Mich deucht, daß ich Jonquillen, Rosen, Nelcken, Nebst vielen andern Bluhmen mehr, So mich, als euch, aufs neu ermahnen hör: Laß uns, geliebter Mensch, nicht ungebraucht verwelcken. Es färbt und formt uns ja kein blindes ungefehr. Seid doch, mehr als ihr pflegt, uns anzusehn geflissen! Jhr könnt, in unsrer Pracht, Die Hand des Schöpffers gleichsam küssen, Die uns so Wunder-schön gemacht. Jhr küsset sie, wann ihr gedencket, Daß Er uns euch, aus Liebe, schencket; Und zwar nicht nur zur Lust der Augen; Aus unserm Geist kann euer Geist zugleich Der Lust und Audacht Honig saugen.
Ach riechet denn! ergetzet euch! Erfüllt die ausgedehnte Brust, Und das Gehirn mit einer Lust, Die, wenn ihr nur daran gedencket, Den Geist, zusammt dem Cörper, träncket; Ja, die zugleich dem Schöpfer aller Welt, Aus Lieb', als wie ein Dienst, gefällt.
Das riechen ist dem seufzen gleich: Ach! so begleitet und verbindet
(Wenn
Abermahlige Erinnerung der Bluhmen.
Abermahlige Erinnerung der Bluhmen.
Mich deucht, daß ich Jonquillen, Roſen, Nelcken, Nebſt vielen andern Bluhmen mehr, So mich, als euch, aufs neu ermahnen hoͤr: Laß uns, geliebter Menſch, nicht ungebraucht verwelcken. Es faͤrbt und formt uns ja kein blindes ungefehr. Seid doch, mehr als ihr pflegt, uns anzuſehn gefliſſen! Jhr koͤnnt, in unſrer Pracht, Die Hand des Schoͤpffers gleichſam kuͤſſen, Die uns ſo Wunder-ſchoͤn gemacht. Jhr kuͤſſet ſie, wann ihr gedencket, Daß Er uns euch, aus Liebe, ſchencket; Und zwar nicht nur zur Luſt der Augen; Aus unſerm Geiſt kann euer Geiſt zugleich Der Luſt und Audacht Honig ſaugen.
Ach riechet denn! ergetzet euch! Erfuͤllt die ausgedehnte Bruſt, Und das Gehirn mit einer Luſt, Die, wenn ihr nur daran gedencket, Den Geiſt, zuſammt dem Coͤrper, traͤncket; Ja, die zugleich dem Schoͤpfer aller Welt, Aus Lieb’, als wie ein Dienſt, gefaͤllt.
Das riechen iſt dem ſeufzen gleich: Ach! ſo begleitet und verbindet
(Wenn
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Abermahlige Erinnerung der Bluhmen.
Abermahlige Erinnerung der
Bluhmen.
Mich deucht, daß ich Jonquillen, Roſen, Nelcken,
Nebſt vielen andern Bluhmen mehr,
So mich, als euch, aufs neu ermahnen hoͤr:
Laß uns, geliebter Menſch, nicht ungebraucht verwelcken.
Es faͤrbt und formt uns ja kein blindes ungefehr.
Seid doch, mehr als ihr pflegt, uns anzuſehn gefliſſen!
Jhr koͤnnt, in unſrer Pracht,
Die Hand des Schoͤpffers gleichſam kuͤſſen,
Die uns ſo Wunder-ſchoͤn gemacht.
Jhr kuͤſſet ſie, wann ihr gedencket,
Daß Er uns euch, aus Liebe, ſchencket;
Und zwar nicht nur zur Luſt der Augen;
Aus unſerm Geiſt kann euer Geiſt zugleich
Der Luſt und Audacht Honig ſaugen.
Ach riechet denn! ergetzet euch!
Erfuͤllt die ausgedehnte Bruſt,
Und das Gehirn mit einer Luſt,
Die, wenn ihr nur daran gedencket,
Den Geiſt, zuſammt dem Coͤrper, traͤncket;
Ja, die zugleich dem Schoͤpfer aller Welt,
Aus Lieb’, als wie ein Dienſt, gefaͤllt.
Das riechen iſt dem ſeufzen gleich:
Ach! ſo begleitet und verbindet
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/82>, abgerufen am 05.02.2025.
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