Als Belisander, eines schweren Falles halber, verhindert war, im Garten zu gehen, hatte Belisa ihm eine Menge der schönsten Bluhmen in ein Körbchen ge- sammlet. Jndem er nun, um ihre ungemeine Schön- heit, so lange als möglich, zu erhalten, im Begriff war, dieselben mit frischem Wasser zu besprützen, und er sie mit besonderer Achtsamkeit noch einmahl ansahe; ward er durch die ausnehmende Schönheit so gerüh- ret, daß ihm die Thränen in die Augen traten, und eine davon ungefehr auf die Bluhmen fiel. Dieses gab ihm Anlaß zu folgender Betrachtung.
Dies Tröpfgen, das so rein, so rund, Und, wie ein Tröpfchen Thau, auf Bluhmen klar und bunt; Auch klar und bunt auf bunten Bluhmen lieget, Ergetzt, erquicket und vergnüget Mich recht auf eine neue Weise. Ein süsses Hoffen schmeichelt mir, Es gläntze dieses Naß, in seiner reinen Zier, Dem grossen Schöpfer selbst zum Preise, Und werde diese kleine Fluht, (Die aus der Creaturen Pracht, Zu Ehren dem, der sie gemacht, Durch eifriger Betrachtung Gluht, Gezogen, erst sich sublimiret, Und vom Gehirn den Sitz der Seelen distilliret,)
Jn
Der ſchoͤnſte Thau.
Als Beliſander, eines ſchweren Falles halber, verhindert war, im Garten zu gehen, hatte Beliſa ihm eine Menge der ſchoͤnſten Bluhmen in ein Koͤrbchen ge- ſammlet. Jndem er nun, um ihre ungemeine Schoͤn- heit, ſo lange als moͤglich, zu erhalten, im Begriff war, dieſelben mit friſchem Waſſer zu beſpruͤtzen, und er ſie mit beſonderer Achtſamkeit noch einmahl anſahe; ward er durch die ausnehmende Schoͤnheit ſo geruͤh- ret, daß ihm die Thraͤnen in die Augen traten, und eine davon ungefehr auf die Bluhmen fiel. Dieſes gab ihm Anlaß zu folgender Betrachtung.
Dies Troͤpfgen, das ſo rein, ſo rund, Und, wie ein Troͤpfchen Thau, auf Bluhmen klar und bunt; Auch klar und bunt auf bunten Bluhmen lieget, Ergetzt, erquicket und vergnuͤget Mich recht auf eine neue Weiſe. Ein ſuͤſſes Hoffen ſchmeichelt mir, Es glaͤntze dieſes Naß, in ſeiner reinen Zier, Dem groſſen Schoͤpfer ſelbſt zum Preiſe, Und werde dieſe kleine Fluht, (Die aus der Creaturen Pracht, Zu Ehren dem, der ſie gemacht, Durch eifriger Betrachtung Gluht, Gezogen, erſt ſich ſublimiret, Und vom Gehirn den Sitz der Seelen diſtilliret,)
Jn
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Der ſchoͤnſte Thau.
Als Beliſander, eines ſchweren Falles halber, verhindert
war, im Garten zu gehen, hatte Beliſa ihm eine
Menge der ſchoͤnſten Bluhmen in ein Koͤrbchen ge-
ſammlet. Jndem er nun, um ihre ungemeine Schoͤn-
heit, ſo lange als moͤglich, zu erhalten, im Begriff
war, dieſelben mit friſchem Waſſer zu beſpruͤtzen, und
er ſie mit beſonderer Achtſamkeit noch einmahl anſahe;
ward er durch die ausnehmende Schoͤnheit ſo geruͤh-
ret, daß ihm die Thraͤnen in die Augen traten, und
eine davon ungefehr auf die Bluhmen fiel. Dieſes
gab ihm Anlaß zu folgender Betrachtung.
Dies Troͤpfgen, das ſo rein, ſo rund,
Und, wie ein Troͤpfchen Thau, auf Bluhmen klar
und bunt;
Auch klar und bunt auf bunten Bluhmen lieget,
Ergetzt, erquicket und vergnuͤget
Mich recht auf eine neue Weiſe.
Ein ſuͤſſes Hoffen ſchmeichelt mir,
Es glaͤntze dieſes Naß, in ſeiner reinen Zier,
Dem groſſen Schoͤpfer ſelbſt zum Preiſe,
Und werde dieſe kleine Fluht,
(Die aus der Creaturen Pracht,
Zu Ehren dem, der ſie gemacht,
Durch eifriger Betrachtung Gluht,
Gezogen, erſt ſich ſublimiret,
Und vom Gehirn den Sitz der Seelen diſtilliret,)
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Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 590. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/620>, abgerufen am 21.12.2024.
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