Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.

Bild:
<< vorherige Seite
Pflicht-mässige Aufmercksamkeit.
Pflicht-mässige Aufmercksamkeit.
Worin kann Adams Herrlichkeit
Jm Paradiese sonst bestanden haben,
Als daß er sich an der Vollkommenheit
Der Creaturen können laben?
Als daß er seiner Seelen Kräffte
Mit seinen Sinnen so verbunden,
Daß er dadurch, (o seliges Geschäffte)
Jn aller Creaturen Pracht
Des grossen Schöpfers weise Macht,
Voll stetiger Bewunderung, gefunden?
Hätt' er sie, wie wir sie betrachten, auch betrachtet,
Und sie nicht seines Blicks noch denckens werth geachtet;
So hätt' er, so wie wir, auch keine Lust empfunden.
Das gantze Paradies, mit allen seinen Schätzen,
Hätt' ihm so wenig Lust, Vergnügen und Ergetzen
Jn seiner Seel' erwecket und erregt,
Als leider ietzt die Welt uns zu erregen pflegt.
Woraus denn klärlich zu erweisen,
Daß, wo wir unser dencken
Nicht auf die Creaturen lencken,
Und in derselbigen Genuß den Schöpfer preisen,
Wir, weder unsers Schöpfers Willen,
Der uns aus Lieb' ergetzen will, erfüllen,
Noch ie in einem Stand' auf Erden
Vergnügt und glücklich können werden.
Hingegen, weil darin gewiß was Göttlichs steckt,
Wird dem, der GOTT zum Ruhm, sieht, höret, riecht und
schmeckt,

Solch
Pflicht-maͤſſige Aufmerckſamkeit.
Pflicht-maͤſſige Aufmerckſamkeit.
Worin kann Adams Herrlichkeit
Jm Paradieſe ſonſt beſtanden haben,
Als daß er ſich an der Vollkommenheit
Der Creaturen koͤnnen laben?
Als daß er ſeiner Seelen Kraͤffte
Mit ſeinen Sinnen ſo verbunden,
Daß er dadurch, (o ſeliges Geſchaͤffte)
Jn aller Creaturen Pracht
Des groſſen Schoͤpfers weiſe Macht,
Voll ſtetiger Bewunderung, gefunden?
Haͤtt’ er ſie, wie wir ſie betrachten, auch betrachtet,
Und ſie nicht ſeines Blicks noch denckens werth geachtet;
So haͤtt’ er, ſo wie wir, auch keine Luſt empfunden.
Das gantze Paradies, mit allen ſeinen Schaͤtzen,
Haͤtt’ ihm ſo wenig Luſt, Vergnuͤgen und Ergetzen
Jn ſeiner Seel’ erwecket und erregt,
Als leider ietzt die Welt uns zu erregen pflegt.
Woraus denn klaͤrlich zu erweiſen,
Daß, wo wir unſer dencken
Nicht auf die Creaturen lencken,
Und in derſelbigen Genuß den Schoͤpfer preiſen,
Wir, weder unſers Schoͤpfers Willen,
Der uns aus Lieb’ ergetzen will, erfuͤllen,
Noch ie in einem Stand’ auf Erden
Vergnuͤgt und gluͤcklich koͤnnen werden.
Hingegen, weil darin gewiß was Goͤttlichs ſteckt,
Wird dem, der GOTT zum Ruhm, ſieht, hoͤret, riecht und
ſchmeckt,

Solch
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0204" n="172"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Pflicht-ma&#x0364;&#x017F;&#x017F;ige Aufmerck&#x017F;amkeit.</hi> </fw><lb/>
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <head> <hi rendition="#b">Pflicht-ma&#x0364;&#x017F;&#x017F;ige Aufmerck&#x017F;amkeit.</hi> </head><lb/>
            <lg n="1">
              <l><hi rendition="#in">W</hi>orin kann Adams Herrlichkeit</l><lb/>
              <l>Jm Paradie&#x017F;e &#x017F;on&#x017F;t be&#x017F;tanden haben,</l><lb/>
              <l>Als daß er &#x017F;ich an der Vollkommenheit</l><lb/>
              <l>Der Creaturen ko&#x0364;nnen laben?</l><lb/>
              <l>Als daß er &#x017F;einer Seelen Kra&#x0364;ffte</l><lb/>
              <l>Mit &#x017F;einen Sinnen &#x017F;o verbunden,</l><lb/>
              <l>Daß er dadurch, (o &#x017F;eliges Ge&#x017F;cha&#x0364;ffte)</l><lb/>
              <l>Jn aller Creaturen Pracht</l><lb/>
              <l>Des gro&#x017F;&#x017F;en Scho&#x0364;pfers wei&#x017F;e Macht,</l><lb/>
              <l>Voll &#x017F;tetiger Bewunderung, gefunden?</l><lb/>
              <l>Ha&#x0364;tt&#x2019; er &#x017F;ie, wie wir &#x017F;ie betrachten, auch betrachtet,</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;ie nicht &#x017F;eines Blicks noch denckens werth geachtet;</l><lb/>
              <l>So ha&#x0364;tt&#x2019; er, &#x017F;o wie wir, auch keine Lu&#x017F;t empfunden.</l><lb/>
              <l>Das gantze Paradies, mit allen &#x017F;einen Scha&#x0364;tzen,</l><lb/>
              <l>Ha&#x0364;tt&#x2019; ihm &#x017F;o wenig Lu&#x017F;t, Vergnu&#x0364;gen und Ergetzen</l><lb/>
              <l>Jn &#x017F;einer Seel&#x2019; erwecket und erregt,</l><lb/>
              <l>Als leider ietzt die Welt uns zu erregen pflegt.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Woraus denn kla&#x0364;rlich zu erwei&#x017F;en,</l><lb/>
              <l>Daß, wo wir un&#x017F;er dencken</l><lb/>
              <l>Nicht auf die Creaturen lencken,</l><lb/>
              <l>Und in der&#x017F;elbigen Genuß den Scho&#x0364;pfer prei&#x017F;en,</l><lb/>
              <l>Wir, weder un&#x017F;ers Scho&#x0364;pfers Willen,</l><lb/>
              <l>Der uns aus Lieb&#x2019; ergetzen will, erfu&#x0364;llen,</l><lb/>
              <l>Noch ie in einem Stand&#x2019; auf Erden</l><lb/>
              <l>Vergnu&#x0364;gt und glu&#x0364;cklich ko&#x0364;nnen werden.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Hingegen, weil darin gewiß was Go&#x0364;ttlichs &#x017F;teckt,</l><lb/>
              <l>Wird dem, der GOTT zum Ruhm, &#x017F;ieht, ho&#x0364;ret, riecht und<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;chmeckt,</hi></l><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">Solch</fw><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[172/0204] Pflicht-maͤſſige Aufmerckſamkeit. Pflicht-maͤſſige Aufmerckſamkeit. Worin kann Adams Herrlichkeit Jm Paradieſe ſonſt beſtanden haben, Als daß er ſich an der Vollkommenheit Der Creaturen koͤnnen laben? Als daß er ſeiner Seelen Kraͤffte Mit ſeinen Sinnen ſo verbunden, Daß er dadurch, (o ſeliges Geſchaͤffte) Jn aller Creaturen Pracht Des groſſen Schoͤpfers weiſe Macht, Voll ſtetiger Bewunderung, gefunden? Haͤtt’ er ſie, wie wir ſie betrachten, auch betrachtet, Und ſie nicht ſeines Blicks noch denckens werth geachtet; So haͤtt’ er, ſo wie wir, auch keine Luſt empfunden. Das gantze Paradies, mit allen ſeinen Schaͤtzen, Haͤtt’ ihm ſo wenig Luſt, Vergnuͤgen und Ergetzen Jn ſeiner Seel’ erwecket und erregt, Als leider ietzt die Welt uns zu erregen pflegt. Woraus denn klaͤrlich zu erweiſen, Daß, wo wir unſer dencken Nicht auf die Creaturen lencken, Und in derſelbigen Genuß den Schoͤpfer preiſen, Wir, weder unſers Schoͤpfers Willen, Der uns aus Lieb’ ergetzen will, erfuͤllen, Noch ie in einem Stand’ auf Erden Vergnuͤgt und gluͤcklich koͤnnen werden. Hingegen, weil darin gewiß was Goͤttlichs ſteckt, Wird dem, der GOTT zum Ruhm, ſieht, hoͤret, riecht und ſchmeckt, Solch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/204
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/204>, abgerufen am 13.11.2024.