Das fünf und sechszigste von meinen Lebens-Jahren Jst, wie die vorigen, nun auch dahin gefahren: Das sechs und sechszigste fängt sich jetzt eben an.
Mein Gott! wie fleucht die Zeit! beklagt sich jeder- mann; Jch aber klage nicht. Mit dankbarem Gemüthe Verehr' ich, in dem Lauf der Dinge, Dessen Güte, Der alles in der Welt, in solcher Richtigkeit, Jn solcher Ordnung, Maß und Daur, bis auf die Zeit, Bewundernswürdig, weis' und herrlich eingerichtet: Daß, was vernünftig ist, und denken kann, verpflichtet, Jn dieser stillen Dau'r der Dinge, die vergehn, Ein übermenschliches Regieren einzusehn, Und eine Liebe, Macht und Weisheit zu erhöhn, Die aller Sterblichen Begriff weit übersteiget, Die sich unwandelbar, bey aller Aendrung, zeiget.
Jch finde mich, zumal bey dieser Zeit, gerührt, Da ich noch denken kann, da noch mein Geist verspührt, Was, auch in diesem Jahr, das eben jetzt verflossen, Jch, durch des Höchsten Huld, für vieles Gut genossen; Das meine Schuldigkeit mir zur Erinnrung bringt, Und mich zum Preis und Dank, bey Freuden-Thränen, zwingt.
Jch bin in diesem Jahr, Gott Lob! gesund geblieben, Nebst allen Meinigen. Sein väterliches Lieben
Hat
Auf meinen ſechs und ſechszigſten Gebuhrts-Tag.
Das fuͤnf und ſechszigſte von meinen Lebens-Jahren Jſt, wie die vorigen, nun auch dahin gefahren: Das ſechs und ſechszigſte faͤngt ſich jetzt eben an.
Mein Gott! wie fleucht die Zeit! beklagt ſich jeder- mann; Jch aber klage nicht. Mit dankbarem Gemuͤthe Verehr’ ich, in dem Lauf der Dinge, Deſſen Guͤte, Der alles in der Welt, in ſolcher Richtigkeit, Jn ſolcher Ordnung, Maß und Daur, bis auf die Zeit, Bewundernswuͤrdig, weiſ’ und herrlich eingerichtet: Daß, was vernuͤnftig iſt, und denken kann, verpflichtet, Jn dieſer ſtillen Dau’r der Dinge, die vergehn, Ein uͤbermenſchliches Regieren einzuſehn, Und eine Liebe, Macht und Weisheit zu erhoͤhn, Die aller Sterblichen Begriff weit uͤberſteiget, Die ſich unwandelbar, bey aller Aendrung, zeiget.
Jch finde mich, zumal bey dieſer Zeit, geruͤhrt, Da ich noch denken kann, da noch mein Geiſt verſpuͤhrt, Was, auch in dieſem Jahr, das eben jetzt verfloſſen, Jch, durch des Hoͤchſten Huld, fuͤr vieles Gut genoſſen; Das meine Schuldigkeit mir zur Erinnrung bringt, Und mich zum Preis und Dank, bey Freuden-Thraͤnen, zwingt.
Jch bin in dieſem Jahr, Gott Lob! geſund geblieben, Nebſt allen Meinigen. Sein vaͤterliches Lieben
Hat
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Auf meinen ſechs und ſechszigſten
Gebuhrts-Tag.
Das fuͤnf und ſechszigſte von meinen Lebens-Jahren
Jſt, wie die vorigen, nun auch dahin gefahren:
Das ſechs und ſechszigſte faͤngt ſich jetzt eben an.
Mein Gott! wie fleucht die Zeit! beklagt ſich jeder-
mann;
Jch aber klage nicht. Mit dankbarem Gemuͤthe
Verehr’ ich, in dem Lauf der Dinge, Deſſen Guͤte,
Der alles in der Welt, in ſolcher Richtigkeit,
Jn ſolcher Ordnung, Maß und Daur, bis auf die Zeit,
Bewundernswuͤrdig, weiſ’ und herrlich eingerichtet:
Daß, was vernuͤnftig iſt, und denken kann, verpflichtet,
Jn dieſer ſtillen Dau’r der Dinge, die vergehn,
Ein uͤbermenſchliches Regieren einzuſehn,
Und eine Liebe, Macht und Weisheit zu erhoͤhn,
Die aller Sterblichen Begriff weit uͤberſteiget,
Die ſich unwandelbar, bey aller Aendrung, zeiget.
Jch finde mich, zumal bey dieſer Zeit, geruͤhrt,
Da ich noch denken kann, da noch mein Geiſt verſpuͤhrt,
Was, auch in dieſem Jahr, das eben jetzt verfloſſen,
Jch, durch des Hoͤchſten Huld, fuͤr vieles Gut genoſſen;
Das meine Schuldigkeit mir zur Erinnrung bringt,
Und mich zum Preis und Dank, bey Freuden-Thraͤnen,
zwingt.
Jch bin in dieſem Jahr, Gott Lob! geſund geblieben,
Nebſt allen Meinigen. Sein vaͤterliches Lieben
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/283>, abgerufen am 22.02.2025.
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