Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite
Der späte Frost im Jahre 1740
den 10 April.
Ach, will denn noch von unsern Grenzen
Der gar zu feste Frost nicht fliehn!
Will das so lang' erseufzte Grün,
Jm längst schon eingetret'nen Lenzen,
Die Wiesen nicht mehr überziehn,
Kein Gras noch Kraut das Feld bekränzen,
Kein Bluhmen-Heer in Gärten blühn,
Und in gefärbter Anmuht glänzen?
Wo ist des Frühlings Pracht und Schein?
Der Boden ist noch Felsen-hart,
Das Feld so fest als Stahl und Stein.
Auch in der Sonnen Gegenwart
Scheint dennoch die Natur erstarrt.
An statt des Zephyrs lauen Blasen
Hört man noch scharfe Winde rasen.
Des reinen Himmels heitres Blau
Verhüllt ein kalt- und trübes Grau.
Es friert nunmehr ein halbes Jahr
Seit dem October und November;
Der Martius gleicht dem December,
Der Majus selbst dem Januar.
Es können aus den festen Flächen
Und denen nicht verhandnen Ritzen
Der kleinen grünen Pfriemen Spitzen
Von Bluhmen, Kraut und Gras nicht brechen;
Es ist noch gar kein Grün zu sehn.
Auf dem verschloßnen Erden-Schooß
Sieht man nur ein erfrornes Mooß,
Und zwar nur hin und wieder, stehen.
Es
Der ſpaͤte Froſt im Jahre 1740
den 10 April.
Ach, will denn noch von unſern Grenzen
Der gar zu feſte Froſt nicht fliehn!
Will das ſo lang’ erſeufzte Gruͤn,
Jm laͤngſt ſchon eingetret’nen Lenzen,
Die Wieſen nicht mehr uͤberziehn,
Kein Gras noch Kraut das Feld bekraͤnzen,
Kein Bluhmen-Heer in Gaͤrten bluͤhn,
Und in gefaͤrbter Anmuht glaͤnzen?
Wo iſt des Fruͤhlings Pracht und Schein?
Der Boden iſt noch Felſen-hart,
Das Feld ſo feſt als Stahl und Stein.
Auch in der Sonnen Gegenwart
Scheint dennoch die Natur erſtarrt.
An ſtatt des Zephyrs lauen Blaſen
Hoͤrt man noch ſcharfe Winde raſen.
Des reinen Himmels heitres Blau
Verhuͤllt ein kalt- und truͤbes Grau.
Es friert nunmehr ein halbes Jahr
Seit dem October und November;
Der Martius gleicht dem December,
Der Majus ſelbſt dem Januar.
Es koͤnnen aus den feſten Flaͤchen
Und denen nicht verhandnen Ritzen
Der kleinen gruͤnen Pfriemen Spitzen
Von Bluhmen, Kraut und Gras nicht brechen;
Es iſt noch gar kein Gruͤn zu ſehn.
Auf dem verſchloßnen Erden-Schooß
Sieht man nur ein erfrornes Mooß,
Und zwar nur hin und wieder, ſtehen.
Es
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0644" n="626"/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">Der &#x017F;pa&#x0364;te Fro&#x017F;t im Jahre 1740<lb/>
den 10 April.</hi> </head><lb/>
            <lg type="poem">
              <l><hi rendition="#in">A</hi>ch, will denn noch von un&#x017F;ern Grenzen</l><lb/>
              <l>Der gar zu fe&#x017F;te Fro&#x017F;t nicht fliehn!</l><lb/>
              <l>Will das &#x017F;o lang&#x2019; er&#x017F;eufzte Gru&#x0364;n,</l><lb/>
              <l>Jm la&#x0364;ng&#x017F;t &#x017F;chon eingetret&#x2019;nen Lenzen,</l><lb/>
              <l>Die Wie&#x017F;en nicht mehr u&#x0364;berziehn,</l><lb/>
              <l>Kein Gras noch Kraut das Feld bekra&#x0364;nzen,</l><lb/>
              <l>Kein Bluhmen-Heer in Ga&#x0364;rten blu&#x0364;hn,</l><lb/>
              <l>Und in gefa&#x0364;rbter Anmuht gla&#x0364;nzen?</l><lb/>
              <l>Wo i&#x017F;t des Fru&#x0364;hlings Pracht und Schein?</l><lb/>
              <l>Der Boden i&#x017F;t noch Fel&#x017F;en-hart,</l><lb/>
              <l>Das Feld &#x017F;o fe&#x017F;t als Stahl und Stein.</l><lb/>
              <l>Auch in der Sonnen Gegenwart</l><lb/>
              <l>Scheint dennoch die Natur er&#x017F;tarrt.</l><lb/>
              <l>An &#x017F;tatt des Zephyrs lauen Bla&#x017F;en</l><lb/>
              <l>Ho&#x0364;rt man noch &#x017F;charfe Winde ra&#x017F;en.</l><lb/>
              <l>Des reinen Himmels heitres Blau</l><lb/>
              <l>Verhu&#x0364;llt ein kalt- und tru&#x0364;bes Grau.</l><lb/>
              <l>Es friert nunmehr ein halbes Jahr</l><lb/>
              <l>Seit dem October und November;</l><lb/>
              <l>Der Martius gleicht dem December,</l><lb/>
              <l>Der Majus &#x017F;elb&#x017F;t dem Januar.</l><lb/>
              <l>Es ko&#x0364;nnen aus den fe&#x017F;ten Fla&#x0364;chen</l><lb/>
              <l>Und denen nicht verhandnen Ritzen</l><lb/>
              <l>Der kleinen gru&#x0364;nen Pfriemen Spitzen</l><lb/>
              <l>Von Bluhmen, Kraut und Gras nicht brechen;</l><lb/>
              <l>Es i&#x017F;t noch gar kein Gru&#x0364;n zu &#x017F;ehn.</l><lb/>
              <l>Auf dem ver&#x017F;chloßnen Erden-Schooß</l><lb/>
              <l>Sieht man nur ein erfrornes Mooß,</l><lb/>
              <l>Und zwar nur hin und wieder, &#x017F;tehen.</l>
            </lg><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Es</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[626/0644] Der ſpaͤte Froſt im Jahre 1740 den 10 April. Ach, will denn noch von unſern Grenzen Der gar zu feſte Froſt nicht fliehn! Will das ſo lang’ erſeufzte Gruͤn, Jm laͤngſt ſchon eingetret’nen Lenzen, Die Wieſen nicht mehr uͤberziehn, Kein Gras noch Kraut das Feld bekraͤnzen, Kein Bluhmen-Heer in Gaͤrten bluͤhn, Und in gefaͤrbter Anmuht glaͤnzen? Wo iſt des Fruͤhlings Pracht und Schein? Der Boden iſt noch Felſen-hart, Das Feld ſo feſt als Stahl und Stein. Auch in der Sonnen Gegenwart Scheint dennoch die Natur erſtarrt. An ſtatt des Zephyrs lauen Blaſen Hoͤrt man noch ſcharfe Winde raſen. Des reinen Himmels heitres Blau Verhuͤllt ein kalt- und truͤbes Grau. Es friert nunmehr ein halbes Jahr Seit dem October und November; Der Martius gleicht dem December, Der Majus ſelbſt dem Januar. Es koͤnnen aus den feſten Flaͤchen Und denen nicht verhandnen Ritzen Der kleinen gruͤnen Pfriemen Spitzen Von Bluhmen, Kraut und Gras nicht brechen; Es iſt noch gar kein Gruͤn zu ſehn. Auf dem verſchloßnen Erden-Schooß Sieht man nur ein erfrornes Mooß, Und zwar nur hin und wieder, ſtehen. Es

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/644
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 626. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/644>, abgerufen am 21.12.2024.