Erwege, lieber Mensch, es sind ja unsre Seelen Von andrer Art, als Holtz und Stein; Da, von des Schöpfers Creaturen Recht wunder-wunderbare Spuren Jn ihnen anzutreffen seyn.
Sprich nicht, daß das Gesicht der Thiere Denselben Eindruck auch verspüre: Denn, ob es, leider! wahr, daß sich zu dieser Zeit Jn den Betrachtungen der Creaturen Pracht, Die Menschheit, durch Unachtsamkeit, So wie das Vieh, fast gäntzlich fühllos macht; So daß es leider noch die Frage: Ob ich mit grösserm Nechte sage, Daß Menschen GOttes-Werck mit Hund-und Katzen- Augen Wie? oder daß die Hund' und Katzen das, was schön, Mit Menschen-Augen sehn? Weil eine Blindheit ja der andern gleicht, Und unsere der ihrigen nicht weicht; So ist es doch in unsrer Macht, Jn der Geschöpffe Wunder-Pracht, Denjenigen, der sie hervorgebracht, Zu schmecken, und zu sehn, zu fühlen und zu hören, Auch Jhn, durch Gegen-Lieb, und frohen Danck, zu ehren; Das jenen untersagt.
Ach
Vorzug des menſchlichen Geiſtes.
Vorzug des menſchlichen Geiſtes.
Erwege, lieber Menſch, es ſind ja unſre Seelen Von andrer Art, als Holtz und Stein; Da, von des Schoͤpfers Creaturen Recht wunder-wunderbare Spuren Jn ihnen anzutreffen ſeyn.
Sprich nicht, daß das Geſicht der Thiere Denſelben Eindruck auch verſpuͤre: Denn, ob es, leider! wahr, daß ſich zu dieſer Zeit Jn den Betrachtungen der Creaturen Pracht, Die Menſchheit, durch Unachtſamkeit, So wie das Vieh, faſt gaͤntzlich fuͤhllos macht; So daß es leider noch die Frage: Ob ich mit groͤſſerm Nechte ſage, Daß Menſchen GOttes-Werck mit Hund-und Katzen- Augen Wie? oder daß die Hund’ und Katzen das, was ſchoͤn, Mit Menſchen-Augen ſehn? Weil eine Blindheit ja der andern gleicht, Und unſere der ihrigen nicht weicht; So iſt es doch in unſrer Macht, Jn der Geſchoͤpffe Wunder-Pracht, Denjenigen, der ſie hervorgebracht, Zu ſchmecken, und zu ſehn, zu fuͤhlen und zu hoͤren, Auch Jhn, durch Gegen-Lieb, und frohen Danck, zu ehren; Das jenen unterſagt.
Ach
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0399"n="367"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Vorzug des menſchlichen Geiſtes.</hi></fw><lb/><divn="2"><lgtype="poem"><head><hirendition="#b">Vorzug des menſchlichen Geiſtes.</hi></head><lb/><lgn="1"><l><hirendition="#in">E</hi>rwege, lieber Menſch, es ſind ja unſre Seelen</l><lb/><l>Von andrer Art, als Holtz und Stein;</l><lb/><l>Da, von des Schoͤpfers Creaturen</l><lb/><l>Recht wunder-wunderbare Spuren</l><lb/><l>Jn ihnen anzutreffen ſeyn.</l></lg><lb/><lgn="2"><l>Sprich nicht, daß das Geſicht der Thiere</l><lb/><l>Denſelben Eindruck auch verſpuͤre:</l><lb/><l>Denn, ob es, leider! wahr, daß ſich zu dieſer Zeit</l><lb/><l>Jn den Betrachtungen der Creaturen Pracht,</l><lb/><l>Die Menſchheit, durch Unachtſamkeit,</l><lb/><l>So wie das Vieh, faſt gaͤntzlich fuͤhllos macht;</l><lb/><l>So daß es leider noch die Frage:</l><lb/><l>Ob ich mit groͤſſerm Nechte ſage,</l><lb/><l>Daß Menſchen GOttes-Werck mit Hund-und Katzen-<lb/><hirendition="#et">Augen</hi></l><lb/><l>Wie? oder daß die Hund’ und Katzen das, was ſchoͤn,</l><lb/><l>Mit Menſchen-Augen ſehn?</l><lb/><l>Weil eine Blindheit ja der andern gleicht,</l><lb/><l>Und unſere der ihrigen nicht weicht;</l><lb/><l>So iſt es doch in unſrer Macht,</l><lb/><l>Jn der Geſchoͤpffe Wunder-Pracht,</l><lb/><l>Denjenigen, der ſie hervorgebracht,</l><lb/><l>Zu ſchmecken, und zu ſehn, zu fuͤhlen und zu hoͤren,</l><lb/><l>Auch Jhn, durch Gegen-Lieb, und frohen Danck, zu ehren;</l><lb/><l>Das jenen unterſagt.<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Ach</fw><lb/></l></lg></lg></div></div></body></text></TEI>
[367/0399]
Vorzug des menſchlichen Geiſtes.
Vorzug des menſchlichen Geiſtes.
Erwege, lieber Menſch, es ſind ja unſre Seelen
Von andrer Art, als Holtz und Stein;
Da, von des Schoͤpfers Creaturen
Recht wunder-wunderbare Spuren
Jn ihnen anzutreffen ſeyn.
Sprich nicht, daß das Geſicht der Thiere
Denſelben Eindruck auch verſpuͤre:
Denn, ob es, leider! wahr, daß ſich zu dieſer Zeit
Jn den Betrachtungen der Creaturen Pracht,
Die Menſchheit, durch Unachtſamkeit,
So wie das Vieh, faſt gaͤntzlich fuͤhllos macht;
So daß es leider noch die Frage:
Ob ich mit groͤſſerm Nechte ſage,
Daß Menſchen GOttes-Werck mit Hund-und Katzen-
Augen
Wie? oder daß die Hund’ und Katzen das, was ſchoͤn,
Mit Menſchen-Augen ſehn?
Weil eine Blindheit ja der andern gleicht,
Und unſere der ihrigen nicht weicht;
So iſt es doch in unſrer Macht,
Jn der Geſchoͤpffe Wunder-Pracht,
Denjenigen, der ſie hervorgebracht,
Zu ſchmecken, und zu ſehn, zu fuͤhlen und zu hoͤren,
Auch Jhn, durch Gegen-Lieb, und frohen Danck, zu ehren;
Das jenen unterſagt.
Ach
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/399>, abgerufen am 23.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.