Man saget, unser Leben sey Hier bloß ein Durchgang, eine Reise, Wohin? Der Zweck ist zweyerley, Zur Höllen, und zum Paradeise. So reist man hier denn, ohne Zweifel, Zum Schöpfer oder auch zum Teufel. Dieß klingt wahrhaftig hart, die Welt, Die so viel Wunder in sich hält, Verächtlich einen Postweg nennen, Und, sonder Ohr, Gefühl, Gesicht, Den schönen Bau der Welt durchrennen, Den Gott so herrlich zugericht. Sind uns die Sinnen, hier im Leben, Denn nur fürs Künftige gegeben? Sind sie und diese Welt nicht werth, Daß man denjenigen verehrt, Der sie so herrlich schaffen wollen, Nebst uns, damit wir, im Genuß, Bey einem solchen Ueberfluß, Uns freuen und ihm danken sollen? Allein man hält uns, bis ins Grab, Ach leider! so zu denken ab. Und, bey dem Handel, glaubet man, Daß man doch selig werden kann. Jst es vernünftig, so zu denken: "Jch hab, o Schöpfer, deine Macht, "Und Lieb und Weisheit nichts geacht, "Drum wirst du mir den Himmel schenken?
Wohl
Verachtung der Welt.
Gefaͤhrliche Verachtung der Welt.
Man ſaget, unſer Leben ſey Hier bloß ein Durchgang, eine Reiſe, Wohin? Der Zweck iſt zweyerley, Zur Hoͤllen, und zum Paradeiſe. So reiſt man hier denn, ohne Zweifel, Zum Schoͤpfer oder auch zum Teufel. Dieß klingt wahrhaftig hart, die Welt, Die ſo viel Wunder in ſich haͤlt, Veraͤchtlich einen Poſtweg nennen, Und, ſonder Ohr, Gefuͤhl, Geſicht, Den ſchoͤnen Bau der Welt durchrennen, Den Gott ſo herrlich zugericht. Sind uns die Sinnen, hier im Leben, Denn nur fuͤrs Kuͤnftige gegeben? Sind ſie und dieſe Welt nicht werth, Daß man denjenigen verehrt, Der ſie ſo herrlich ſchaffen wollen, Nebſt uns, damit wir, im Genuß, Bey einem ſolchen Ueberfluß, Uns freuen und ihm danken ſollen? Allein man haͤlt uns, bis ins Grab, Ach leider! ſo zu denken ab. Und, bey dem Handel, glaubet man, Daß man doch ſelig werden kann. Jſt es vernuͤnftig, ſo zu denken: „Jch hab, o Schoͤpfer, deine Macht, „Und Lieb und Weisheit nichts geacht, „Drum wirſt du mir den Himmel ſchenken?
Wohl
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Verachtung der Welt.
Gefaͤhrliche
Verachtung der Welt.
Man ſaget, unſer Leben ſey
Hier bloß ein Durchgang, eine Reiſe,
Wohin? Der Zweck iſt zweyerley,
Zur Hoͤllen, und zum Paradeiſe.
So reiſt man hier denn, ohne Zweifel,
Zum Schoͤpfer oder auch zum Teufel.
Dieß klingt wahrhaftig hart, die Welt,
Die ſo viel Wunder in ſich haͤlt,
Veraͤchtlich einen Poſtweg nennen,
Und, ſonder Ohr, Gefuͤhl, Geſicht,
Den ſchoͤnen Bau der Welt durchrennen,
Den Gott ſo herrlich zugericht.
Sind uns die Sinnen, hier im Leben,
Denn nur fuͤrs Kuͤnftige gegeben?
Sind ſie und dieſe Welt nicht werth,
Daß man denjenigen verehrt,
Der ſie ſo herrlich ſchaffen wollen,
Nebſt uns, damit wir, im Genuß,
Bey einem ſolchen Ueberfluß,
Uns freuen und ihm danken ſollen?
Allein man haͤlt uns, bis ins Grab,
Ach leider! ſo zu denken ab.
Und, bey dem Handel, glaubet man,
Daß man doch ſelig werden kann.
Jſt es vernuͤnftig, ſo zu denken:
„Jch hab, o Schoͤpfer, deine Macht,
„Und Lieb und Weisheit nichts geacht,
„Drum wirſt du mir den Himmel ſchenken?
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/312>, abgerufen am 30.12.2024.
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