Durch einen muntern Klang, der Lerm und Ruhm begreifft, Fühlt Alexander sich bewegen, Und greifft, gantz ausser sich, vor Wuth, Bey einer Gasterey zum Degen. Hingegen siehet man das Blut Durch sanfte Töne sich besänftigen, sich legen. Der Friede folgt auf Zorn und Wüten. Saul wird frey Von seiner Noth; es weicht der Geist der Raserey Den Augenblick, wann die entbrannte Gall' Jn ihm besänftigt wird durch süssen Saiten-Schall.
Betrachtungen über das Gehör.
Von dem Vergnügen und Ergetzen, So die Music in uns erweckt, Wenn sie wohl componirt, muß man zum Grunde setzen Geheimer Züge Krafft, so in der Seele steckt. Die sind in unsern Geist natürlich eingegossen, Durch den Gebrauch sind sie vermehret und vergrössert, Durch Müh und Fleiß verbessert: Er wird dadurch, daß er den Wohl-Laut offt genossen, Noch immer fertiger und mehr Erkenntniß kriegen. Es ist nicht cörperlich so zärtliches Vergnügen.
Wie sehr vermag ein süsses Musiciren, Die Seele, die vergnügt und ruhig ist, zu rühren! Wenn eine Menge, dünner Sehnen, So wir auf Jnstrumente dehnen, Solch' Rollen, Melodie und Fugen uns gebiert, Durch deren liebliches Gemisch wir seyn gerührt.
Was
Vom Gehoͤr.
Durch einen muntern Klang, der Lerm und Ruhm begreifft, Fuͤhlt Alexander ſich bewegen, Und greifft, gantz auſſer ſich, vor Wuth, Bey einer Gaſterey zum Degen. Hingegen ſiehet man das Blut Durch ſanfte Toͤne ſich beſaͤnftigen, ſich legen. Der Friede folgt auf Zorn und Wuͤten. Saul wird frey Von ſeiner Noth; es weicht der Geiſt der Raſerey Den Augenblick, wann die entbrannte Gall’ Jn ihm beſaͤnftigt wird durch ſuͤſſen Saiten-Schall.
Betrachtungen uͤber das Gehoͤr.
Von dem Vergnuͤgen und Ergetzen, So die Muſic in uns erweckt, Wenn ſie wohl componirt, muß man zum Grunde ſetzen Geheimer Zuͤge Krafft, ſo in der Seele ſteckt. Die ſind in unſern Geiſt natuͤrlich eingegoſſen, Durch den Gebrauch ſind ſie vermehret und vergroͤſſert, Durch Muͤh und Fleiß verbeſſert: Er wird dadurch, daß er den Wohl-Laut offt genoſſen, Noch immer fertiger und mehr Erkenntniß kriegen. Es iſt nicht coͤrperlich ſo zaͤrtliches Vergnuͤgen.
Wie ſehr vermag ein ſuͤſſes Muſiciren, Die Seele, die vergnuͤgt und ruhig iſt, zu ruͤhren! Wenn eine Menge, duͤnner Sehnen, So wir auf Jnſtrumente dehnen, Solch’ Rollen, Melodie und Fugen uns gebiert, Durch deren liebliches Gemiſch wir ſeyn geruͤhrt.
Was
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[443/0473]
Vom Gehoͤr.
Durch einen muntern Klang, der Lerm und Ruhm begreifft,
Fuͤhlt Alexander ſich bewegen,
Und greifft, gantz auſſer ſich, vor Wuth,
Bey einer Gaſterey zum Degen.
Hingegen ſiehet man das Blut
Durch ſanfte Toͤne ſich beſaͤnftigen, ſich legen.
Der Friede folgt auf Zorn und Wuͤten. Saul wird frey
Von ſeiner Noth; es weicht der Geiſt der Raſerey
Den Augenblick, wann die entbrannte Gall’
Jn ihm beſaͤnftigt wird durch ſuͤſſen Saiten-Schall.
Betrachtungen uͤber das Gehoͤr.
Von dem Vergnuͤgen und Ergetzen,
So die Muſic in uns erweckt,
Wenn ſie wohl componirt, muß man zum Grunde ſetzen
Geheimer Zuͤge Krafft, ſo in der Seele ſteckt.
Die ſind in unſern Geiſt natuͤrlich eingegoſſen,
Durch den Gebrauch ſind ſie vermehret und vergroͤſſert,
Durch Muͤh und Fleiß verbeſſert:
Er wird dadurch, daß er den Wohl-Laut offt genoſſen,
Noch immer fertiger und mehr Erkenntniß kriegen.
Es iſt nicht coͤrperlich ſo zaͤrtliches Vergnuͤgen.
Wie ſehr vermag ein ſuͤſſes Muſiciren,
Die Seele, die vergnuͤgt und ruhig iſt, zu ruͤhren!
Wenn eine Menge, duͤnner Sehnen,
So wir auf Jnſtrumente dehnen,
Solch’ Rollen, Melodie und Fugen uns gebiert,
Durch deren liebliches Gemiſch wir ſeyn geruͤhrt.
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Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 443. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/473>, abgerufen am 22.02.2025.
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