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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743.

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Gesang der Vögel.
Jch sah, auf einem schwanken Ast, fast auf desselben äussern
Spitzen,
Ein kleines buntes Vögelein, bequem und recht geruhig,
sitzen;
Es regt' an seinem ganzen Cörper sich nichts, sein kleiner
Kopf allein
Schien des beblühmten Frühlings Pracht, zumahl der
Sonnen hellen Schein,
Durch stetes Drehen, zu bewundern. Bald bog er es zu
beyden Seiten,
Bald wendet er es in die Ründe, entzückt ob allen Lieblich-
keiten.
Jtzt kehrt sein Blick sich Himmel- werts, itzt wieder auf die
Welt hernieder,
Und gurgelt, in so muntrer Wendung, aus Lieb' und Lob
erzeugte Lieder.
Man konnt' aus seiner regen Kehle, bey nimmer unter-
brochnem Drehn,
Die klingenden Gesänge dringen und Töne gleichsam quillen
sehn.
Jch setzte mich, von einem Busch bedeckt, bedachtsam zuzu-
hören,
Und, in den tausendfachen Liedern, so mich als andre zu beleh-
ren:
Wie in des Schöpfers Creaturen die nicht bemerkten
Kleinigkeiten
Der Menschen Achtsamkeit verdienen, und alle zur
Bewundrung leiten;
Ja
Geſang der Voͤgel.
Jch ſah, auf einem ſchwanken Aſt, faſt auf deſſelben aͤuſſern
Spitzen,
Ein kleines buntes Voͤgelein, bequem und recht geruhig,
ſitzen;
Es regt’ an ſeinem ganzen Coͤrper ſich nichts, ſein kleiner
Kopf allein
Schien des bebluͤhmten Fruͤhlings Pracht, zumahl der
Sonnen hellen Schein,
Durch ſtetes Drehen, zu bewundern. Bald bog er es zu
beyden Seiten,
Bald wendet er es in die Ruͤnde, entzuͤckt ob allen Lieblich-
keiten.
Jtzt kehrt ſein Blick ſich Himmel- werts, itzt wieder auf die
Welt hernieder,
Und gurgelt, in ſo muntrer Wendung, aus Lieb’ und Lob
erzeugte Lieder.
Man konnt’ aus ſeiner regen Kehle, bey nimmer unter-
brochnem Drehn,
Die klingenden Geſaͤnge dringen und Toͤne gleichſam quillen
ſehn.
Jch ſetzte mich, von einem Buſch bedeckt, bedachtſam zuzu-
hoͤren,
Und, in den tauſendfachen Liedern, ſo mich als andre zu beleh-
ren:
Wie in des Schoͤpfers Creaturen die nicht bemerkten
Kleinigkeiten
Der Menſchen Achtſamkeit verdienen, und alle zur
Bewundrung leiten;
Ja
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[286/0304] Geſang der Voͤgel. Jch ſah, auf einem ſchwanken Aſt, faſt auf deſſelben aͤuſſern Spitzen, Ein kleines buntes Voͤgelein, bequem und recht geruhig, ſitzen; Es regt’ an ſeinem ganzen Coͤrper ſich nichts, ſein kleiner Kopf allein Schien des bebluͤhmten Fruͤhlings Pracht, zumahl der Sonnen hellen Schein, Durch ſtetes Drehen, zu bewundern. Bald bog er es zu beyden Seiten, Bald wendet er es in die Ruͤnde, entzuͤckt ob allen Lieblich- keiten. Jtzt kehrt ſein Blick ſich Himmel- werts, itzt wieder auf die Welt hernieder, Und gurgelt, in ſo muntrer Wendung, aus Lieb’ und Lob erzeugte Lieder. Man konnt’ aus ſeiner regen Kehle, bey nimmer unter- brochnem Drehn, Die klingenden Geſaͤnge dringen und Toͤne gleichſam quillen ſehn. Jch ſetzte mich, von einem Buſch bedeckt, bedachtſam zuzu- hoͤren, Und, in den tauſendfachen Liedern, ſo mich als andre zu beleh- ren: Wie in des Schoͤpfers Creaturen die nicht bemerkten Kleinigkeiten Der Menſchen Achtſamkeit verdienen, und alle zur Bewundrung leiten; Ja

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/304>, abgerufen am 03.12.2024.