeder ſchreibt ſein Buch fuͤr ſich. Sie ſehn nicht, was ſie ſollen ſehen: Nicht Gott, in Seiner Werke Zier; Sie ziehn, die eigenen Jdeen, Des ſchoͤnen Welt-Buchs Jnhalt fuͤr. Jhr Hirn-Geſpinnſt iſts ganz allein, Womit ſie hier beſchaͤfftigt ſeyn: Man lehrt, mit Zanken und Geſchrey, Nicht, daß ein Gott; nein, was Er ſey. Was

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/462
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 448. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/462>, abgerufen am 21.12.2024.