Jüngst dacht' ich bey mir selbst: wie kommt's, daß deine Schriften, Ob sie gleich noch so wahr, Ob alles, was du schreib'st, gleich Sonnen-klar; Doch bis daher so wenig gutes stiften? Daß man sie lies't, und daß fast jedermann, Wie gut du es gemeint, nachdem er sie gelesen, Jn allen Stücken bleibt, wie er vorher gewesen? Allein, Fiel mir darüber ein, Hab' ich auch Recht, mich deßfalls zu betrüben, Da ja das schöne Buch der Welt, Das GOttes Finger selbst geschrieben, Das Urbild selbst, den Menschen nicht gefällt? Wie kann mein Schatten-Riß, wie kann mein stammlend Lallen, Der ecklen Welt gefallen? Zudem geh' in dich selbst! Bemüh dich, zu entdecken, Ob Leidenschaften nicht in deinem Trauren stecken, Und ob, statt GOttes Ruhms, wie du vermeinst, dein Leid Nicht etwan einen starken Grad Von Eigen-Lieb' und Eitelkeit Zum Grunde hat!
Unmöglich ist es nicht. Jch bin ein Mensch, nichts mehr, Der folglich für die Lust, für Ueberfluß und Ehr
Nicht
Troſt.
Juͤngſt dacht’ ich bey mir ſelbſt: wie kommt’s, daß deine Schriften, Ob ſie gleich noch ſo wahr, Ob alles, was du ſchreib’ſt, gleich Sonnen-klar; Doch bis daher ſo wenig gutes ſtiften? Daß man ſie lieſ’t, und daß faſt jedermann, Wie gut du es gemeint, nachdem er ſie geleſen, Jn allen Stuͤcken bleibt, wie er vorher geweſen? Allein, Fiel mir daruͤber ein, Hab’ ich auch Recht, mich deßfalls zu betruͤben, Da ja das ſchoͤne Buch der Welt, Das GOttes Finger ſelbſt geſchrieben, Das Urbild ſelbſt, den Menſchen nicht gefaͤllt? Wie kann mein Schatten-Riß, wie kann mein ſtammlend Lallen, Der ecklen Welt gefallen? Zudem geh’ in dich ſelbſt! Bemuͤh dich, zu entdecken, Ob Leidenſchaften nicht in deinem Trauren ſtecken, Und ob, ſtatt GOttes Ruhms, wie du vermeinſt, dein Leid Nicht etwan einen ſtarken Grad Von Eigen-Lieb’ und Eitelkeit Zum Grunde hat!
Unmoͤglich iſt es nicht. Jch bin ein Menſch, nichts mehr, Der folglich fuͤr die Luſt, fuͤr Ueberfluß und Ehr
Nicht
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Troſt.
Juͤngſt dacht’ ich bey mir ſelbſt: wie kommt’s, daß deine
Schriften,
Ob ſie gleich noch ſo wahr,
Ob alles, was du ſchreib’ſt, gleich Sonnen-klar;
Doch bis daher ſo wenig gutes ſtiften?
Daß man ſie lieſ’t, und daß faſt jedermann,
Wie gut du es gemeint, nachdem er ſie geleſen,
Jn allen Stuͤcken bleibt, wie er vorher geweſen?
Allein,
Fiel mir daruͤber ein,
Hab’ ich auch Recht, mich deßfalls zu betruͤben,
Da ja das ſchoͤne Buch der Welt,
Das GOttes Finger ſelbſt geſchrieben,
Das Urbild ſelbſt, den Menſchen nicht gefaͤllt?
Wie kann mein Schatten-Riß, wie kann mein ſtammlend
Lallen,
Der ecklen Welt gefallen?
Zudem geh’ in dich ſelbſt! Bemuͤh dich, zu entdecken,
Ob Leidenſchaften nicht in deinem Trauren ſtecken,
Und ob, ſtatt GOttes Ruhms, wie du vermeinſt, dein Leid
Nicht etwan einen ſtarken Grad
Von Eigen-Lieb’ und Eitelkeit
Zum Grunde hat!
Unmoͤglich iſt es nicht. Jch bin ein Menſch, nichts
mehr,
Der folglich fuͤr die Luſt, fuͤr Ueberfluß und Ehr
Nicht
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727, S. 500. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/536>, abgerufen am 03.03.2025.
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