Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746.Auf meinen Gebuhrts-Tag. 1742. Der Tag, an welchem ich der güldnen Sonnen Schein, Zum erstenmal, erblickt, bricht abermal herein. Schon zwey und sechszig mal hab' ich ihn sehen können: Das drey und sechszigste will Gott mir heute gönnen. Wie billig ist demnach, daß mein gerührter Geist Dich, unsers Lebens Quell, für solche Gnade, preist; Daß ich, für so viel Guts, das ich, in so viel Jahren, Durch Deine Gnad' allein, genossen und erfahren, Von Herzen dankbar sey! Jch stutze vor der Zahl, Die nicht zu zählen ist. Die Menge stöhrt die Wahl; Jch weiß nicht, welches ich von allen, erst, besingen, Was ich verschieben soll. Kein Ton will mir gelingen; Weil aller Güter Zahl, womit Du mich beglückt, Wie eine süße Last, den Geist fast unterdrückt. Jch muß mich dann nur bloß zur Allgemeinheit kehren, Und Deine Lieb', o Gott! in frohem Schweigen, ehren. Dir ist es ja bekannt, mein Rechnen braucht es nicht, Was mir von Dir für Guts geschehen, und geschicht. Jch könnt', und würd' auch leicht, durch ordentlichs Erzehlen, Verschiedner Leser Sinn, durch Neid und Argwohn, quälen, Ob führt' ein eitler Ruhm den Dank-erfüllten Kiel, Und daß ich, in dem Dank, mir selbst zu viel gefiel. Daher will ich vielmehr, in stillem Ueberlegen, Die Ueberschwenglichkeit von Deiner Huld erwegen, Die Du den Meinigen sowohl, als mir, erzeigt, Die ihr und mein Verdienst unendlich übersteigt. Sey, R 4
Auf meinen Gebuhrts-Tag. 1742. Der Tag, an welchem ich der guͤldnen Sonnen Schein, Zum erſtenmal, erblickt, bricht abermal herein. Schon zwey und ſechszig mal hab’ ich ihn ſehen koͤnnen: Das drey und ſechszigſte will Gott mir heute goͤnnen. Wie billig iſt demnach, daß mein geruͤhrter Geiſt Dich, unſers Lebens Quell, fuͤr ſolche Gnade, preiſt; Daß ich, fuͤr ſo viel Guts, das ich, in ſo viel Jahren, Durch Deine Gnad’ allein, genoſſen und erfahren, Von Herzen dankbar ſey! Jch ſtutze vor der Zahl, Die nicht zu zaͤhlen iſt. Die Menge ſtoͤhrt die Wahl; Jch weiß nicht, welches ich von allen, erſt, beſingen, Was ich verſchieben ſoll. Kein Ton will mir gelingen; Weil aller Guͤter Zahl, womit Du mich begluͤckt, Wie eine ſuͤße Laſt, den Geiſt faſt unterdruͤckt. Jch muß mich dann nur bloß zur Allgemeinheit kehren, Und Deine Lieb’, o Gott! in frohem Schweigen, ehren. Dir iſt es ja bekannt, mein Rechnen braucht es nicht, Was mir von Dir fuͤr Guts geſchehen, und geſchicht. Jch koͤnnt’, und wuͤrd’ auch leicht, durch ordentlichs Erzehlen, Verſchiedner Leſer Sinn, durch Neid und Argwohn, quaͤlen, Ob fuͤhrt’ ein eitler Ruhm den Dank-erfuͤllten Kiel, Und daß ich, in dem Dank, mir ſelbſt zu viel gefiel. Daher will ich vielmehr, in ſtillem Ueberlegen, Die Ueberſchwenglichkeit von Deiner Huld erwegen, Die Du den Meinigen ſowohl, als mir, erzeigt, Die ihr und mein Verdienſt unendlich uͤberſteigt. Sey, R 4
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Auf meinen Gebuhrts-Tag.
1742.
Der Tag, an welchem ich der guͤldnen Sonnen Schein,
Zum erſtenmal, erblickt, bricht abermal herein.
Schon zwey und ſechszig mal hab’ ich ihn ſehen koͤnnen:
Das drey und ſechszigſte will Gott mir heute goͤnnen.
Wie billig iſt demnach, daß mein geruͤhrter Geiſt
Dich, unſers Lebens Quell, fuͤr ſolche Gnade, preiſt;
Daß ich, fuͤr ſo viel Guts, das ich, in ſo viel Jahren,
Durch Deine Gnad’ allein, genoſſen und erfahren,
Von Herzen dankbar ſey! Jch ſtutze vor der Zahl,
Die nicht zu zaͤhlen iſt. Die Menge ſtoͤhrt die Wahl;
Jch weiß nicht, welches ich von allen, erſt, beſingen,
Was ich verſchieben ſoll. Kein Ton will mir gelingen;
Weil aller Guͤter Zahl, womit Du mich begluͤckt,
Wie eine ſuͤße Laſt, den Geiſt faſt unterdruͤckt.
Jch muß mich dann nur bloß zur Allgemeinheit kehren,
Und Deine Lieb’, o Gott! in frohem Schweigen, ehren.
Dir iſt es ja bekannt, mein Rechnen braucht es nicht,
Was mir von Dir fuͤr Guts geſchehen, und geſchicht.
Jch koͤnnt’, und wuͤrd’ auch leicht, durch ordentlichs
Erzehlen,
Verſchiedner Leſer Sinn, durch Neid und Argwohn,
quaͤlen,
Ob fuͤhrt’ ein eitler Ruhm den Dank-erfuͤllten Kiel,
Und daß ich, in dem Dank, mir ſelbſt zu viel gefiel.
Daher will ich vielmehr, in ſtillem Ueberlegen,
Die Ueberſchwenglichkeit von Deiner Huld erwegen,
Die Du den Meinigen ſowohl, als mir, erzeigt,
Die ihr und mein Verdienſt unendlich uͤberſteigt.
Sey,
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