Des Menschen Zorn thut nicht was vor Gott recht ist.
Die allerlächerlichste Sünd, und schädlichste Gemüths-Be- wegung Jst, wenn wir, durch des Nächsten Thun, uns das Geblüt in eine Regung, Und bittre Wallung bringen lassen, die Aergerniß und Ei- fer heißt: Wodurch der Körper nicht allein in Krankheit, auch zugleich der Geist, Jn eine Art von Raserey, wie man den Zorn nicht unrecht nennet, Sich unglückselig setzen läßt. Von allen Lastern, die man kennet, Hat jede, nebst des Stachels Spitze, doch auch noch Honig; aber hier Jst End und Anfang gallenbitter, und tödtlich Gift, durch welches wir Uns selbst mit Noth und Pein belegen, anstatt den Nächsten zu beladen, Und statt den schuldigen zu strafen, fast niemand, als uns selber, schaden.
Die schnelle Gluth des regen Eifers ist Stück- und Büch- sen-Pulver gleich, Das oben mehr, als seitwerts, schlägt, und dessen tödtlich star- ker Streich, Des Nachbars Haus oft kaum erschüttert, sein eignes in die Lüfte sprengt.
Em-
Des Menſchen Zorn
Des Menſchen Zorn thut nicht was vor Gott recht iſt.
Die allerlaͤcherlichſte Suͤnd, und ſchaͤdlichſte Gemuͤths-Be- wegung Jſt, wenn wir, durch des Naͤchſten Thun, uns das Gebluͤt in eine Regung, Und bittre Wallung bringen laſſen, die Aergerniß und Ei- fer heißt: Wodurch der Koͤrper nicht allein in Krankheit, auch zugleich der Geiſt, Jn eine Art von Raſerey, wie man den Zorn nicht unrecht nennet, Sich ungluͤckſelig ſetzen laͤßt. Von allen Laſtern, die man kennet, Hat jede, nebſt des Stachels Spitze, doch auch noch Honig; aber hier Jſt End und Anfang gallenbitter, und toͤdtlich Gift, durch welches wir Uns ſelbſt mit Noth und Pein belegen, anſtatt den Naͤchſten zu beladen, Und ſtatt den ſchuldigen zu ſtrafen, faſt niemand, als uns ſelber, ſchaden.
Die ſchnelle Gluth des regen Eifers iſt Stuͤck- und Buͤch- ſen-Pulver gleich, Das oben mehr, als ſeitwerts, ſchlaͤgt, und deſſen toͤdtlich ſtar- ker Streich, Des Nachbars Haus oft kaum erſchuͤttert, ſein eignes in die Luͤfte ſprengt.
Em-
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0456"n="432"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Des Menſchen Zorn</hi></fw><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b">Des Menſchen Zorn thut nicht<lb/>
was vor Gott recht iſt.</hi></head><lb/><lgn="1"><l><hirendition="#in">D</hi>ie allerlaͤcherlichſte Suͤnd, und ſchaͤdlichſte Gemuͤths-Be-<lb/><hirendition="#et">wegung</hi></l><lb/><l>Jſt, wenn wir, durch des Naͤchſten Thun, uns das Gebluͤt<lb/><hirendition="#et">in eine Regung,</hi></l><lb/><l>Und bittre Wallung bringen laſſen, die Aergerniß und Ei-<lb/><hirendition="#et">fer heißt:</hi></l><lb/><l>Wodurch der Koͤrper nicht allein in Krankheit, auch zugleich<lb/><hirendition="#et">der Geiſt,</hi></l><lb/><l>Jn eine Art von Raſerey, wie man den Zorn nicht unrecht<lb/><hirendition="#et">nennet,</hi></l><lb/><l>Sich ungluͤckſelig ſetzen laͤßt. Von allen Laſtern, die man<lb/><hirendition="#et">kennet,</hi></l><lb/><l>Hat jede, nebſt des Stachels Spitze, doch auch noch Honig;<lb/><hirendition="#et">aber hier</hi></l><lb/><l>Jſt End und Anfang gallenbitter, und toͤdtlich Gift, durch<lb/><hirendition="#et">welches wir</hi></l><lb/><l>Uns ſelbſt mit Noth und Pein belegen, anſtatt den Naͤchſten<lb/><hirendition="#et">zu beladen,</hi></l><lb/><l>Und ſtatt den ſchuldigen zu ſtrafen, faſt niemand, als uns<lb/><hirendition="#et">ſelber, ſchaden.</hi></l></lg><lb/><lgn="2"><l>Die ſchnelle Gluth des regen Eifers iſt Stuͤck- und Buͤch-<lb/><hirendition="#et">ſen-Pulver gleich,</hi></l><lb/><l>Das oben mehr, als ſeitwerts, ſchlaͤgt, und deſſen toͤdtlich ſtar-<lb/><hirendition="#et">ker Streich,</hi></l><lb/><l>Des Nachbars Haus oft kaum erſchuͤttert, ſein eignes in die<lb/><hirendition="#et">Luͤfte ſprengt.</hi><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Em-</fw><lb/></l></lg></div></div></body></text></TEI>
[432/0456]
Des Menſchen Zorn
Des Menſchen Zorn thut nicht
was vor Gott recht iſt.
Die allerlaͤcherlichſte Suͤnd, und ſchaͤdlichſte Gemuͤths-Be-
wegung
Jſt, wenn wir, durch des Naͤchſten Thun, uns das Gebluͤt
in eine Regung,
Und bittre Wallung bringen laſſen, die Aergerniß und Ei-
fer heißt:
Wodurch der Koͤrper nicht allein in Krankheit, auch zugleich
der Geiſt,
Jn eine Art von Raſerey, wie man den Zorn nicht unrecht
nennet,
Sich ungluͤckſelig ſetzen laͤßt. Von allen Laſtern, die man
kennet,
Hat jede, nebſt des Stachels Spitze, doch auch noch Honig;
aber hier
Jſt End und Anfang gallenbitter, und toͤdtlich Gift, durch
welches wir
Uns ſelbſt mit Noth und Pein belegen, anſtatt den Naͤchſten
zu beladen,
Und ſtatt den ſchuldigen zu ſtrafen, faſt niemand, als uns
ſelber, ſchaden.
Die ſchnelle Gluth des regen Eifers iſt Stuͤck- und Buͤch-
ſen-Pulver gleich,
Das oben mehr, als ſeitwerts, ſchlaͤgt, und deſſen toͤdtlich ſtar-
ker Streich,
Des Nachbars Haus oft kaum erſchuͤttert, ſein eignes in die
Luͤfte ſprengt.
Em-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 432. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/456>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.