Jndem ich gestern, etwas spat, mich in mein Bett zur Ruh verfüge, Und, bey noch nicht erloschner Kerz, annoch mit offnen Augen liege, Bald dieß, bald jenes überlege, und ruhig denk; verlischt das Licht. Jedoch die Dunkelheit der Nacht, die Finsterniß, der schwar- ze Schatte, So ich denselben Augenblick sogleich zu sehn vermuthet hatte, Und meinen Blick dazu bereitet, entstund und zeigete sich nicht. Die düstre Finsterniß blieb aus, und es verblieb, an deren Stelle, Mein ganzes Zimmer ungeschwärzt, die Wände weis, und al- les helle.
Die Ursach war: Es schien der Mond. Es nahm sein heller Silber-Schein, (Den ich, so lange mir vorher mein kleines Licht annoch ge- brannt, Aus Schwachheit meiner blöden Augen, nicht sehen können, nicht erkannt, Und nichts davon gemerket hatte,) mein ganzes Zimmer völ- lig ein. Der Zufall, den ich nicht verhofft, dieß unvermuthete Gesicht, Erregte mir in meiner Seel ein unvermuthet helles Licht, Voll Lehr, Erbauung, Nutz und Trost. Es kame dieser Zu- fall mir, Fast, als ein sicherer Beweis, und minstens, als ein Bey- spiel, für,
Daß
Das unſichtbare Licht.
Das unſichtbare Licht.
Jndem ich geſtern, etwas ſpat, mich in mein Bett zur Ruh verfuͤge, Und, bey noch nicht erloſchner Kerz, annoch mit offnen Augen liege, Bald dieß, bald jenes uͤberlege, und ruhig denk; verliſcht das Licht. Jedoch die Dunkelheit der Nacht, die Finſterniß, der ſchwar- ze Schatte, So ich denſelben Augenblick ſogleich zu ſehn vermuthet hatte, Und meinen Blick dazu bereitet, entſtund und zeigete ſich nicht. Die duͤſtre Finſterniß blieb aus, und es verblieb, an deren Stelle, Mein ganzes Zimmer ungeſchwaͤrzt, die Waͤnde weis, und al- les helle.
Die Urſach war: Es ſchien der Mond. Es nahm ſein heller Silber-Schein, (Den ich, ſo lange mir vorher mein kleines Licht annoch ge- brannt, Aus Schwachheit meiner bloͤden Augen, nicht ſehen koͤnnen, nicht erkannt, Und nichts davon gemerket hatte,) mein ganzes Zimmer voͤl- lig ein. Der Zufall, den ich nicht verhofft, dieß unvermuthete Geſicht, Erregte mir in meiner Seel ein unvermuthet helles Licht, Voll Lehr, Erbauung, Nutz und Troſt. Es kame dieſer Zu- fall mir, Faſt, als ein ſicherer Beweis, und minſtens, als ein Bey- ſpiel, fuͤr,
Daß
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0307"n="283"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Das unſichtbare Licht.</hi></fw><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b">Das unſichtbare Licht.</hi></head><lb/><lgn="12"><l><hirendition="#in">J</hi>ndem ich geſtern, etwas ſpat, mich in mein Bett zur Ruh<lb/><hirendition="#et">verfuͤge,</hi></l><lb/><l>Und, bey noch nicht erloſchner Kerz, annoch mit offnen Augen<lb/><hirendition="#et">liege,</hi></l><lb/><l>Bald dieß, bald jenes uͤberlege, und ruhig denk; verliſcht das<lb/><hirendition="#et">Licht.</hi></l><lb/><l>Jedoch die Dunkelheit der Nacht, die Finſterniß, der ſchwar-<lb/><hirendition="#et">ze Schatte,</hi></l><lb/><l>So ich denſelben Augenblick ſogleich zu ſehn vermuthet hatte,</l><lb/><l>Und meinen Blick dazu bereitet, entſtund und zeigete ſich nicht.</l><lb/><l>Die duͤſtre Finſterniß blieb aus, und es verblieb, an deren<lb/><hirendition="#et">Stelle,</hi></l><lb/><l>Mein ganzes Zimmer ungeſchwaͤrzt, die Waͤnde weis, und al-<lb/><hirendition="#et">les helle.</hi></l></lg><lb/><lgn="13"><l>Die Urſach war: Es ſchien der Mond. Es nahm ſein<lb/><hirendition="#et">heller Silber-Schein,</hi></l><lb/><l>(Den ich, ſo lange mir vorher mein kleines Licht annoch ge-<lb/><hirendition="#et">brannt,</hi></l><lb/><l>Aus Schwachheit meiner bloͤden Augen, nicht ſehen koͤnnen,<lb/><hirendition="#et">nicht erkannt,</hi></l><lb/><l>Und nichts davon gemerket hatte,) mein ganzes Zimmer voͤl-<lb/><hirendition="#et">lig ein.</hi></l><lb/><l>Der Zufall, den ich nicht verhofft, dieß unvermuthete Geſicht,</l><lb/><l>Erregte mir in meiner Seel ein unvermuthet helles Licht,</l><lb/><l>Voll Lehr, Erbauung, Nutz und Troſt. Es kame dieſer Zu-<lb/><hirendition="#et">fall mir,</hi></l><lb/><l>Faſt, als ein ſicherer Beweis, und minſtens, als ein Bey-<lb/><hirendition="#et">ſpiel, fuͤr,</hi><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Daß</fw><lb/></l></lg></div></div></body></text></TEI>
[283/0307]
Das unſichtbare Licht.
Das unſichtbare Licht.
Jndem ich geſtern, etwas ſpat, mich in mein Bett zur Ruh
verfuͤge,
Und, bey noch nicht erloſchner Kerz, annoch mit offnen Augen
liege,
Bald dieß, bald jenes uͤberlege, und ruhig denk; verliſcht das
Licht.
Jedoch die Dunkelheit der Nacht, die Finſterniß, der ſchwar-
ze Schatte,
So ich denſelben Augenblick ſogleich zu ſehn vermuthet hatte,
Und meinen Blick dazu bereitet, entſtund und zeigete ſich nicht.
Die duͤſtre Finſterniß blieb aus, und es verblieb, an deren
Stelle,
Mein ganzes Zimmer ungeſchwaͤrzt, die Waͤnde weis, und al-
les helle.
Die Urſach war: Es ſchien der Mond. Es nahm ſein
heller Silber-Schein,
(Den ich, ſo lange mir vorher mein kleines Licht annoch ge-
brannt,
Aus Schwachheit meiner bloͤden Augen, nicht ſehen koͤnnen,
nicht erkannt,
Und nichts davon gemerket hatte,) mein ganzes Zimmer voͤl-
lig ein.
Der Zufall, den ich nicht verhofft, dieß unvermuthete Geſicht,
Erregte mir in meiner Seel ein unvermuthet helles Licht,
Voll Lehr, Erbauung, Nutz und Troſt. Es kame dieſer Zu-
fall mir,
Faſt, als ein ſicherer Beweis, und minſtens, als ein Bey-
ſpiel, fuͤr,
Daß
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/307>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.