Die Wahrheit, in sich selbst betrachtet, hat dieß allein zu ihrem Schatz, Ja sie ist selber eigentlich nichts, als des Jrrthums Gegensatz. Des Menschen Geists vernünft'ge Wahl, wenn er vom Jrrthum sich entfernet, Jst Wahrheit, da man Jrrthum meiden, dem Rechte beyzupflichten lernet. Nichts anders kann ich wesentlichs, ich mag sie, wie ich will, ergründen, Sie noch so tief im Brunnen suchen, vom wahren Seyn der Wahrheit finden. Denn was man von der Gottheit Selber, Sie sey die ew'ge Wahrheit, spricht, Jst ein ehrwürdiges Geheimniß, gehört zu unsern Schlüs- sen nicht. Wir suchen nur, was die aus Hochmuht erzeugte Wahr- heit-Sucherey, Womit zu unsrer Zeit so viele sich breit zu machen suchen, sey. Jch glaube, daß im Gleichlaut eben des Wortes Wahr- heit, man sich irre, Und daß man, mit erborgter Klarheit, Von der nur göttlich-ewigen, der eitlen Menschen dunkle Wahrheit Jn unglücksel'gem Gleichlaut schmücke, und die Jdeen ganz verwirre. Wodurch wir denn, durch Stolz verführt, uns nicht allein so weit vergehn,
Daß
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Unterſuchung der Wahrheit.
Die Wahrheit, in ſich ſelbſt betrachtet, hat dieß allein zu ihrem Schatz, Ja ſie iſt ſelber eigentlich nichts, als des Jrrthums Gegenſatz. Des Menſchen Geiſts vernuͤnft’ge Wahl, wenn er vom Jrrthum ſich entfernet, Jſt Wahrheit, da man Jrrthum meiden, dem Rechte beyzupflichten lernet. Nichts anders kann ich weſentlichs, ich mag ſie, wie ich will, ergruͤnden, Sie noch ſo tief im Brunnen ſuchen, vom wahren Seyn der Wahrheit finden. Denn was man von der Gottheit Selber, Sie ſey die ew’ge Wahrheit, ſpricht, Jſt ein ehrwuͤrdiges Geheimniß, gehoͤrt zu unſern Schluͤſ- ſen nicht. Wir ſuchen nur, was die aus Hochmuht erzeugte Wahr- heit-Sucherey, Womit zu unſrer Zeit ſo viele ſich breit zu machen ſuchen, ſey. Jch glaube, daß im Gleichlaut eben des Wortes Wahr- heit, man ſich irre, Und daß man, mit erborgter Klarheit, Von der nur goͤttlich-ewigen, der eitlen Menſchen dunkle Wahrheit Jn ungluͤckſel’gem Gleichlaut ſchmuͤcke, und die Jdeen ganz verwirre. Wodurch wir denn, durch Stolz verfuͤhrt, uns nicht allein ſo weit vergehn,
Daß
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Unterſuchung der Wahrheit.
Die Wahrheit, in ſich ſelbſt betrachtet, hat dieß allein
zu ihrem Schatz,
Ja ſie iſt ſelber eigentlich nichts, als des Jrrthums
Gegenſatz.
Des Menſchen Geiſts vernuͤnft’ge Wahl, wenn er vom
Jrrthum ſich entfernet,
Jſt Wahrheit, da man Jrrthum meiden, dem Rechte
beyzupflichten lernet.
Nichts anders kann ich weſentlichs, ich mag ſie, wie ich
will, ergruͤnden,
Sie noch ſo tief im Brunnen ſuchen, vom wahren Seyn
der Wahrheit finden.
Denn was man von der Gottheit Selber, Sie ſey die
ew’ge Wahrheit, ſpricht,
Jſt ein ehrwuͤrdiges Geheimniß, gehoͤrt zu unſern Schluͤſ-
ſen nicht.
Wir ſuchen nur, was die aus Hochmuht erzeugte Wahr-
heit-Sucherey,
Womit zu unſrer Zeit ſo viele ſich breit zu machen ſuchen,
ſey.
Jch glaube, daß im Gleichlaut eben des Wortes Wahr-
heit, man ſich irre,
Und daß man, mit erborgter Klarheit,
Von der nur goͤttlich-ewigen, der eitlen Menſchen dunkle
Wahrheit
Jn ungluͤckſel’gem Gleichlaut ſchmuͤcke, und die Jdeen
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Wodurch wir denn, durch Stolz verfuͤhrt, uns nicht allein
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 695. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/713>, abgerufen am 21.12.2024.
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