Der Abend brach bereits herein, Man konnte durch der Erde Drehen Nicht mehr der Sonne güld'nen Schein, Kaum noch den Rest der Abend-Röte, sehen. Die küle Dämmerung wich allgemach, Und trat nun nach und nach Jhr Reich, worin es keine Schatten gab, Der Königinn der Schatten ab; Als ich mich noch einmal Jn meinen Garten hin verfüg'te, Und an dem sanften Rest der Farben mich vergnüg'te, Der kaum mehr sichtbar war. Da fiel ein schnelles Licht Von ungefehr mir in's Gesicht. Wie, dacht' ich, seh' ich denn im dunkeln Auch Sternen auf der Erde funkeln? Der schimmernden Narcissen Schein, Die an Figur und Glanz fast Sternen ähnlich seyn, Schien gleichsam mit der falben Nacht zu kämpfen, Bemühte sich, die schwarze Macht zu dämpfen. Jch sahe sie, mit Anmut und Vergnügen, Bald hier bald dort zuerst gewaltig siegen; Allein statt daß die Dunkelheit der Nacht Der Sternen Heer uns hell und sichtbar macht, Ward dieser ird'schen Sterne Glanz Gar bald vom Schatten überwunden, Jhr Schimmer, Stral und Licht verschwunden. Dieß war mir Anfangs leid; doch fielen mir Zu meinem Trost zween Gründe bey: Der erste war, daß der Narcissen Zier, Berühmter Triller, schon von dir Jn Deiner schönen Schrift so schön beschrieben sey,
Daß
Die Narciſſe.
Der Abend brach bereits herein, Man konnte durch der Erde Drehen Nicht mehr der Sonne guͤld’nen Schein, Kaum noch den Reſt der Abend-Roͤte, ſehen. Die kuͤle Daͤmmerung wich allgemach, Und trat nun nach und nach Jhr Reich, worin es keine Schatten gab, Der Koͤniginn der Schatten ab; Als ich mich noch einmal Jn meinen Garten hin verfuͤg’te, Und an dem ſanften Reſt der Farben mich vergnuͤg’te, Der kaum mehr ſichtbar war. Da fiel ein ſchnelles Licht Von ungefehr mir in’s Geſicht. Wie, dacht’ ich, ſeh’ ich denn im dunkeln Auch Sternen auf der Erde funkeln? Der ſchimmernden Narciſſen Schein, Die an Figur und Glanz faſt Sternen aͤhnlich ſeyn, Schien gleichſam mit der falben Nacht zu kaͤmpfen, Bemuͤhte ſich, die ſchwarze Macht zu daͤmpfen. Jch ſahe ſie, mit Anmut und Vergnuͤgen, Bald hier bald dort zuerſt gewaltig ſiegen; Allein ſtatt daß die Dunkelheit der Nacht Der Sternen Heer uns hell und ſichtbar macht, Ward dieſer ird’ſchen Sterne Glanz Gar bald vom Schatten uͤberwunden, Jhr Schimmer, Stral und Licht verſchwunden. Dieß war mir Anfangs leid; doch fielen mir Zu meinem Troſt zween Gruͤnde bey: Der erſte war, daß der Narciſſen Zier, Beruͤhmter Triller, ſchon von dir Jn Deiner ſchoͤnen Schrift ſo ſchoͤn beſchrieben ſey,
Daß
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Die Narciſſe.
Der Abend brach bereits herein,
Man konnte durch der Erde Drehen
Nicht mehr der Sonne guͤld’nen Schein,
Kaum noch den Reſt der Abend-Roͤte, ſehen.
Die kuͤle Daͤmmerung wich allgemach,
Und trat nun nach und nach
Jhr Reich, worin es keine Schatten gab,
Der Koͤniginn der Schatten ab;
Als ich mich noch einmal
Jn meinen Garten hin verfuͤg’te,
Und an dem ſanften Reſt der Farben mich vergnuͤg’te,
Der kaum mehr ſichtbar war. Da fiel ein ſchnelles Licht
Von ungefehr mir in’s Geſicht.
Wie, dacht’ ich, ſeh’ ich denn im dunkeln
Auch Sternen auf der Erde funkeln?
Der ſchimmernden Narciſſen Schein,
Die an Figur und Glanz faſt Sternen aͤhnlich ſeyn,
Schien gleichſam mit der falben Nacht zu kaͤmpfen,
Bemuͤhte ſich, die ſchwarze Macht zu daͤmpfen.
Jch ſahe ſie, mit Anmut und Vergnuͤgen,
Bald hier bald dort zuerſt gewaltig ſiegen;
Allein ſtatt daß die Dunkelheit der Nacht
Der Sternen Heer uns hell und ſichtbar macht,
Ward dieſer ird’ſchen Sterne Glanz
Gar bald vom Schatten uͤberwunden,
Jhr Schimmer, Stral und Licht verſchwunden.
Dieß war mir Anfangs leid; doch fielen mir
Zu meinem Troſt zween Gruͤnde bey:
Der erſte war, daß der Narciſſen Zier,
Beruͤhmter Triller, ſchon von dir
Jn Deiner ſchoͤnen Schrift ſo ſchoͤn beſchrieben ſey,
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/96>, abgerufen am 22.02.2025.
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