Nachdem ich jüngst, was ich vom Lamms-Kopf geschrieben, durchlas, und mein Singen Von neuen überleget hatte, beschloß ich weiter noch zu gehn, Und ließ mir einen Todten-Kopf, aus meinem Cabinette, bringen, Um auch von dem den Bau der Knochen, in seiner Bildung, anzusehn.
Jch sah ihn erst, von unsrer Dauer, als einen stummen Leh- rer an, Der aber, sonder Zunge, mehr, als der beredste, sagen kann. Doch war dieß nicht mein Zweck allein; ich lenkte meinen Blick und Sinn Auf den gewesenen Behälter der Seelen, auf den Schedel, hin, Und fand ihn rings umher verschlossen, als einen Kerker und so dicht, Daß ausser, was durch unsrer Sinne Canäle, nemlich durchs Gesicht, Durchs Ohr, und sonst von aussen dringt; die Seele fern von allem Licht, Jm nimmer unterbrochnen Dunklen, ihr unbekanntes Werk betreibet, Und daß, so lange sie im Körper, sie hier stets eingeschränket bleibet, Nicht aber, wie mans insgemein, durch Vorurtheil verfüh- ret, meynet:
Daß
Die Werkſtatt der Seelen.
Die Werkſtatt der Seelen.
Nachdem ich juͤngſt, was ich vom Lamms-Kopf geſchrieben, durchlas, und mein Singen Von neuen uͤberleget hatte, beſchloß ich weiter noch zu gehn, Und ließ mir einen Todten-Kopf, aus meinem Cabinette, bringen, Um auch von dem den Bau der Knochen, in ſeiner Bildung, anzuſehn.
Jch ſah ihn erſt, von unſrer Dauer, als einen ſtummen Leh- rer an, Der aber, ſonder Zunge, mehr, als der beredſte, ſagen kann. Doch war dieß nicht mein Zweck allein; ich lenkte meinen Blick und Sinn Auf den geweſenen Behaͤlter der Seelen, auf den Schedel, hin, Und fand ihn rings umher verſchloſſen, als einen Kerker und ſo dicht, Daß auſſer, was durch unſrer Sinne Canaͤle, nemlich durchs Geſicht, Durchs Ohr, und ſonſt von auſſen dringt; die Seele fern von allem Licht, Jm nimmer unterbrochnen Dunklen, ihr unbekanntes Werk betreibet, Und daß, ſo lange ſie im Koͤrper, ſie hier ſtets eingeſchraͤnket bleibet, Nicht aber, wie mans insgemein, durch Vorurtheil verfuͤh- ret, meynet:
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Die Werkſtatt der Seelen.
Die Werkſtatt
der Seelen.
Nachdem ich juͤngſt, was ich vom Lamms-Kopf geſchrieben,
durchlas, und mein Singen
Von neuen uͤberleget hatte, beſchloß ich weiter noch zu gehn,
Und ließ mir einen Todten-Kopf, aus meinem Cabinette,
bringen,
Um auch von dem den Bau der Knochen, in ſeiner Bildung,
anzuſehn.
Jch ſah ihn erſt, von unſrer Dauer, als einen ſtummen Leh-
rer an,
Der aber, ſonder Zunge, mehr, als der beredſte, ſagen kann.
Doch war dieß nicht mein Zweck allein; ich lenkte meinen Blick
und Sinn
Auf den geweſenen Behaͤlter der Seelen, auf den Schedel, hin,
Und fand ihn rings umher verſchloſſen, als einen Kerker und
ſo dicht,
Daß auſſer, was durch unſrer Sinne Canaͤle, nemlich durchs
Geſicht,
Durchs Ohr, und ſonſt von auſſen dringt; die Seele fern
von allem Licht,
Jm nimmer unterbrochnen Dunklen, ihr unbekanntes Werk
betreibet,
Und daß, ſo lange ſie im Koͤrper, ſie hier ſtets eingeſchraͤnket
bleibet,
Nicht aber, wie mans insgemein, durch Vorurtheil verfuͤh-
ret, meynet:
Daß
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 446. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/470>, abgerufen am 30.12.2024.
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