Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.Bluhmen. Bluhmen. A. Es währt der Bluhmen Zier ja nur so kurtze Zeit; Und dennoch wird derselben Pracht Uns alle Nacht Geraubt, und können wir an ihnen das, was schön, Die halbe Zeit von ihrer Daur, nicht sehn. Mich deucht es scheint hieraus zu fliessen, Daß sie für uns nicht, wie man glaubt, gemacht. B. Du kanst mit Recht also nicht schliessen. Wie, nach des Winters Sturm und rauhem Frost im Lentzen Die Vorwürff' alle schöner gläntzen; Und wie, wenn unsre Lust uns die Gewohnheit stöhrt, Der Wechsel sie uns wieder schencket, Sie schmacksam macht, und noch vermehrt; So deucht mich, wenn die Nacht sich zu uns lencket, Daß es nur bloß zu diesem Zweck geschehe, Damit man, mit noch grössrer Wonne, Bey heller Wiederkunft der Sonne, Sie, nach dem scheiden, wieder sehe. Wiewol, wer weiß, ob nicht zu gleicher Zeit An der Geschöpfe Herrlichkeit, Und an so Wunder-reichen Schätzen, Auch andre Wesen sich ergetzen? Die Unempfindlichkeit der Menschen zwinget mich, Und will, daß dieses wahr, zu gläuben, Mich fast am allermeisten treiben. Denn, weil wir, leider! freventlich Nach nichts so sehr, Als blos nach einer eitlen Ehr, Nach Fleisches-Lust und Reichthum gaffen; So scheinet fast der Bluhmen Heer Für uns allein, ümsonst geschaffen. Be-
Bluhmen. Bluhmen. A. Es waͤhrt der Bluhmen Zier ja nur ſo kurtze Zeit; Und dennoch wird derſelben Pracht Uns alle Nacht Geraubt, und koͤnnen wir an ihnen das, was ſchoͤn, Die halbe Zeit von ihrer Daur, nicht ſehn. Mich deucht es ſcheint hieraus zu flieſſen, Daß ſie fuͤr uns nicht, wie man glaubt, gemacht. B. Du kanſt mit Recht alſo nicht ſchlieſſen. Wie, nach des Winters Stuꝛm und rauhem Froſt im Lentzen Die Vorwuͤrff’ alle ſchoͤner glaͤntzen; Und wie, wenn unſre Luſt uns die Gewohnheit ſtoͤhrt, Der Wechſel ſie uns wieder ſchencket, Sie ſchmackſam macht, und noch vermehrt; So deucht mich, wenn die Nacht ſich zu uns lencket, Daß es nur bloß zu dieſem Zweck geſchehe, Damit man, mit noch groͤſſrer Wonne, Bey heller Wiederkunft der Sonne, Sie, nach dem ſcheiden, wieder ſehe. Wiewol, wer weiß, ob nicht zu gleicher Zeit An der Geſchoͤpfe Herrlichkeit, Und an ſo Wunder-reichen Schaͤtzen, Auch andre Weſen ſich ergetzen? Die Unempfindlichkeit der Menſchen zwinget mich, Und will, daß dieſes wahr, zu glaͤuben, Mich faſt am allermeiſten treiben. Denn, weil wir, leider! freventlich Nach nichts ſo ſehr, Als blos nach einer eitlen Ehr, Nach Fleiſches-Luſt und Reichthum gaffen; So ſcheinet faſt der Bluhmen Heer Fuͤr uns allein, uͤmſonſt geſchaffen. Be-
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Bluhmen.
Bluhmen.
A. Es waͤhrt der Bluhmen Zier ja nur ſo kurtze Zeit;
Und dennoch wird derſelben Pracht
Uns alle Nacht
Geraubt, und koͤnnen wir an ihnen das, was ſchoͤn,
Die halbe Zeit von ihrer Daur, nicht ſehn.
Mich deucht es ſcheint hieraus zu flieſſen,
Daß ſie fuͤr uns nicht, wie man glaubt, gemacht.
B. Du kanſt mit Recht alſo nicht ſchlieſſen.
Wie, nach des Winters Stuꝛm und rauhem Froſt im Lentzen
Die Vorwuͤrff’ alle ſchoͤner glaͤntzen;
Und wie, wenn unſre Luſt uns die Gewohnheit ſtoͤhrt,
Der Wechſel ſie uns wieder ſchencket,
Sie ſchmackſam macht, und noch vermehrt;
So deucht mich, wenn die Nacht ſich zu uns lencket,
Daß es nur bloß zu dieſem Zweck geſchehe,
Damit man, mit noch groͤſſrer Wonne,
Bey heller Wiederkunft der Sonne,
Sie, nach dem ſcheiden, wieder ſehe.
Wiewol, wer weiß, ob nicht zu gleicher Zeit
An der Geſchoͤpfe Herrlichkeit,
Und an ſo Wunder-reichen Schaͤtzen,
Auch andre Weſen ſich ergetzen?
Die Unempfindlichkeit der Menſchen zwinget mich,
Und will, daß dieſes wahr, zu glaͤuben,
Mich faſt am allermeiſten treiben.
Denn, weil wir, leider! freventlich
Nach nichts ſo ſehr,
Als blos nach einer eitlen Ehr,
Nach Fleiſches-Luſt und Reichthum gaffen;
So ſcheinet faſt der Bluhmen Heer
Fuͤr uns allein, uͤmſonſt geſchaffen.
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