Es flog der Schnee so dick und dichte, Daß er dem schärfesten Gesichte Kaum zwanzig Schritt zu sehn erlaubt. Es schien, durch einen weissen Nebel, was sonst zu sehn war, uns geraubt. Es waren Häuser, Bäume, Thürme und Scheunen, die erhaben stehn, Kaum durch den weiss- und regen Duft, ja öfters gar nicht einst zu sehn. Doch, wenn man sie zuweilen sah, konnt' ihre dunkle Schwärz und Höh' Uns von dem Nebel-gleichen Schnee, Trotz seiner regen Schnelligkeit, Wenn er vor sie vorbey flog, eben Auf ihres Grundes Dunkelheit Die eigentlichste Bildung geben. Man kann denselben, ohn' Vergnügen, Jn reger Emsigkeit nicht fliegen Und, ohne Lust, nicht sinken sehn. Man siehet lauter lichte Theile, Jn flücht'ger Schnelligkeit und Eile, Verwirret durch einander gehn. Von Osten sieht man einen Schnee-Strich, von Westen einen gegen ihn, Jn einem ja so strengen Zug, aus tausend weissen Theilchen, ziehn. Man heißt es Schnee-Jagd, und mit Recht, weil alles, was man sieht, sich jäget, Sich gleichsam stoßt, durchdringt, verfolgt, sich gleichsam drenget, preßt und schläget.
Wenn
Schnee-Betrachtung.
Es flog der Schnee ſo dick und dichte, Daß er dem ſchaͤrfeſten Geſichte Kaum zwanzig Schritt zu ſehn erlaubt. Es ſchien, durch einen weiſſen Nebel, was ſonſt zu ſehn war, uns geraubt. Es waren Haͤuſer, Baͤume, Thuͤrme und Scheunen, die erhaben ſtehn, Kaum durch den weiſſ- und regen Duft, ja oͤfters gar nicht einſt zu ſehn. Doch, wenn man ſie zuweilen ſah, konnt’ ihre dunkle Schwaͤrz und Hoͤh’ Uns von dem Nebel-gleichen Schnee, Trotz ſeiner regen Schnelligkeit, Wenn er vor ſie vorbey flog, eben Auf ihres Grundes Dunkelheit Die eigentlichſte Bildung geben. Man kann denſelben, ohn’ Vergnuͤgen, Jn reger Emſigkeit nicht fliegen Und, ohne Luſt, nicht ſinken ſehn. Man ſiehet lauter lichte Theile, Jn fluͤcht’ger Schnelligkeit und Eile, Verwirret durch einander gehn. Von Oſten ſieht man einen Schnee-Strich, von Weſten einen gegen ihn, Jn einem ja ſo ſtrengen Zug, aus tauſend weiſſen Theilchen, ziehn. Man heißt es Schnee-Jagd, und mit Recht, weil alles, was man ſieht, ſich jaͤget, Sich gleichſam ſtoßt, durchdringt, verfolgt, ſich gleichſam drenget, preßt und ſchlaͤget.
Wenn
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Schnee-Betrachtung.
Es flog der Schnee ſo dick und dichte,
Daß er dem ſchaͤrfeſten Geſichte
Kaum zwanzig Schritt zu ſehn erlaubt.
Es ſchien, durch einen weiſſen Nebel, was ſonſt zu ſehn
war, uns geraubt.
Es waren Haͤuſer, Baͤume, Thuͤrme und Scheunen, die
erhaben ſtehn,
Kaum durch den weiſſ- und regen Duft, ja oͤfters gar
nicht einſt zu ſehn.
Doch, wenn man ſie zuweilen ſah, konnt’ ihre dunkle
Schwaͤrz und Hoͤh’
Uns von dem Nebel-gleichen Schnee,
Trotz ſeiner regen Schnelligkeit,
Wenn er vor ſie vorbey flog, eben
Auf ihres Grundes Dunkelheit
Die eigentlichſte Bildung geben.
Man kann denſelben, ohn’ Vergnuͤgen,
Jn reger Emſigkeit nicht fliegen
Und, ohne Luſt, nicht ſinken ſehn.
Man ſiehet lauter lichte Theile,
Jn fluͤcht’ger Schnelligkeit und Eile,
Verwirret durch einander gehn.
Von Oſten ſieht man einen Schnee-Strich, von Weſten
einen gegen ihn,
Jn einem ja ſo ſtrengen Zug, aus tauſend weiſſen Theilchen,
ziehn.
Man heißt es Schnee-Jagd, und mit Recht, weil alles,
was man ſieht, ſich jaͤget,
Sich gleichſam ſtoßt, durchdringt, verfolgt, ſich gleichſam
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 588. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/606>, abgerufen am 21.11.2024.
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