Kaum tritt der küle Herbst mit Segen-reichen Schritten, Gekrön't mit reifem Obst, in Feld und Garten ein; So brech' ich insgemein Mit meinen Kindern reife Qvitten. Sie pflegen sich Dabey recht inniglich zu freuen. Sie stellen sich geschwind in einer langen Reyhen. Und zwar gemeiniglich Mein Hans, mein zweyter Sohn, voran, Und reichen sich die abgebroch'ne Frucht Einander fröhlich zu, da sie die Mutter dann Zuletzt in einen Korb, wenn sie sie ausgesuch't, Und abgewischet, leget, Den, wenn er voll, zuletzt der ganze Hauf Mit einem angenem-unordentlichen Lauf, Mit fröhlichem Gehüpf und munterm Lermen träget. Es bilden sich hiebey die Kinder, die noch klein, Und selbst kaum gehen können, ein, Als ob auch sie die schwere Last Die sie jedoch kaum angefass't, Mit ihren zarten Fingern trügen.
Dieß sah ich an mit lächelndem Vergnügen, Und dachte: Liebster GOtt! die Kinder stellen hier Ganz eigentlich erwachs'ne Menschen für. Die Erd' ist unser Korb, und, ob wir noch so klein, So schwach, gering' und schmächtig seyn; So bilden wir uns doch, und zwar recht ernstlich ein, Ob hülfen wir sie mit regieren,
Da
Die Qvitte.
Kaum tritt der kuͤle Herbſt mit Segen-reichen Schritten, Gekroͤn’t mit reifem Obſt, in Feld und Garten ein; So brech’ ich insgemein Mit meinen Kindern reife Qvitten. Sie pflegen ſich Dabey recht inniglich zu freuen. Sie ſtellen ſich geſchwind in einer langen Reyhen. Und zwar gemeiniglich Mein Hans, mein zweyter Sohn, voran, Und reichen ſich die abgebroch’ne Frucht Einander froͤhlich zu, da ſie die Mutter dann Zuletzt in einen Korb, wenn ſie ſie ausgeſuch’t, Und abgewiſchet, leget, Den, wenn er voll, zuletzt der ganze Hauf Mit einem angenem-unordentlichen Lauf, Mit froͤhlichem Gehuͤpf und munterm Lermen traͤget. Es bilden ſich hiebey die Kinder, die noch klein, Und ſelbſt kaum gehen koͤnnen, ein, Als ob auch ſie die ſchwere Laſt Die ſie jedoch kaum angefaſſ’t, Mit ihren zarten Fingern truͤgen.
Dieß ſah ich an mit laͤchelndem Vergnuͤgen, Und dachte: Liebſter GOtt! die Kinder ſtellen hier Ganz eigentlich erwachſ’ne Menſchen fuͤr. Die Erd’ iſt unſer Korb, und, ob wir noch ſo klein, So ſchwach, gering’ und ſchmaͤchtig ſeyn; So bilden wir uns doch, und zwar recht ernſtlich ein, Ob huͤlfen wir ſie mit regieren,
Da
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Die Qvitte.
Kaum tritt der kuͤle Herbſt mit Segen-reichen Schritten,
Gekroͤn’t mit reifem Obſt, in Feld und Garten ein;
So brech’ ich insgemein
Mit meinen Kindern reife Qvitten.
Sie pflegen ſich
Dabey recht inniglich zu freuen.
Sie ſtellen ſich geſchwind in einer langen Reyhen.
Und zwar gemeiniglich
Mein Hans, mein zweyter Sohn, voran,
Und reichen ſich die abgebroch’ne Frucht
Einander froͤhlich zu, da ſie die Mutter dann
Zuletzt in einen Korb, wenn ſie ſie ausgeſuch’t,
Und abgewiſchet, leget,
Den, wenn er voll, zuletzt der ganze Hauf
Mit einem angenem-unordentlichen Lauf,
Mit froͤhlichem Gehuͤpf und munterm Lermen traͤget.
Es bilden ſich hiebey die Kinder, die noch klein,
Und ſelbſt kaum gehen koͤnnen, ein,
Als ob auch ſie die ſchwere Laſt
Die ſie jedoch kaum angefaſſ’t,
Mit ihren zarten Fingern truͤgen.
Dieß ſah ich an mit laͤchelndem Vergnuͤgen,
Und dachte: Liebſter GOtt! die Kinder ſtellen hier
Ganz eigentlich erwachſ’ne Menſchen fuͤr.
Die Erd’ iſt unſer Korb, und, ob wir noch ſo klein,
So ſchwach, gering’ und ſchmaͤchtig ſeyn;
So bilden wir uns doch, und zwar recht ernſtlich ein,
Ob huͤlfen wir ſie mit regieren,
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/410>, abgerufen am 22.02.2025.
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