Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Muscat-Hyacinthe.
Du fast von Farb' und Form entblösstes Frühlings-Kind,
An welchem ich nichts, als ein falbes Grau,
Ein schmutzig grünlichs Braun, ohn' allen Zierrat, schau,
Du unansehnliche Muscaten-Hyacinth!
Du siehst im bunten Bluhmen-Reich
Kaum einer Bluhme gleich,
Und dennoch bricht aus dir
Ein recht balsamischer Geruch herfür,
Der dem Ceylonischen Gewürze fast nicht weicht,
Und holdem Ambra selbst an süsser Stärke gleicht.
Du dienest mir, zu GOttes Preise,
Zum unumstößlichen Beweise
Der nicht zu zählenden Veränd'rung der Figuren
Jn Seinen schönen Creaturen,
Und dieß vermehr't des Schöpfers Ehre.
Jm weltlichen gibst du mir diese Lehre:
Mein Herz, laß dir den äusserlichen Schein
Kein Fall-Strick seyn!
Denn ein geflicktes Kleid und schmutz'ger Mantel decket
Gar oft ein Herz, in welchem Weis heit stecket.


Die
C 3
Die Muſcat-Hyacinthe.
Du faſt von Farb’ und Form entbloͤſſtes Fruͤhlings-Kind,
An welchem ich nichts, als ein falbes Grau,
Ein ſchmutzig gruͤnlichs Braun, ohn’ allen Zierrat, ſchau,
Du unanſehnliche Muſcaten-Hyacinth!
Du ſiehſt im bunten Bluhmen-Reich
Kaum einer Bluhme gleich,
Und dennoch bricht aus dir
Ein recht balſamiſcher Geruch herfuͤr,
Der dem Ceyloniſchen Gewuͤrze faſt nicht weicht,
Und holdem Ambra ſelbſt an ſuͤſſer Staͤrke gleicht.
Du dieneſt mir, zu GOttes Preiſe,
Zum unumſtoͤßlichen Beweiſe
Der nicht zu zaͤhlenden Veraͤnd’rung der Figuren
Jn Seinen ſchoͤnen Creaturen,
Und dieß vermehr’t des Schoͤpfers Ehre.
Jm weltlichen gibſt du mir dieſe Lehre:
Mein Herz, laß dir den aͤuſſerlichen Schein
Kein Fall-Strick ſeyn!
Denn ein geflicktes Kleid und ſchmutz’ger Mantel decket
Gar oft ein Herz, in welchem Weiſ heit ſtecket.


Die
C 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0073" n="37"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Die Mu&#x017F;cat-Hyacinthe.</hi> </head><lb/>
          <lg n="12">
            <l><hi rendition="#in">D</hi>u fa&#x017F;t von Farb&#x2019; und Form entblo&#x0364;&#x017F;&#x017F;tes Fru&#x0364;hlings-Kind,</l><lb/>
            <l>An welchem ich nichts, als ein falbes Grau,</l><lb/>
            <l>Ein &#x017F;chmutzig gru&#x0364;nlichs Braun, ohn&#x2019; allen Zierrat, &#x017F;chau,</l><lb/>
            <l>Du unan&#x017F;ehnliche Mu&#x017F;caten-Hyacinth!</l><lb/>
            <l>Du &#x017F;ieh&#x017F;t im bunten Bluhmen-Reich</l><lb/>
            <l>Kaum einer Bluhme gleich,</l><lb/>
            <l>Und dennoch bricht aus dir</l><lb/>
            <l>Ein recht bal&#x017F;ami&#x017F;cher Geruch herfu&#x0364;r,</l><lb/>
            <l>Der dem Ceyloni&#x017F;chen Gewu&#x0364;rze fa&#x017F;t nicht weicht,</l><lb/>
            <l>Und holdem Ambra &#x017F;elb&#x017F;t an &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;er Sta&#x0364;rke gleicht.</l><lb/>
            <l>Du diene&#x017F;t mir, zu GOttes Prei&#x017F;e,</l><lb/>
            <l>Zum unum&#x017F;to&#x0364;ßlichen Bewei&#x017F;e</l><lb/>
            <l>Der nicht zu za&#x0364;hlenden Vera&#x0364;nd&#x2019;rung der Figuren</l><lb/>
            <l>Jn Seinen &#x017F;cho&#x0364;nen Creaturen,</l><lb/>
            <l>Und dieß vermehr&#x2019;t des Scho&#x0364;pfers Ehre.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="13">
            <l>Jm weltlichen gib&#x017F;t du mir die&#x017F;e Lehre:</l><lb/>
            <l>Mein Herz, laß dir den a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erlichen Schein</l><lb/>
            <l>Kein Fall-Strick &#x017F;eyn!</l><lb/>
            <l>Denn ein geflicktes Kleid und &#x017F;chmutz&#x2019;ger Mantel decket</l><lb/>
            <l>Gar oft ein Herz, in welchem Wei&#x017F; heit &#x017F;tecket.</l>
          </lg>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig"> <hi rendition="#b">C 3</hi> </fw>
        <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b">Die</hi> </fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[37/0073] Die Muſcat-Hyacinthe. Du faſt von Farb’ und Form entbloͤſſtes Fruͤhlings-Kind, An welchem ich nichts, als ein falbes Grau, Ein ſchmutzig gruͤnlichs Braun, ohn’ allen Zierrat, ſchau, Du unanſehnliche Muſcaten-Hyacinth! Du ſiehſt im bunten Bluhmen-Reich Kaum einer Bluhme gleich, Und dennoch bricht aus dir Ein recht balſamiſcher Geruch herfuͤr, Der dem Ceyloniſchen Gewuͤrze faſt nicht weicht, Und holdem Ambra ſelbſt an ſuͤſſer Staͤrke gleicht. Du dieneſt mir, zu GOttes Preiſe, Zum unumſtoͤßlichen Beweiſe Der nicht zu zaͤhlenden Veraͤnd’rung der Figuren Jn Seinen ſchoͤnen Creaturen, Und dieß vermehr’t des Schoͤpfers Ehre. Jm weltlichen gibſt du mir dieſe Lehre: Mein Herz, laß dir den aͤuſſerlichen Schein Kein Fall-Strick ſeyn! Denn ein geflicktes Kleid und ſchmutz’ger Mantel decket Gar oft ein Herz, in welchem Weiſ heit ſtecket. Die C 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/73
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/73>, abgerufen am 21.11.2024.