Erbauliche Gedanken über Herrn Rösels vortreffliches Jnsecten-Werk.
Ach! wie ist des Menschen Geistes Kraft und Schärfe doch so klein, Und die Blindheit unsrer Seelen doch so groß, als allge- mein! Die Materie sowohl, als der Geist, ist uns verborgen; Auch der untheilbare Stoff, woraus erstere besteht, Als derselben Fügungen, unerachtet aller Sorgen, Alles ernsten Ueberlegens, sind, wenn man recht in sich geht, Dunkel und ganz unbegreiflich. Von dem Geist begrei- fen wir, Wo es möglich; minder noch. Dennoch kommt uns öfters für, Daß, wo wir nicht eben alles, vieles jedennoch, begreifen.
Unser Stolz lenkt unsern Blick, von den Dingen, trüg- lich ab, Wo er sieht, daß sich darinn zu viel Schwierigkeiten häuffen; Sucht sich aber desto mehr auf diejenigen zu steiffen, Wovon die Empfindung ihm kaum den Schein der Wahrheit gab, Wann, durch seiner Sinnen Mittel, von verschiednen Eigenschaften, Die an solchen Wesen haften,
Ach! wie iſt des Menſchen Geiſtes Kraft und Schaͤrfe doch ſo klein, Und die Blindheit unſrer Seelen doch ſo groß, als allge- mein! Die Materie ſowohl, als der Geiſt, iſt uns verborgen; Auch der untheilbare Stoff, woraus erſtere beſteht, Als derſelben Fuͤgungen, unerachtet aller Sorgen, Alles ernſten Ueberlegens, ſind, wenn man recht in ſich geht, Dunkel und ganz unbegreiflich. Von dem Geiſt begrei- fen wir, Wo es moͤglich; minder noch. Dennoch kommt uns oͤfters fuͤr, Daß, wo wir nicht eben alles, vieles jedennoch, begreifen.
Unſer Stolz lenkt unſern Blick, von den Dingen, truͤg- lich ab, Wo er ſieht, daß ſich darinn zu viel Schwierigkeiten haͤuffen; Sucht ſich aber deſto mehr auf diejenigen zu ſteiffen, Wovon die Empfindung ihm kaum den Schein der Wahrheit gab, Wann, durch ſeiner Sinnen Mittel, von verſchiednen Eigenſchaften, Die an ſolchen Weſen haften,
Er,
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Erbauliche Gedanken uͤber Hn. Roͤſels
Erbauliche Gedanken
uͤber
Herrn Roͤſels
vortreffliches Jnſecten-Werk.
Ach! wie iſt des Menſchen Geiſtes Kraft und Schaͤrfe
doch ſo klein,
Und die Blindheit unſrer Seelen doch ſo groß, als allge-
mein!
Die Materie ſowohl, als der Geiſt, iſt uns verborgen;
Auch der untheilbare Stoff, woraus erſtere beſteht,
Als derſelben Fuͤgungen, unerachtet aller Sorgen,
Alles ernſten Ueberlegens, ſind, wenn man recht in ſich
geht,
Dunkel und ganz unbegreiflich. Von dem Geiſt begrei-
fen wir,
Wo es moͤglich; minder noch. Dennoch kommt uns
oͤfters fuͤr,
Daß, wo wir nicht eben alles, vieles jedennoch, begreifen.
Unſer Stolz lenkt unſern Blick, von den Dingen, truͤg-
lich ab,
Wo er ſieht, daß ſich darinn zu viel Schwierigkeiten
haͤuffen;
Sucht ſich aber deſto mehr auf diejenigen zu ſteiffen,
Wovon die Empfindung ihm kaum den Schein der
Wahrheit gab,
Wann, durch ſeiner Sinnen Mittel, von verſchiednen
Eigenſchaften,
Die an ſolchen Weſen haften,
Er,
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/266>, abgerufen am 22.02.2025.
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