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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832.

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Die Temperatur des Wassers auf dem Boden tiefer Gewässer
wird fast immer niedrig gefunden, z. B. in den Schweitzerseen so
groß wie die der größten Dichtigkeit des Wassers entsprechende
Wärme *), und in den Tiefen der Meere auch sehr bedeutend
niedriger als an der Oberfläche. Dieses läßt sich ziemlich leicht
erklären, weil die Sonnenstrahlen mit ihrer Erwärmung gewiß
immer nur sehr wenig tief in das Wasser eindringen und daher
nur die obern Theile die höhere Temperatur der Luft im Sommer
unmittelbar erhalten. Da nun diese durch die Erwärmung leichter
werdenden Theilchen kein Bestreben haben zu sinken, sondern fort-
während ihre Stelle an der Oberfläche behalten, so findet kein
erhebliches Durchwärmen des Wassers in die Tiefe hinab statt,
nämlich nicht weiter hinab, als Wellenbewegung oder Strömung
es bewirken. Die Abkühlung dagegen, welche in den kälteren
Jahreszeiten, zumal bei Frost und anhaltend kaltem Wetter, ein-
tritt, verbreitet sich sogleich hinabwärts weil die obern Theilchen,
sobald sie schwerer werden als die unteren, sich hinabwärts senken,
und die wärmeren Theile zum Heraufsteigen veranlassen. So ist
also ein deutlicher Grund vorhanden, warum am Boden tiefer Ge-
wässer ungefähr die kälteste Lufttemperatur, die an dem Orte im
Laufe des Jahres vorkömmt, gefunden werden muß, so lange diese
Temperatur höher als die der größten Dichtigkeit entsprechende
Wärme ist; eine tiefere Temperatur als die der größten Dichtigkeit
entsprechende kann (ohne besondre Veranlassung,) am Boden süßer
Wasser nie eintreten, weil das Niedersinken kälterer Wassertheilchen
(z. B. von 1°, von 1/2 Gr. Wärme,) unter jene nicht statt findet.
Im Meere dagegen kann, weil Salzwasser keine solche größte
Dichtigkeit, von welcher an es sich sowohl im Abkühlen als im
Erwärmen ausdehnte, erreicht, die Temperatur bis zur Gefrier-
kälte herabgehen, und Perons Beobachtung, daß die Tempera-
tur wirklich so sehr niedrig am Boden der Meere ist, ließe sich
hiernach einsehen, wenn nicht doch noch zwei Umstände dabei im
Wege ständen. Der erste ist, daß Peron diese sehr niedrige
Temperatur auch in den Tropengegenden, wo die Luft nie so kalt
wird, beobachtet hat, der andre, daß wir der Erde, also doch auch

*) Nach von Buch und andern. Gilb. Ann. XIX. 141. XX. 312.

Die Temperatur des Waſſers auf dem Boden tiefer Gewaͤſſer
wird faſt immer niedrig gefunden, z. B. in den Schweitzerſeen ſo
groß wie die der groͤßten Dichtigkeit des Waſſers entſprechende
Waͤrme *), und in den Tiefen der Meere auch ſehr bedeutend
niedriger als an der Oberflaͤche. Dieſes laͤßt ſich ziemlich leicht
erklaͤren, weil die Sonnenſtrahlen mit ihrer Erwaͤrmung gewiß
immer nur ſehr wenig tief in das Waſſer eindringen und daher
nur die obern Theile die hoͤhere Temperatur der Luft im Sommer
unmittelbar erhalten. Da nun dieſe durch die Erwaͤrmung leichter
werdenden Theilchen kein Beſtreben haben zu ſinken, ſondern fort-
waͤhrend ihre Stelle an der Oberflaͤche behalten, ſo findet kein
erhebliches Durchwaͤrmen des Waſſers in die Tiefe hinab ſtatt,
naͤmlich nicht weiter hinab, als Wellenbewegung oder Stroͤmung
es bewirken. Die Abkuͤhlung dagegen, welche in den kaͤlteren
Jahreszeiten, zumal bei Froſt und anhaltend kaltem Wetter, ein-
tritt, verbreitet ſich ſogleich hinabwaͤrts weil die obern Theilchen,
ſobald ſie ſchwerer werden als die unteren, ſich hinabwaͤrts ſenken,
und die waͤrmeren Theile zum Heraufſteigen veranlaſſen. So iſt
alſo ein deutlicher Grund vorhanden, warum am Boden tiefer Ge-
waͤſſer ungefaͤhr die kaͤlteſte Lufttemperatur, die an dem Orte im
Laufe des Jahres vorkoͤmmt, gefunden werden muß, ſo lange dieſe
Temperatur hoͤher als die der groͤßten Dichtigkeit entſprechende
Waͤrme iſt; eine tiefere Temperatur als die der groͤßten Dichtigkeit
entſprechende kann (ohne beſondre Veranlaſſung,) am Boden ſuͤßer
Waſſer nie eintreten, weil das Niederſinken kaͤlterer Waſſertheilchen
(z. B. von 1°, von ½ Gr. Waͤrme,) unter jene nicht ſtatt findet.
Im Meere dagegen kann, weil Salzwaſſer keine ſolche groͤßte
Dichtigkeit, von welcher an es ſich ſowohl im Abkuͤhlen als im
Erwaͤrmen ausdehnte, erreicht, die Temperatur bis zur Gefrier-
kaͤlte herabgehen, und Perons Beobachtung, daß die Tempera-
tur wirklich ſo ſehr niedrig am Boden der Meere iſt, ließe ſich
hiernach einſehen, wenn nicht doch noch zwei Umſtaͤnde dabei im
Wege ſtaͤnden. Der erſte iſt, daß Peron dieſe ſehr niedrige
Temperatur auch in den Tropengegenden, wo die Luft nie ſo kalt
wird, beobachtet hat, der andre, daß wir der Erde, alſo doch auch

*) Nach von Buch und andern. Gilb. Ann. XIX. 141. XX. 312.
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[30/0044] Die Temperatur des Waſſers auf dem Boden tiefer Gewaͤſſer wird faſt immer niedrig gefunden, z. B. in den Schweitzerſeen ſo groß wie die der groͤßten Dichtigkeit des Waſſers entſprechende Waͤrme *), und in den Tiefen der Meere auch ſehr bedeutend niedriger als an der Oberflaͤche. Dieſes laͤßt ſich ziemlich leicht erklaͤren, weil die Sonnenſtrahlen mit ihrer Erwaͤrmung gewiß immer nur ſehr wenig tief in das Waſſer eindringen und daher nur die obern Theile die hoͤhere Temperatur der Luft im Sommer unmittelbar erhalten. Da nun dieſe durch die Erwaͤrmung leichter werdenden Theilchen kein Beſtreben haben zu ſinken, ſondern fort- waͤhrend ihre Stelle an der Oberflaͤche behalten, ſo findet kein erhebliches Durchwaͤrmen des Waſſers in die Tiefe hinab ſtatt, naͤmlich nicht weiter hinab, als Wellenbewegung oder Stroͤmung es bewirken. Die Abkuͤhlung dagegen, welche in den kaͤlteren Jahreszeiten, zumal bei Froſt und anhaltend kaltem Wetter, ein- tritt, verbreitet ſich ſogleich hinabwaͤrts weil die obern Theilchen, ſobald ſie ſchwerer werden als die unteren, ſich hinabwaͤrts ſenken, und die waͤrmeren Theile zum Heraufſteigen veranlaſſen. So iſt alſo ein deutlicher Grund vorhanden, warum am Boden tiefer Ge- waͤſſer ungefaͤhr die kaͤlteſte Lufttemperatur, die an dem Orte im Laufe des Jahres vorkoͤmmt, gefunden werden muß, ſo lange dieſe Temperatur hoͤher als die der groͤßten Dichtigkeit entſprechende Waͤrme iſt; eine tiefere Temperatur als die der groͤßten Dichtigkeit entſprechende kann (ohne beſondre Veranlaſſung,) am Boden ſuͤßer Waſſer nie eintreten, weil das Niederſinken kaͤlterer Waſſertheilchen (z. B. von 1°, von ½ Gr. Waͤrme,) unter jene nicht ſtatt findet. Im Meere dagegen kann, weil Salzwaſſer keine ſolche groͤßte Dichtigkeit, von welcher an es ſich ſowohl im Abkuͤhlen als im Erwaͤrmen ausdehnte, erreicht, die Temperatur bis zur Gefrier- kaͤlte herabgehen, und Perons Beobachtung, daß die Tempera- tur wirklich ſo ſehr niedrig am Boden der Meere iſt, ließe ſich hiernach einſehen, wenn nicht doch noch zwei Umſtaͤnde dabei im Wege ſtaͤnden. Der erſte iſt, daß Peron dieſe ſehr niedrige Temperatur auch in den Tropengegenden, wo die Luft nie ſo kalt wird, beobachtet hat, der andre, daß wir der Erde, alſo doch auch *) Nach von Buch und andern. Gilb. Ann. XIX. 141. XX. 312.

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/44>, abgerufen am 26.04.2024.