Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.Jrrthum der Eigen-Liebe. Jrrthum der Eigen-Liebe. Ach; wenn du, lieber Mensch, einst in dich gehen, Und recht mit Ernst die eigenen Jdeen, Die von der Gottheit du dir machst, betrachten wolltest; Wir würden, wenn du sie uns recht erklären solltest, Vermuthlich anders nichts in ihnen sehen, Als ein Ehr-würdig Bild von einem alten Mann, Der groß und mächtig ist, in und nach diesem Leben, Glück und den Himmel dir zu geben; Und der dich auch verdammen kann. Viel weiter geht man nicht. Hieraus nun folget klar: Wenn nichts alhier von GOTT für dich Zu hoffen und zu fürchten wäre, Erzeigtest du wol sicherlich Der wahren Gottheit wenig Ehre. Jst also das, was dich zum GOTTES-Dienste triebe, Wenn man es untersucht, nur Eigen-Liebe. Wir bitten meist, daß GOTT, in dieser Zeit, Uns Brodt und gute Tage gebe, Und daß man dort in Ewigkeit, Frey von der Höllen, seelig lebe. Einfolglich ist es leider mehr als wahr, Daß Eigen-Nutz und Eigen-Lieb' allein Die Stützen deiner Andacht seyn. Warüm betrachtest du das, was durch GOtt geschicht, Jn seinen Wundern nicht? War- R 2
Jrrthum der Eigen-Liebe. Jrrthum der Eigen-Liebe. Ach; wenn du, lieber Menſch, einſt in dich gehen, Und recht mit Ernſt die eigenen Jdeen, Die von der Gottheit du dir machſt, betrachten wollteſt; Wir wuͤrden, wenn du ſie uns recht erklaͤren ſollteſt, Vermuthlich anders nichts in ihnen ſehen, Als ein Ehr-wuͤrdig Bild von einem alten Mann, Der groß und maͤchtig iſt, in und nach dieſem Leben, Gluͤck und den Himmel dir zu geben; Und der dich auch verdammen kann. Viel weiter geht man nicht. Hieraus nun folget klar: Wenn nichts alhier von GOTT fuͤr dich Zu hoffen und zu fuͤrchten waͤre, Erzeigteſt du wol ſicherlich Der wahren Gottheit wenig Ehre. Jſt alſo das, was dich zum GOTTES-Dienſte triebe, Wenn man es unterſucht, nur Eigen-Liebe. Wir bitten meiſt, daß GOTT, in dieſer Zeit, Uns Brodt und gute Tage gebe, Und daß man dort in Ewigkeit, Frey von der Hoͤllen, ſeelig lebe. Einfolglich iſt es leider mehr als wahr, Daß Eigen-Nutz und Eigen-Lieb’ allein Die Stuͤtzen deiner Andacht ſeyn. Waruͤm betrachteſt du das, was durch GOtt geſchicht, Jn ſeinen Wundern nicht? War- R 2
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Jrrthum der Eigen-Liebe.
Jrrthum der Eigen-Liebe.
Ach; wenn du, lieber Menſch, einſt in dich gehen,
Und recht mit Ernſt die eigenen Jdeen,
Die von der Gottheit du dir machſt, betrachten wollteſt;
Wir wuͤrden, wenn du ſie uns recht erklaͤren ſollteſt,
Vermuthlich anders nichts in ihnen ſehen,
Als ein Ehr-wuͤrdig Bild von einem alten Mann,
Der groß und maͤchtig iſt, in und nach dieſem Leben,
Gluͤck und den Himmel dir zu geben;
Und der dich auch verdammen kann.
Viel weiter geht man nicht. Hieraus nun folget klar:
Wenn nichts alhier von GOTT fuͤr dich
Zu hoffen und zu fuͤrchten waͤre,
Erzeigteſt du wol ſicherlich
Der wahren Gottheit wenig Ehre.
Jſt alſo das, was dich zum GOTTES-Dienſte triebe,
Wenn man es unterſucht, nur Eigen-Liebe.
Wir bitten meiſt, daß GOTT, in dieſer Zeit,
Uns Brodt und gute Tage gebe,
Und daß man dort in Ewigkeit,
Frey von der Hoͤllen, ſeelig lebe.
Einfolglich iſt es leider mehr als wahr,
Daß Eigen-Nutz und Eigen-Lieb’ allein
Die Stuͤtzen deiner Andacht ſeyn.
Waruͤm betrachteſt du das, was durch GOtt geſchicht,
Jn ſeinen Wundern nicht?
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