Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727.

Bild:
<< vorherige Seite
Der wilde Rosen-Strauch.
Jch sah von ungefehr
Jüngst einen Rosen-Strauch, der wild,
Und welcher rings umher erfüllt
Mit einem ganzen Bluhmen-Heer,
Auf vier und zwanzig Fuß hoch in die Höhe steigen
Recht mitten zwischen Erlen-Zweigen,
Die ihn bisher mit Laub und Schatten
Bedecket und verstecket hatten;
Und eben diese Dunkelheit
Erhub der Farben Schmuck, der Bildung Zierlichkeit
So sehr, daß ich zuerst recht stutzte, stehen blieb,
Und als ich sie, wie sie so wunderschön,
Hatt' eine Zeitlang angesehn;
Dieß voll Vergnügen nieder schrieb:
Bewund'rungs-wehrter Strauch, wo kommst du her?
Wer setzte, pflanzt' und pfleg'te dich?
Er kam von ungefehr, wird mancher sprechen.
Jch aber kann mich, hier zu sagen, nicht entbrechen:
Dieß Ungefehr ist nicht von ungefehr.
Jch kann aufs wenigste nicht anders denken,
Als daß die spielende Natur
Beschlossen, dich hier einzusenken,
Damit an deiner Pracht,
An deiner selt'nen Höhe
Ein frommes Auge GOttes Macht
Voll Lust und mit Verwund'rung sehe.

Es
Der wilde Roſen-Strauch.
Jch ſah von ungefehr
Juͤngſt einen Roſen-Strauch, der wild,
Und welcher rings umher erfuͤllt
Mit einem ganzen Bluhmen-Heer,
Auf vier und zwanzig Fuß hoch in die Hoͤhe ſteigen
Recht mitten zwiſchen Erlen-Zweigen,
Die ihn bisher mit Laub und Schatten
Bedecket und verſtecket hatten;
Und eben dieſe Dunkelheit
Erhub der Farben Schmuck, der Bildung Zierlichkeit
So ſehr, daß ich zuerſt recht ſtutzte, ſtehen blieb,
Und als ich ſie, wie ſie ſo wunderſchoͤn,
Hatt’ eine Zeitlang angeſehn;
Dieß voll Vergnuͤgen nieder ſchrieb:
Bewund’rungs-wehrter Strauch, wo kommſt du her?
Wer ſetzte, pflanzt’ und pfleg’te dich?
Er kam von ungefehr, wird mancher ſprechen.
Jch aber kann mich, hier zu ſagen, nicht entbrechen:
Dieß Ungefehr iſt nicht von ungefehr.
Jch kann aufs wenigſte nicht anders denken,
Als daß die ſpielende Natur
Beſchloſſen, dich hier einzuſenken,
Damit an deiner Pracht,
An deiner ſelt’nen Hoͤhe
Ein frommes Auge GOttes Macht
Voll Luſt und mit Verwund’rung ſehe.

Es
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0208" n="172"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Der wilde Ro&#x017F;en-Strauch.</hi> </head><lb/>
          <lg n="1">
            <l><hi rendition="#in">J</hi>ch &#x017F;ah von ungefehr</l><lb/>
            <l>Ju&#x0364;ng&#x017F;t einen Ro&#x017F;en-Strauch, der wild,</l><lb/>
            <l>Und welcher rings umher erfu&#x0364;llt</l><lb/>
            <l>Mit einem ganzen Bluhmen-Heer,</l><lb/>
            <l>Auf vier und zwanzig Fuß hoch in die Ho&#x0364;he &#x017F;teigen</l><lb/>
            <l>Recht mitten zwi&#x017F;chen Erlen-Zweigen,</l><lb/>
            <l>Die ihn bisher mit Laub und Schatten</l><lb/>
            <l>Bedecket und ver&#x017F;tecket hatten;</l><lb/>
            <l>Und eben die&#x017F;e Dunkelheit</l><lb/>
            <l>Erhub der Farben Schmuck, der Bildung Zierlichkeit</l><lb/>
            <l>So &#x017F;ehr, daß ich zuer&#x017F;t recht &#x017F;tutzte, &#x017F;tehen blieb,</l><lb/>
            <l>Und als ich &#x017F;ie, wie &#x017F;ie &#x017F;o wunder&#x017F;cho&#x0364;n,</l><lb/>
            <l>Hatt&#x2019; eine Zeitlang ange&#x017F;ehn;</l><lb/>
            <l>Dieß voll Vergnu&#x0364;gen nieder &#x017F;chrieb:</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="2">
            <l>Bewund&#x2019;rungs-wehrter Strauch, wo komm&#x017F;t du her?</l><lb/>
            <l>Wer &#x017F;etzte, pflanzt&#x2019; und pfleg&#x2019;te dich?</l><lb/>
            <l>Er kam von ungefehr, wird mancher &#x017F;prechen.</l><lb/>
            <l>Jch aber kann mich, hier zu &#x017F;agen, nicht entbrechen:</l><lb/>
            <l>Dieß Ungefehr i&#x017F;t nicht von ungefehr.</l><lb/>
            <l>Jch kann aufs wenig&#x017F;te nicht anders denken,</l><lb/>
            <l>Als daß die &#x017F;pielende Natur</l><lb/>
            <l>Be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, dich hier einzu&#x017F;enken,</l><lb/>
            <l>Damit an deiner Pracht,</l><lb/>
            <l>An deiner &#x017F;elt&#x2019;nen Ho&#x0364;he</l><lb/>
            <l>Ein frommes Auge GOttes Macht</l><lb/>
            <l>Voll Lu&#x017F;t und mit Verwund&#x2019;rung &#x017F;ehe.</l><lb/>
            <l>
              <fw place="bottom" type="catch">Es</fw><lb/>
            </l>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[172/0208] Der wilde Roſen-Strauch. Jch ſah von ungefehr Juͤngſt einen Roſen-Strauch, der wild, Und welcher rings umher erfuͤllt Mit einem ganzen Bluhmen-Heer, Auf vier und zwanzig Fuß hoch in die Hoͤhe ſteigen Recht mitten zwiſchen Erlen-Zweigen, Die ihn bisher mit Laub und Schatten Bedecket und verſtecket hatten; Und eben dieſe Dunkelheit Erhub der Farben Schmuck, der Bildung Zierlichkeit So ſehr, daß ich zuerſt recht ſtutzte, ſtehen blieb, Und als ich ſie, wie ſie ſo wunderſchoͤn, Hatt’ eine Zeitlang angeſehn; Dieß voll Vergnuͤgen nieder ſchrieb: Bewund’rungs-wehrter Strauch, wo kommſt du her? Wer ſetzte, pflanzt’ und pfleg’te dich? Er kam von ungefehr, wird mancher ſprechen. Jch aber kann mich, hier zu ſagen, nicht entbrechen: Dieß Ungefehr iſt nicht von ungefehr. Jch kann aufs wenigſte nicht anders denken, Als daß die ſpielende Natur Beſchloſſen, dich hier einzuſenken, Damit an deiner Pracht, An deiner ſelt’nen Hoͤhe Ein frommes Auge GOttes Macht Voll Luſt und mit Verwund’rung ſehe. Es

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/208
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/208>, abgerufen am 21.12.2024.