Was müssen doch die Menschen seyn, O grosser GOTT! in Deinen Augen! Sie kommen in die Welt hinein, Sie weinen, wachen, schlafen, saugen. Sie wachsen, und es wächst zugleich Die Lust-die Ehr- und Geld-Begierde. Es fraget weder arm noch reich, Jn Deiner Creaturen Zierde, Nach Deiner Ehr'! Es streb't allein Ein jeder, reich und groß zu seyn. Ein jeder folget bloß dem Schein Phantastischer Glückseligkeit. Jhr Wesen währet eine kleine, Und ihre Ruhe keine, Zeit. Ohn' End' ist ihre Sorg' und Müh; Sie suchen vieles zu erwerben, Nichts zu gebrauchen, ja sie sterben; Und wissen nicht wo, wann und wie.
Ein jeder wünscht vergnüg't zu leben, Und jeder irrt in seiner Wahl. Den einen sieht man sich bestreben Nach Reichtum sonder Mass' und Zal. Der and're such't mit heisser Brust Die wilde Gluht verbot'ner Lust: Der dritte glaubt, daß Ehr' und Pracht Der Menschen Herz vergnüglich macht.
Es
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Die Zufriedenheit.
Was muͤſſen doch die Menſchen ſeyn, O groſſer GOTT! in Deinen Augen! Sie kommen in die Welt hinein, Sie weinen, wachen, ſchlafen, ſaugen. Sie wachſen, und es waͤchſt zugleich Die Luſt-die Ehr- und Geld-Begierde. Es fraget weder arm noch reich, Jn Deiner Creaturen Zierde, Nach Deiner Ehr’! Es ſtreb’t allein Ein jeder, reich und groß zu ſeyn. Ein jeder folget bloß dem Schein Phantaſtiſcher Gluͤckſeligkeit. Jhr Weſen waͤhret eine kleine, Und ihre Ruhe keine, Zeit. Ohn’ End’ iſt ihre Sorg’ und Muͤh; Sie ſuchen vieles zu erwerben, Nichts zu gebrauchen, ja ſie ſterben; Und wiſſen nicht wo, wann und wie.
Ein jeder wuͤnſcht vergnuͤg’t zu leben, Und jeder irrt in ſeiner Wahl. Den einen ſieht man ſich beſtreben Nach Reichtum ſonder Maſſ’ und Zal. Der and’re ſuch’t mit heiſſer Bruſt Die wilde Gluht verbot’ner Luſt: Der dritte glaubt, daß Ehr’ und Pracht Der Menſchen Herz vergnuͤglich macht.
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Die Zufriedenheit.
Was muͤſſen doch die Menſchen ſeyn,
O groſſer GOTT! in Deinen Augen!
Sie kommen in die Welt hinein,
Sie weinen, wachen, ſchlafen, ſaugen.
Sie wachſen, und es waͤchſt zugleich
Die Luſt-die Ehr- und Geld-Begierde.
Es fraget weder arm noch reich,
Jn Deiner Creaturen Zierde,
Nach Deiner Ehr’! Es ſtreb’t allein
Ein jeder, reich und groß zu ſeyn.
Ein jeder folget bloß dem Schein
Phantaſtiſcher Gluͤckſeligkeit.
Jhr Weſen waͤhret eine kleine,
Und ihre Ruhe keine, Zeit.
Ohn’ End’ iſt ihre Sorg’ und Muͤh;
Sie ſuchen vieles zu erwerben,
Nichts zu gebrauchen, ja ſie ſterben;
Und wiſſen nicht wo, wann und wie.
Ein jeder wuͤnſcht vergnuͤg’t zu leben,
Und jeder irrt in ſeiner Wahl.
Den einen ſieht man ſich beſtreben
Nach Reichtum ſonder Maſſ’ und Zal.
Der and’re ſuch’t mit heiſſer Bruſt
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Der Menſchen Herz vergnuͤglich macht.
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/263>, abgerufen am 22.02.2025.
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