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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Ein Blick auf das Leben der Gesammtheit.


"Den Vogel erkennt man an seinen Federn." Mit diesem Sprüchworte unterscheidet
das Volk sehr richtig die Vögel von allen übrigen Wirbelthieren; und wenn man ihm hinzufügt, daß
sich die Kinnladen der gefiederten Rückgratthiere in einen hornartigen Schnabel, die Vorderglieder
in Flügel umgebildet haben, also nur noch zwei Beine vorhanden, wird man auch dem Natur-
forscher gerecht.

So abweichend gebaut der Vogel zu sein scheint, so große Aehnlichkeit zeigt sein Geripp mit
dem der Säugethiere. "Der dem letzteren zu Grunde liegende Plan wiederholt sich", wie Pöppig
treffend bemerkt, "mit den nöthigen Abänderungen auch am Vogel. Was dem in der Knochenlehre
minder Geübten als neu an diesem erscheint, beruht in den meisten Fällen auf Umgestaltung und
veränderten Zahlenverhältnissen. Gewisse Knochen, z. B. das Wadenbein, scheinen dem Vogel zu
fehlen, andere, wie die aus sieben Stücken bestehende Unterkinnlade, in ungewöhnlicher Anzahl vor-
handen zu sein. Jm ersteren Falle ist eine Zusammenziehung vorgegangen, im letzteren trat Zer-
fällung eines am Säugethiere einfachen oder höchstens aus zwei Hälften bestehenden Knochens ein."
Um den Bau des Vogels in seinen gröbsten Umrissen zu beschreiben, mag Nachstehendes bemerkt
sein: -- das Ausführliche gehört nicht in das "Thierleben", sondern in Werke, welche die Zer-
gliederungskunst zum Gegenstande haben.

Der Kopf besteht aus dem Schädel und aus dem Gesichtstheile. Ersterer ist stark gewölbt und
wird aus verschiedenen Knochen zusammengesetzt, deren verbindende Nähte in der Jugend deutlich
sichtbar, im Alter so mit einander verwachsen, daß keine Spur mehr von der vormaligen Trennung
übrig bleibt. Die das Gesicht bildenden Knochen sind klein, aber besonders verlängert; sie bestehen
aus zwei Oberkieferbeinen, den Pflugscharknochen, den Quadratknochen, den Verbindungsbeinen und
den Unterkiefern. Bemerkenswerth ist die Größe der Augenhöhlen und die Dünne der zwischen-
liegenden Wand, welche auch durchbrochen sein kann, sowie der einfache Gelenkknopf am Hinter-
hauptsloche, welcher größere Beweglichkeit des Schädels ermöglicht, als sie beim Kopfe des
Säugethieres stattfinden kann. An der Wirbelsäule unterscheidet man Hals-, Rücken-, Becken-
und Schwanzwirbel. Erstere schwanken an Zahl zwischen neun und dreiundzwanzig und zeichnen sich
aus durch ihre Beweglichkeit, während die sieben bis elf Rumpfwirbel und die sieben bis zwanzig
Lenden- oder Kreuzwirbel im Gegentheile sehr unbeweglich sind und oft mit einander verschmelzen.
Jm Gegensatze zu dem entsprechenden Theile der Säugethiere ändert die Anzahl der Schwanzwirbel
wenig ab: sie schwankt nur zwischen fünf und neun, und ebenso sind diese Wirbel stets vollkommner
ausgebildet als bei den Säugethieren, was sich namentlich an dem letzten, dem Träger der großen
Steuerfedern, bemerklich macht; denn dieser Wirbel stellt sich als eine hohe, drei- oder vierseitige
Knochenplatte dar. Die dünnen und breiten Rippen, deren Anzahl mit jener der Rückenwirbel im
Einklange steht, gelenken an letzteren und durch besondere Knochenkörper am Brustbeine, tragen auch
mit Ausnahme der ersten und letzten am hinteren Rande hakenförmige Fortsätze, welche sich auf dem

Ein Blick auf das Leben der Geſammtheit.


Den Vogel erkennt man an ſeinen Federn.“ Mit dieſem Sprüchworte unterſcheidet
das Volk ſehr richtig die Vögel von allen übrigen Wirbelthieren; und wenn man ihm hinzufügt, daß
ſich die Kinnladen der gefiederten Rückgratthiere in einen hornartigen Schnabel, die Vorderglieder
in Flügel umgebildet haben, alſo nur noch zwei Beine vorhanden, wird man auch dem Natur-
forſcher gerecht.

So abweichend gebaut der Vogel zu ſein ſcheint, ſo große Aehnlichkeit zeigt ſein Geripp mit
dem der Säugethiere. „Der dem letzteren zu Grunde liegende Plan wiederholt ſich“, wie Pöppig
treffend bemerkt, „mit den nöthigen Abänderungen auch am Vogel. Was dem in der Knochenlehre
minder Geübten als neu an dieſem erſcheint, beruht in den meiſten Fällen auf Umgeſtaltung und
veränderten Zahlenverhältniſſen. Gewiſſe Knochen, z. B. das Wadenbein, ſcheinen dem Vogel zu
fehlen, andere, wie die aus ſieben Stücken beſtehende Unterkinnlade, in ungewöhnlicher Anzahl vor-
handen zu ſein. Jm erſteren Falle iſt eine Zuſammenziehung vorgegangen, im letzteren trat Zer-
fällung eines am Säugethiere einfachen oder höchſtens aus zwei Hälften beſtehenden Knochens ein.“
Um den Bau des Vogels in ſeinen gröbſten Umriſſen zu beſchreiben, mag Nachſtehendes bemerkt
ſein: — das Ausführliche gehört nicht in das „Thierleben“, ſondern in Werke, welche die Zer-
gliederungskunſt zum Gegenſtande haben.

Der Kopf beſteht aus dem Schädel und aus dem Geſichtstheile. Erſterer iſt ſtark gewölbt und
wird aus verſchiedenen Knochen zuſammengeſetzt, deren verbindende Nähte in der Jugend deutlich
ſichtbar, im Alter ſo mit einander verwachſen, daß keine Spur mehr von der vormaligen Trennung
übrig bleibt. Die das Geſicht bildenden Knochen ſind klein, aber beſonders verlängert; ſie beſtehen
aus zwei Oberkieferbeinen, den Pflugſcharknochen, den Quadratknochen, den Verbindungsbeinen und
den Unterkiefern. Bemerkenswerth iſt die Größe der Augenhöhlen und die Dünne der zwiſchen-
liegenden Wand, welche auch durchbrochen ſein kann, ſowie der einfache Gelenkknopf am Hinter-
hauptsloche, welcher größere Beweglichkeit des Schädels ermöglicht, als ſie beim Kopfe des
Säugethieres ſtattfinden kann. An der Wirbelſäule unterſcheidet man Hals-, Rücken-, Becken-
und Schwanzwirbel. Erſtere ſchwanken an Zahl zwiſchen neun und dreiundzwanzig und zeichnen ſich
aus durch ihre Beweglichkeit, während die ſieben bis elf Rumpfwirbel und die ſieben bis zwanzig
Lenden- oder Kreuzwirbel im Gegentheile ſehr unbeweglich ſind und oft mit einander verſchmelzen.
Jm Gegenſatze zu dem entſprechenden Theile der Säugethiere ändert die Anzahl der Schwanzwirbel
wenig ab: ſie ſchwankt nur zwiſchen fünf und neun, und ebenſo ſind dieſe Wirbel ſtets vollkommner
ausgebildet als bei den Säugethieren, was ſich namentlich an dem letzten, dem Träger der großen
Steuerfedern, bemerklich macht; denn dieſer Wirbel ſtellt ſich als eine hohe, drei- oder vierſeitige
Knochenplatte dar. Die dünnen und breiten Rippen, deren Anzahl mit jener der Rückenwirbel im
Einklange ſteht, gelenken an letzteren und durch beſondere Knochenkörper am Bruſtbeine, tragen auch
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[[973]/1027] Ein Blick auf das Leben der Geſammtheit. „Den Vogel erkennt man an ſeinen Federn.“ Mit dieſem Sprüchworte unterſcheidet das Volk ſehr richtig die Vögel von allen übrigen Wirbelthieren; und wenn man ihm hinzufügt, daß ſich die Kinnladen der gefiederten Rückgratthiere in einen hornartigen Schnabel, die Vorderglieder in Flügel umgebildet haben, alſo nur noch zwei Beine vorhanden, wird man auch dem Natur- forſcher gerecht. So abweichend gebaut der Vogel zu ſein ſcheint, ſo große Aehnlichkeit zeigt ſein Geripp mit dem der Säugethiere. „Der dem letzteren zu Grunde liegende Plan wiederholt ſich“, wie Pöppig treffend bemerkt, „mit den nöthigen Abänderungen auch am Vogel. Was dem in der Knochenlehre minder Geübten als neu an dieſem erſcheint, beruht in den meiſten Fällen auf Umgeſtaltung und veränderten Zahlenverhältniſſen. Gewiſſe Knochen, z. B. das Wadenbein, ſcheinen dem Vogel zu fehlen, andere, wie die aus ſieben Stücken beſtehende Unterkinnlade, in ungewöhnlicher Anzahl vor- handen zu ſein. Jm erſteren Falle iſt eine Zuſammenziehung vorgegangen, im letzteren trat Zer- fällung eines am Säugethiere einfachen oder höchſtens aus zwei Hälften beſtehenden Knochens ein.“ Um den Bau des Vogels in ſeinen gröbſten Umriſſen zu beſchreiben, mag Nachſtehendes bemerkt ſein: — das Ausführliche gehört nicht in das „Thierleben“, ſondern in Werke, welche die Zer- gliederungskunſt zum Gegenſtande haben. Der Kopf beſteht aus dem Schädel und aus dem Geſichtstheile. Erſterer iſt ſtark gewölbt und wird aus verſchiedenen Knochen zuſammengeſetzt, deren verbindende Nähte in der Jugend deutlich ſichtbar, im Alter ſo mit einander verwachſen, daß keine Spur mehr von der vormaligen Trennung übrig bleibt. Die das Geſicht bildenden Knochen ſind klein, aber beſonders verlängert; ſie beſtehen aus zwei Oberkieferbeinen, den Pflugſcharknochen, den Quadratknochen, den Verbindungsbeinen und den Unterkiefern. Bemerkenswerth iſt die Größe der Augenhöhlen und die Dünne der zwiſchen- liegenden Wand, welche auch durchbrochen ſein kann, ſowie der einfache Gelenkknopf am Hinter- hauptsloche, welcher größere Beweglichkeit des Schädels ermöglicht, als ſie beim Kopfe des Säugethieres ſtattfinden kann. An der Wirbelſäule unterſcheidet man Hals-, Rücken-, Becken- und Schwanzwirbel. Erſtere ſchwanken an Zahl zwiſchen neun und dreiundzwanzig und zeichnen ſich aus durch ihre Beweglichkeit, während die ſieben bis elf Rumpfwirbel und die ſieben bis zwanzig Lenden- oder Kreuzwirbel im Gegentheile ſehr unbeweglich ſind und oft mit einander verſchmelzen. Jm Gegenſatze zu dem entſprechenden Theile der Säugethiere ändert die Anzahl der Schwanzwirbel wenig ab: ſie ſchwankt nur zwiſchen fünf und neun, und ebenſo ſind dieſe Wirbel ſtets vollkommner ausgebildet als bei den Säugethieren, was ſich namentlich an dem letzten, dem Träger der großen Steuerfedern, bemerklich macht; denn dieſer Wirbel ſtellt ſich als eine hohe, drei- oder vierſeitige Knochenplatte dar. Die dünnen und breiten Rippen, deren Anzahl mit jener der Rückenwirbel im Einklange ſteht, gelenken an letzteren und durch beſondere Knochenkörper am Bruſtbeine, tragen auch mit Ausnahme der erſten und letzten am hinteren Rande hakenförmige Fortſätze, welche ſich auf dem

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. [973]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/1027>, abgerufen am 19.11.2024.