Sehen wir der dünnen Lüfte Grossen Kreis und weite Bahn Samt dem Wesen dieser Düfte Mit Verstand und Sinnen an; Spür't ein reges Herz aufs neue, Wie sich recht die Sele freue, Weil sie drin, für Lust entzückt, GOtt unsichtbarlich erblickt.
2.
Dieser unumschrenkten Weite Grenzen-losem Wunder-Reich, Dieser Höhe, Gröss' und Breite Jst kein' ird'sche Grösse gleich, Weil sie alle Dinge füllet, Deck't, umgibet und umhüllet, Ja den ganzen Kreis der Welt, Wie das Meer ein Fischlein, hält.
3.
Jhre Kraft, wie schwach sie scheinet, Jst dennoch unendlich groß, Da sie Felsen selbst entsteinet Ohne Schlag und ohne Stoß. Stal wird durch die Luft zerrissen; Marmor wie ein Kleid verschlissen, Und sie heisst mit Billigkeit Ein Gewehr, ein Zahn der Zeit.
4. Und
Die Luft.
1.
Sehen wir der duͤnnen Luͤfte Groſſen Kreis und weite Bahn Samt dem Weſen dieſer Duͤfte Mit Verſtand und Sinnen an; Spuͤr’t ein reges Herz aufs neue, Wie ſich recht die Sele freue, Weil ſie drin, fuͤr Luſt entzuͤckt, GOtt unſichtbarlich erblickt.
2.
Dieſer unumſchrenkten Weite Grenzen-loſem Wunder-Reich, Dieſer Hoͤhe, Groͤſſ’ und Breite Jſt kein’ ird’ſche Groͤſſe gleich, Weil ſie alle Dinge fuͤllet, Deck’t, umgibet und umhuͤllet, Ja den ganzen Kreis der Welt, Wie das Meer ein Fiſchlein, haͤlt.
3.
Jhre Kraft, wie ſchwach ſie ſcheinet, Jſt dennoch unendlich groß, Da ſie Felſen ſelbſt entſteinet Ohne Schlag und ohne Stoß. Stal wird durch die Luft zerriſſen; Marmor wie ein Kleid verſchliſſen, Und ſie heiſſt mit Billigkeit Ein Gewehr, ein Zahn der Zeit.
4. Und
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0271"n="235"/><divn="2"><head><hirendition="#b">Die Luft.</hi></head><lb/><lgn="17"><head>1.</head><lb/><l><hirendition="#in">S</hi>ehen wir der duͤnnen Luͤfte</l><lb/><l>Groſſen Kreis und weite Bahn</l><lb/><l>Samt dem Weſen dieſer Duͤfte</l><lb/><l>Mit Verſtand und Sinnen an;</l><lb/><l>Spuͤr’t ein reges Herz aufs neue,</l><lb/><l>Wie ſich recht die Sele freue,</l><lb/><l>Weil ſie drin, fuͤr Luſt entzuͤckt,</l><lb/><l>GOtt unſichtbarlich erblickt.</l></lg><lb/><lgn="18"><head>2.</head><lb/><l>Dieſer unumſchrenkten Weite</l><lb/><l>Grenzen-loſem Wunder-Reich,</l><lb/><l>Dieſer Hoͤhe, Groͤſſ’ und Breite</l><lb/><l>Jſt kein’ ird’ſche Groͤſſe gleich,</l><lb/><l>Weil ſie alle Dinge fuͤllet,</l><lb/><l>Deck’t, umgibet und umhuͤllet,</l><lb/><l>Ja den ganzen Kreis der Welt,</l><lb/><l>Wie das Meer ein Fiſchlein, haͤlt.</l></lg><lb/><lgn="19"><head>3.</head><lb/><l>Jhre Kraft, wie ſchwach ſie ſcheinet,</l><lb/><l>Jſt dennoch unendlich groß,</l><lb/><l>Da ſie Felſen ſelbſt entſteinet</l><lb/><l>Ohne Schlag und ohne Stoß.</l><lb/><l>Stal wird durch die Luft zerriſſen;</l><lb/><l>Marmor wie ein Kleid verſchliſſen,</l><lb/><l>Und ſie heiſſt mit Billigkeit</l><lb/><l>Ein Gewehr, ein Zahn der Zeit.</l></lg><lb/><fwplace="bottom"type="catch">4. Und</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[235/0271]
Die Luft.
1.
Sehen wir der duͤnnen Luͤfte
Groſſen Kreis und weite Bahn
Samt dem Weſen dieſer Duͤfte
Mit Verſtand und Sinnen an;
Spuͤr’t ein reges Herz aufs neue,
Wie ſich recht die Sele freue,
Weil ſie drin, fuͤr Luſt entzuͤckt,
GOtt unſichtbarlich erblickt.
2.
Dieſer unumſchrenkten Weite
Grenzen-loſem Wunder-Reich,
Dieſer Hoͤhe, Groͤſſ’ und Breite
Jſt kein’ ird’ſche Groͤſſe gleich,
Weil ſie alle Dinge fuͤllet,
Deck’t, umgibet und umhuͤllet,
Ja den ganzen Kreis der Welt,
Wie das Meer ein Fiſchlein, haͤlt.
3.
Jhre Kraft, wie ſchwach ſie ſcheinet,
Jſt dennoch unendlich groß,
Da ſie Felſen ſelbſt entſteinet
Ohne Schlag und ohne Stoß.
Stal wird durch die Luft zerriſſen;
Marmor wie ein Kleid verſchliſſen,
Und ſie heiſſt mit Billigkeit
Ein Gewehr, ein Zahn der Zeit.
4. Und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/271>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.