Jndem ich jüngst im grünen Grase, Von einem Linden-Baum beschattet, saß und lase; Schlug ich von ungefehr die Augen auf, und sah Verschied'ne Bäume hie und da, Teils fern, teils nah, Teils halb, teils ganz im Licht, teils halb, teils ganz im Schatten, Samt ihren durch das Laub gebog'nen Aesten, stehn. Jch sah, wie sie so wunderschön Die Luft so wol als die beblühmten Matten Geschmücket und bekrönet hatten.
Damit ich nun die grüne Zier Und das dadurch so lustige Revier Der Landschaft, wenn ichs überdächte, Beschreiben und zugleich die Lust verlängern mögte, Zog ich, nebst einem Blat Papier, Ein wenig Reiß-Bley auch herfür, Und such'te, GOtt zum Ruhm, in schöner Bäume Bildern Des Schöpfers Werk in Reimen abzuschildern.
Gewiß von allem dem, was uns die Welt Als schön vor Angen stell't, Jst nichts, das nicht dem Schmuck begrün'ter Zweige weichet, Jst nichts, das einem Wald' an holder Zierde gleichet. Man siehet mit vergnüg'ter Brust
Die
S 2
Betrachtung der Baͤume.
Siehe den Wald im vorigen Theile, pag. 185.
Jndem ich juͤngſt im gruͤnen Graſe, Von einem Linden-Baum beſchattet, ſaß und laſe; Schlug ich von ungefehr die Augen auf, und ſah Verſchied’ne Baͤume hie und da, Teils fern, teils nah, Teils halb, teils ganz im Licht, teils halb, teils ganz im Schatten, Samt ihren durch das Laub gebog’nen Aeſten, ſtehn. Jch ſah, wie ſie ſo wunderſchoͤn Die Luft ſo wol als die bebluͤhmten Matten Geſchmuͤcket und bekroͤnet hatten.
Damit ich nun die gruͤne Zier Und das dadurch ſo luſtige Revier Der Landſchaft, wenn ichs uͤberdaͤchte, Beſchreiben und zugleich die Luſt verlaͤngern moͤgte, Zog ich, nebſt einem Blat Papier, Ein wenig Reiß-Bley auch herfuͤr, Und ſuch’te, GOtt zum Ruhm, in ſchoͤner Baͤume Bildern Des Schoͤpfers Werk in Reimen abzuſchildern.
Gewiß von allem dem, was uns die Welt Als ſchoͤn vor Angen ſtell’t, Jſt nichts, das nicht dem Schmuck begruͤn’ter Zweige weichet, Jſt nichts, das einem Wald’ an holder Zierde gleichet. Man ſiehet mit vergnuͤg’ter Bruſt
Die
S 2
<TEI><text><body><divn="1"><pbn="275"facs="#f0311"/><divn="2"><head><hirendition="#b">Betrachtung der Baͤume.</hi></head><lb/><cit><quote>Siehe den Wald im vorigen Theile, <hirendition="#aq">pag.</hi> 185.</quote><bibl/></cit><lb/><lgn="121"><l><hirendition="#in">J</hi>ndem ich juͤngſt im gruͤnen Graſe,</l><lb/><l>Von einem Linden-Baum beſchattet, ſaß und laſe;</l><lb/><l>Schlug ich von ungefehr die Augen auf, und ſah</l><lb/><l>Verſchied’ne Baͤume hie und da,</l><lb/><l>Teils fern, teils nah,</l><lb/><l>Teils halb, teils ganz im Licht, teils halb, teils ganz im</l><lb/><l><hirendition="#et">Schatten,</hi></l><lb/><l>Samt ihren durch das Laub gebog’nen Aeſten, ſtehn.</l><lb/><l>Jch ſah, wie ſie ſo wunderſchoͤn</l><lb/><l>Die Luft ſo wol als die bebluͤhmten Matten</l><lb/><l>Geſchmuͤcket und bekroͤnet hatten.</l></lg><lb/><lgn="122"><l>Damit ich nun die gruͤne Zier</l><lb/><l>Und das dadurch ſo luſtige Revier</l><lb/><l>Der Landſchaft, wenn ichs uͤberdaͤchte,</l><lb/><l>Beſchreiben und zugleich die Luſt verlaͤngern moͤgte,</l><lb/><l>Zog ich, nebſt einem Blat Papier,</l><lb/><l>Ein wenig Reiß-Bley auch herfuͤr,</l><lb/><l>Und ſuch’te, GOtt zum Ruhm, in ſchoͤner Baͤume Bildern</l><lb/><l>Des Schoͤpfers Werk in Reimen abzuſchildern.</l></lg><lb/><lgn="123"><l>Gewiß von allem dem, was uns die Welt</l><lb/><l>Als ſchoͤn vor Angen ſtell’t,</l><lb/><l>Jſt nichts, das nicht dem Schmuck begruͤn’ter Zweige weichet,</l><lb/><l>Jſt nichts, das einem Wald’ an holder Zierde gleichet.</l><lb/><l>Man ſiehet mit vergnuͤg’ter Bruſt</l><lb/><l><fwtype="sig"place="bottom">S 2</fw><fwtype="catch"place="bottom">Die</fw><lb/></l></lg></div></div></body></text></TEI>
[275/0311]
Betrachtung der Baͤume.
Siehe den Wald im vorigen Theile, pag. 185.
Jndem ich juͤngſt im gruͤnen Graſe,
Von einem Linden-Baum beſchattet, ſaß und laſe;
Schlug ich von ungefehr die Augen auf, und ſah
Verſchied’ne Baͤume hie und da,
Teils fern, teils nah,
Teils halb, teils ganz im Licht, teils halb, teils ganz im
Schatten,
Samt ihren durch das Laub gebog’nen Aeſten, ſtehn.
Jch ſah, wie ſie ſo wunderſchoͤn
Die Luft ſo wol als die bebluͤhmten Matten
Geſchmuͤcket und bekroͤnet hatten.
Damit ich nun die gruͤne Zier
Und das dadurch ſo luſtige Revier
Der Landſchaft, wenn ichs uͤberdaͤchte,
Beſchreiben und zugleich die Luſt verlaͤngern moͤgte,
Zog ich, nebſt einem Blat Papier,
Ein wenig Reiß-Bley auch herfuͤr,
Und ſuch’te, GOtt zum Ruhm, in ſchoͤner Baͤume Bildern
Des Schoͤpfers Werk in Reimen abzuſchildern.
Gewiß von allem dem, was uns die Welt
Als ſchoͤn vor Angen ſtell’t,
Jſt nichts, das nicht dem Schmuck begruͤn’ter Zweige weichet,
Jſt nichts, das einem Wald’ an holder Zierde gleichet.
Man ſiehet mit vergnuͤg’ter Bruſt
Die
S 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/311>, abgerufen am 04.03.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.