Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.Erwegung einiger Erwegung einiger von GOTT, auch denen armen Menschen, alle Tage gegön- neten Ergetz- und Bequemlich- keiten. Da wir auf dieser Welt in stetem Unvergnügen, Auch selbst im Uberfluß, und wann wir glücklich seyn, Durch Unerkenntlichkeit des guten bloß allein, So unglückseelig liegen; Auf! auf! mein Geist, die Ordnung der Natur, Die sie mit Menschen hält, ein wenig zu erwegen! Und ob es ihre Schuld, daß so gar wenig nur Ohn Unzufriedenheit zu leben pflegen. Jch spreche nicht allein von Reichen; auch von denen, Die dürftig sind, will ich allhier erwehnen. So für die Armen, als die Reichen, Sieht man des Morgens früh die dunckle Nacht Mit ihren falben Schatten weichen. Für beide zeiget sich der Morgen-Röthe Pracht, So die nur erst vergehnde Schwärtze Jn der Veränderung üm so viel schöner macht. Jhr Leib wird alle Nacht ohn Ausnahm ja gestärcket Durch dieses Wunder der Natur: Wobey der Geist zugleich verneute Kräffte mercket, Durch einen süssen Schlaff, der ihn die Zeit nicht nur Vergnügt verbringen lässt; der Gram und Leid vermindert, Ja ihn, in dem schon angefangnen Lauff Der Schwehrmuth, fortzufahren hindert. Und kurtz: wir stehn, an Leib und Geist verneuet, auf. Jn
Erwegung einiger Erwegung einiger von GOTT, auch denen armen Menſchen, alle Tage gegoͤn- neten Ergetz- und Bequemlich- keiten. Da wir auf dieſer Welt in ſtetem Unvergnuͤgen, Auch ſelbſt im Uberfluß, und wann wir gluͤcklich ſeyn, Durch Unerkenntlichkeit des guten bloß allein, So ungluͤckſeelig liegen; Auf! auf! mein Geiſt, die Ordnung der Natur, Die ſie mit Menſchen haͤlt, ein wenig zu erwegen! Und ob es ihre Schuld, daß ſo gar wenig nur Ohn Unzufriedenheit zu leben pflegen. Jch ſpreche nicht allein von Reichen; auch von denen, Die duͤrftig ſind, will ich allhier erwehnen. So fuͤr die Armen, als die Reichen, Sieht man des Morgens fruͤh die dunckle Nacht Mit ihren falben Schatten weichen. Fuͤr beide zeiget ſich der Morgen-Roͤthe Pracht, So die nur erſt vergehnde Schwaͤrtze Jn der Veraͤnderung uͤm ſo viel ſchoͤner macht. Jhr Leib wird alle Nacht ohn Ausnahm ja geſtaͤrcket Durch dieſes Wunder der Natur: Wobey der Geiſt zugleich verneute Kraͤffte mercket, Durch einen ſuͤſſen Schlaff, der ihn die Zeit nicht nur Vergnuͤgt verbringen laͤſſt; der Gram und Leid vermindert, Ja ihn, in dem ſchon angefangnen Lauff Der Schwehrmuth, fortzufahren hindert. Und kurtz: wir ſtehn, an Leib und Geiſt verneuet, auf. Jn
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Erwegung einiger
Erwegung einiger von GOTT, auch
denen armen Menſchen, alle Tage gegoͤn-
neten Ergetz- und Bequemlich-
keiten.
Da wir auf dieſer Welt in ſtetem Unvergnuͤgen,
Auch ſelbſt im Uberfluß, und wann wir gluͤcklich ſeyn,
Durch Unerkenntlichkeit des guten bloß allein,
So ungluͤckſeelig liegen;
Auf! auf! mein Geiſt, die Ordnung der Natur,
Die ſie mit Menſchen haͤlt, ein wenig zu erwegen!
Und ob es ihre Schuld, daß ſo gar wenig nur
Ohn Unzufriedenheit zu leben pflegen.
Jch ſpreche nicht allein von Reichen; auch von denen,
Die duͤrftig ſind, will ich allhier erwehnen.
So fuͤr die Armen, als die Reichen,
Sieht man des Morgens fruͤh die dunckle Nacht
Mit ihren falben Schatten weichen.
Fuͤr beide zeiget ſich der Morgen-Roͤthe Pracht,
So die nur erſt vergehnde Schwaͤrtze
Jn der Veraͤnderung uͤm ſo viel ſchoͤner macht.
Jhr Leib wird alle Nacht ohn Ausnahm ja geſtaͤrcket
Durch dieſes Wunder der Natur:
Wobey der Geiſt zugleich verneute Kraͤffte mercket,
Durch einen ſuͤſſen Schlaff, der ihn die Zeit nicht nur
Vergnuͤgt verbringen laͤſſt; der Gram und Leid vermindert,
Ja ihn, in dem ſchon angefangnen Lauff
Der Schwehrmuth, fortzufahren hindert.
Und kurtz: wir ſtehn, an Leib und Geiſt verneuet, auf.
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