Billige Auflösung eines nicht unbilligen Einwurfs.
Jch sehe dich, in deinen Werken, O Herr! mit Dank und Andacht an: Ach laß mich dich, so viel ich kann, Jn ihrer Pracht und Menge, merken! Ach schenke mir die Eigenschaft, Und meiner Seelen diese Kraft, Daß deiner Werke Schmuck mich rühre, Und mich, so oft ich ihre Pracht, Mit Achtsamkeit und Freude, spüre, Sie mich zu dir, o ewge Macht, O ewge Lieb und Weisheit! führe; Dieweil, so viel ich kann ergründen, Kein Dienst, der würdiger für dich, o Herr, zu finden.
Allein, Mir fällt hiebey dennoch ein Zweifel ein: Wenn dieß ein Gottesdienst, und es zu seiner Ehre So nöthig, als gebothen, wäre; Wenn Gott, der Herr, daß man ihn ehren sollte, Jn seiner Creatur Betrachtung, haben wollte: Wie könnt es denn doch möglich seyn, Daß fast kein Mensch, auf diese Weise, Dem Schöpfer der Natur zum Preise, Empfindet, sieht und hört, Und man so wenig Gott in seinen Werken ehrt? Da tausend Sterbliche gezeugt sind, und begraben, Die nimmer ihrem Gott den Dienst geleistet haben?
Wie
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Aufloͤſung eines gewiſſen Einwurfs.
Billige Aufloͤſung eines nicht unbilligen Einwurfs.
Jch ſehe dich, in deinen Werken, O Herr! mit Dank und Andacht an: Ach laß mich dich, ſo viel ich kann, Jn ihrer Pracht und Menge, merken! Ach ſchenke mir die Eigenſchaft, Und meiner Seelen dieſe Kraft, Daß deiner Werke Schmuck mich ruͤhre, Und mich, ſo oft ich ihre Pracht, Mit Achtſamkeit und Freude, ſpuͤre, Sie mich zu dir, o ewge Macht, O ewge Lieb und Weisheit! fuͤhre; Dieweil, ſo viel ich kann ergruͤnden, Kein Dienſt, der wuͤrdiger fuͤr dich, o Herr, zu finden.
Allein, Mir faͤllt hiebey dennoch ein Zweifel ein: Wenn dieß ein Gottesdienſt, und es zu ſeiner Ehre So noͤthig, als gebothen, waͤre; Wenn Gott, der Herr, daß man ihn ehren ſollte, Jn ſeiner Creatur Betrachtung, haben wollte: Wie koͤnnt es denn doch moͤglich ſeyn, Daß faſt kein Menſch, auf dieſe Weiſe, Dem Schoͤpfer der Natur zum Preiſe, Empfindet, ſieht und hoͤrt, Und man ſo wenig Gott in ſeinen Werken ehrt? Da tauſend Sterbliche gezeugt ſind, und begraben, Die nimmer ihrem Gott den Dienſt geleiſtet haben?
Wie
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Aufloͤſung eines gewiſſen Einwurfs.
Billige Aufloͤſung
eines nicht unbilligen Einwurfs.
Jch ſehe dich, in deinen Werken,
O Herr! mit Dank und Andacht an:
Ach laß mich dich, ſo viel ich kann,
Jn ihrer Pracht und Menge, merken!
Ach ſchenke mir die Eigenſchaft,
Und meiner Seelen dieſe Kraft,
Daß deiner Werke Schmuck mich ruͤhre,
Und mich, ſo oft ich ihre Pracht,
Mit Achtſamkeit und Freude, ſpuͤre,
Sie mich zu dir, o ewge Macht,
O ewge Lieb und Weisheit! fuͤhre;
Dieweil, ſo viel ich kann ergruͤnden,
Kein Dienſt, der wuͤrdiger fuͤr dich, o Herr, zu finden.
Allein,
Mir faͤllt hiebey dennoch ein Zweifel ein:
Wenn dieß ein Gottesdienſt, und es zu ſeiner Ehre
So noͤthig, als gebothen, waͤre;
Wenn Gott, der Herr, daß man ihn ehren ſollte,
Jn ſeiner Creatur Betrachtung, haben wollte:
Wie koͤnnt es denn doch moͤglich ſeyn,
Daß faſt kein Menſch, auf dieſe Weiſe,
Dem Schoͤpfer der Natur zum Preiſe,
Empfindet, ſieht und hoͤrt,
Und man ſo wenig Gott in ſeinen Werken ehrt?
Da tauſend Sterbliche gezeugt ſind, und begraben,
Die nimmer ihrem Gott den Dienſt geleiſtet haben?
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 393. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/417>, abgerufen am 30.12.2024.
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