Nachdem sich jüngst ein Sturm geleget, Und ich, von der noch regen See, Da ich an ihrem Ufer steh, Das Wanken ihrer Fläche seh, Die unaufhörlich sich beweget; Beweget mich ihr wühlend Wallen, Daß ich auf ihrer Wellen Heer, Und ihr beständigs Steigen, Fallen, Die angestrengte Blicke kehr. Jch seh dieselben schnell entstehn, Sich schäumend bäumen und erhöhn, Sich plötzlich senken und vergehn. Jch hatte dieses Fluhten-Spiel, Und ihr veränderlichs Gewühl, Kaum eine Zeitlang angesehn; So brachte mich der Wellen Wanken, Derselben rege Flüchtigkeit, Die kurze Dauer ihrer Zeit, Zu diesen ernstlichen Gedanken:
Mich deucht, es scheinen schnelle Wellen Ein Bild des Lebens vorzustellen, Da wir auch schnell, wie sie, vergehn. Sie kommen, zeigen sich, sie schwellen, Sie bersten, da sie kaum entstehn, Sie stürzen plötzlich sich hernieder, Und mischen, mit der Fluht, sich wieder. So scheint es auch mit uns zu gehn: Wir kommen. Kaum, daß wir uns zeigen; So brüsten wir uns schon im Steigen,
Bald
Unſterblichkeit der Seele.
Nachdem ſich juͤngſt ein Sturm geleget, Und ich, von der noch regen See, Da ich an ihrem Ufer ſteh, Das Wanken ihrer Flaͤche ſeh, Die unaufhoͤrlich ſich beweget; Beweget mich ihr wuͤhlend Wallen, Daß ich auf ihrer Wellen Heer, Und ihr beſtaͤndigs Steigen, Fallen, Die angeſtrengte Blicke kehr. Jch ſeh dieſelben ſchnell entſtehn, Sich ſchaͤumend baͤumen und erhoͤhn, Sich ploͤtzlich ſenken und vergehn. Jch hatte dieſes Fluhten-Spiel, Und ihr veraͤnderlichs Gewuͤhl, Kaum eine Zeitlang angeſehn; So brachte mich der Wellen Wanken, Derſelben rege Fluͤchtigkeit, Die kurze Dauer ihrer Zeit, Zu dieſen ernſtlichen Gedanken:
Mich deucht, es ſcheinen ſchnelle Wellen Ein Bild des Lebens vorzuſtellen, Da wir auch ſchnell, wie ſie, vergehn. Sie kommen, zeigen ſich, ſie ſchwellen, Sie berſten, da ſie kaum entſtehn, Sie ſtuͤrzen ploͤtzlich ſich hernieder, Und miſchen, mit der Fluht, ſich wieder. So ſcheint es auch mit uns zu gehn: Wir kommen. Kaum, daß wir uns zeigen; So bruͤſten wir uns ſchon im Steigen,
Bald
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Unſterblichkeit der Seele.
Nachdem ſich juͤngſt ein Sturm geleget,
Und ich, von der noch regen See,
Da ich an ihrem Ufer ſteh,
Das Wanken ihrer Flaͤche ſeh,
Die unaufhoͤrlich ſich beweget;
Beweget mich ihr wuͤhlend Wallen,
Daß ich auf ihrer Wellen Heer,
Und ihr beſtaͤndigs Steigen, Fallen,
Die angeſtrengte Blicke kehr.
Jch ſeh dieſelben ſchnell entſtehn,
Sich ſchaͤumend baͤumen und erhoͤhn,
Sich ploͤtzlich ſenken und vergehn.
Jch hatte dieſes Fluhten-Spiel,
Und ihr veraͤnderlichs Gewuͤhl,
Kaum eine Zeitlang angeſehn;
So brachte mich der Wellen Wanken,
Derſelben rege Fluͤchtigkeit,
Die kurze Dauer ihrer Zeit,
Zu dieſen ernſtlichen Gedanken:
Mich deucht, es ſcheinen ſchnelle Wellen
Ein Bild des Lebens vorzuſtellen,
Da wir auch ſchnell, wie ſie, vergehn.
Sie kommen, zeigen ſich, ſie ſchwellen,
Sie berſten, da ſie kaum entſtehn,
Sie ſtuͤrzen ploͤtzlich ſich hernieder,
Und miſchen, mit der Fluht, ſich wieder.
So ſcheint es auch mit uns zu gehn:
Wir kommen. Kaum, daß wir uns zeigen;
So bruͤſten wir uns ſchon im Steigen,
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/136>, abgerufen am 03.12.2024.
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