Es wechseln abermals die Zeiten; Das Jahr heisst nicht mehr, wie vorhin. Laß, HErr der Zeiten, meinen Sinn Sich doch zu dieser Zeit zu Deinem Ruhm bereiten!
Durch Deine Gnade weiß ich dieß, Daß aller Menschen Thun vergehet, Daß alles flüchtig, nichts bestehet: Dabey weiß ich doch auch gewiß, Daß blosserdings die Zeit allein, Jn welcher wir beschäfftigt seyn, Des Schöpfers Ehre zu erheben, Die einz'ge Zeit sey, die wir leben. Ach haltet denn die Zeit nicht ferner für verloren, Wenn ihr des Höchsten Werk betrachtet und beseht! Bedenkts! ihr seyd ja bloß zu GOttes Ruhm gebohren, Und Der wird bloß, o Lieb'! in eurer Lust erhöh't. Ach wüstest du, welch' Anmut, welch Vergnügen Jn den Betrachtungen von GOttes Werken liegen, Und welche Lust die Selen selber rühret, Was ein vernünftiges Gemüt, Das sie zu GOttes Ruhm besieht, Für süsse Freud' in ihnen spüret: Du würdest sie wahrhaftig höher achten, Du würdest sie viel fleissiger betrachten, Du untersuchetest sie immer besser.
Man
G g 2
Neu-Jahrs-Gedicht auf das 1726ſte Jahr.
Es wechſeln abermals die Zeiten; Das Jahr heiſſt nicht mehr, wie vorhin. Laß, HErr der Zeiten, meinen Sinn Sich doch zu dieſer Zeit zu Deinem Ruhm bereiten!
Durch Deine Gnade weiß ich dieß, Daß aller Menſchen Thun vergehet, Daß alles fluͤchtig, nichts beſtehet: Dabey weiß ich doch auch gewiß, Daß bloſſerdings die Zeit allein, Jn welcher wir beſchaͤfftigt ſeyn, Des Schoͤpfers Ehre zu erheben, Die einz’ge Zeit ſey, die wir leben. Ach haltet denn die Zeit nicht ferner fuͤr verloren, Wenn ihr des Hoͤchſten Werk betrachtet und beſeht! Bedenkts! ihr ſeyd ja bloß zu GOttes Ruhm gebohren, Und Der wird bloß, o Lieb’! in eurer Luſt erhoͤh’t. Ach wuͤſteſt du, welch’ Anmut, welch Vergnuͤgen Jn den Betrachtungen von GOttes Werken liegen, Und welche Luſt die Selen ſelber ruͤhret, Was ein vernuͤnftiges Gemuͤt, Das ſie zu GOttes Ruhm beſieht, Fuͤr ſuͤſſe Freud’ in ihnen ſpuͤret: Du wuͤrdeſt ſie wahrhaftig hoͤher achten, Du wuͤrdeſt ſie viel fleiſſiger betrachten, Du unterſucheteſt ſie immer beſſer.
Man
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[467/0503]
Neu-Jahrs-Gedicht auf das
1726ſte Jahr.
Es wechſeln abermals die Zeiten;
Das Jahr heiſſt nicht mehr, wie vorhin.
Laß, HErr der Zeiten, meinen Sinn
Sich doch zu dieſer Zeit zu Deinem Ruhm bereiten!
Durch Deine Gnade weiß ich dieß,
Daß aller Menſchen Thun vergehet,
Daß alles fluͤchtig, nichts beſtehet:
Dabey weiß ich doch auch gewiß,
Daß bloſſerdings die Zeit allein,
Jn welcher wir beſchaͤfftigt ſeyn,
Des Schoͤpfers Ehre zu erheben,
Die einz’ge Zeit ſey, die wir leben.
Ach haltet denn die Zeit nicht ferner fuͤr verloren,
Wenn ihr des Hoͤchſten Werk betrachtet und beſeht!
Bedenkts! ihr ſeyd ja bloß zu GOttes Ruhm gebohren,
Und Der wird bloß, o Lieb’! in eurer Luſt erhoͤh’t.
Ach wuͤſteſt du, welch’ Anmut, welch Vergnuͤgen
Jn den Betrachtungen von GOttes Werken liegen,
Und welche Luſt die Selen ſelber ruͤhret,
Was ein vernuͤnftiges Gemuͤt,
Das ſie zu GOttes Ruhm beſieht,
Fuͤr ſuͤſſe Freud’ in ihnen ſpuͤret:
Du wuͤrdeſt ſie wahrhaftig hoͤher achten,
Du wuͤrdeſt ſie viel fleiſſiger betrachten,
Du unterſucheteſt ſie immer beſſer.
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727, S. 467. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/503>, abgerufen am 22.02.2025.
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