wasser kälter ist, als bei großer Tiefe. J. Davy erklärt dies dar- aus, daß die kältern Wassertheilchen in eine gleichsam unermeßliche Tiefe hinab sinken, da wo die Tiefe des Meeres dies erlaubt, da- gegen doch nur bis an den Boden hinabsinken können, wenn dieser nicht so entfernt ist, im letztern Falle also durch ihre Nähe das Wasser auch in geringer Tiefe unter der Oberfläche abkühlen. Bei sehr flachem Wasser erwärmen die Sonnenstrahlen den Boden selbst, und da findet jene Kälte über Untiefen also endlich nicht mehr statt *).
Wasserlöcher auf den Alpen.
Als einen merkwürdigen Beweis dafür, daß das Wasser bei seiner größten Dichtigkeit noch fähig sei, Eis zu schmelzen, führt Rumford folgende Erfahrung an. Die Alpenreisenden finden manchmal auf dem Gletscher-Eise tiefe Wasserlöcher, die bei gerin- gem Durchmesser eine Tiefe von 4 Fuß erlangen und bis oben mit Wasser gefüllt sind. Sie entstehen während des Sommers und vertiefen sich, so lange es oben hinreichend warm ist; dieses allmählige Vertiefen aber wird offenbar dadurch bewirkt, daß die größte Dichtigkeit des Wassers einer Wärme entspricht, die erheb- lich höher als die Kälte des aufthauenden Eises ist. Es erhellt nämlich leicht, daß unmittelbar am Boden des Wasserloches, wo es sich in einer Eismasse endigt, die Gefrierkälte statt findet; die hier sich eben auflösenden Wassertheilchen sind aber leichter, als die um etwa 1 bis 4 Grad mehr erwärmten, die sich in der Mitte der Wassermasse befinden, und jene steigen daher hinauf, um diesen Platz zu machen; so gelangen Wassertheilchen an den Eisboden, die warm genug sind, um wieder einige Eistheilchen in Was- ser zu verwandeln, und da sie bei ihrem Abkühlen wieder auf- steigen und durch neue ersetzt werden, so dauert dieses langsam fortschreitende Aufthauen so lange fort, als die Sonnenstrahlen das obere Wasser noch immer ein wenig über den Gefrierpunct erwärmen.
Luftströmungen.
Ueber die Abhängigkeit der Luftströmungen und der Winde von der ungleichen Erwärmung der Luft habe ich schon bei einer
*)Gilb. Ann. LXVI. 140.
waſſer kaͤlter iſt, als bei großer Tiefe. J. Davy erklaͤrt dies dar- aus, daß die kaͤltern Waſſertheilchen in eine gleichſam unermeßliche Tiefe hinab ſinken, da wo die Tiefe des Meeres dies erlaubt, da- gegen doch nur bis an den Boden hinabſinken koͤnnen, wenn dieſer nicht ſo entfernt iſt, im letztern Falle alſo durch ihre Naͤhe das Waſſer auch in geringer Tiefe unter der Oberflaͤche abkuͤhlen. Bei ſehr flachem Waſſer erwaͤrmen die Sonnenſtrahlen den Boden ſelbſt, und da findet jene Kaͤlte uͤber Untiefen alſo endlich nicht mehr ſtatt *).
Waſſerloͤcher auf den Alpen.
Als einen merkwuͤrdigen Beweis dafuͤr, daß das Waſſer bei ſeiner groͤßten Dichtigkeit noch faͤhig ſei, Eis zu ſchmelzen, fuͤhrt Rumford folgende Erfahrung an. Die Alpenreiſenden finden manchmal auf dem Gletſcher-Eiſe tiefe Waſſerloͤcher, die bei gerin- gem Durchmeſſer eine Tiefe von 4 Fuß erlangen und bis oben mit Waſſer gefuͤllt ſind. Sie entſtehen waͤhrend des Sommers und vertiefen ſich, ſo lange es oben hinreichend warm iſt; dieſes allmaͤhlige Vertiefen aber wird offenbar dadurch bewirkt, daß die groͤßte Dichtigkeit des Waſſers einer Waͤrme entſpricht, die erheb- lich hoͤher als die Kaͤlte des aufthauenden Eiſes iſt. Es erhellt naͤmlich leicht, daß unmittelbar am Boden des Waſſerloches, wo es ſich in einer Eismaſſe endigt, die Gefrierkaͤlte ſtatt findet; die hier ſich eben aufloͤſenden Waſſertheilchen ſind aber leichter, als die um etwa 1 bis 4 Grad mehr erwaͤrmten, die ſich in der Mitte der Waſſermaſſe befinden, und jene ſteigen daher hinauf, um dieſen Platz zu machen; ſo gelangen Waſſertheilchen an den Eisboden, die warm genug ſind, um wieder einige Eistheilchen in Waſ- ſer zu verwandeln, und da ſie bei ihrem Abkuͤhlen wieder auf- ſteigen und durch neue erſetzt werden, ſo dauert dieſes langſam fortſchreitende Aufthauen ſo lange fort, als die Sonnenſtrahlen das obere Waſſer noch immer ein wenig uͤber den Gefrierpunct erwaͤrmen.
Luftſtroͤmungen.
Ueber die Abhaͤngigkeit der Luftſtroͤmungen und der Winde von der ungleichen Erwaͤrmung der Luft habe ich ſchon bei einer
*)Gilb. Ann. LXVI. 140.
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waſſer kaͤlter iſt, als bei großer Tiefe. J. Davy erklaͤrt dies dar-
aus, daß die kaͤltern Waſſertheilchen in eine gleichſam unermeßliche
Tiefe hinab ſinken, da wo die Tiefe des Meeres dies erlaubt, da-
gegen doch nur bis an den Boden hinabſinken koͤnnen, wenn dieſer
nicht ſo entfernt iſt, im letztern Falle alſo durch ihre Naͤhe das
Waſſer auch in geringer Tiefe unter der Oberflaͤche abkuͤhlen. Bei
ſehr flachem Waſſer erwaͤrmen die Sonnenſtrahlen den Boden
ſelbſt, und da findet jene Kaͤlte uͤber Untiefen alſo endlich nicht
mehr ſtatt *).
Waſſerloͤcher auf den Alpen.
Als einen merkwuͤrdigen Beweis dafuͤr, daß das Waſſer bei
ſeiner groͤßten Dichtigkeit noch faͤhig ſei, Eis zu ſchmelzen, fuͤhrt
Rumford folgende Erfahrung an. Die Alpenreiſenden finden
manchmal auf dem Gletſcher-Eiſe tiefe Waſſerloͤcher, die bei gerin-
gem Durchmeſſer eine Tiefe von 4 Fuß erlangen und bis oben
mit Waſſer gefuͤllt ſind. Sie entſtehen waͤhrend des Sommers
und vertiefen ſich, ſo lange es oben hinreichend warm iſt; dieſes
allmaͤhlige Vertiefen aber wird offenbar dadurch bewirkt, daß die
groͤßte Dichtigkeit des Waſſers einer Waͤrme entſpricht, die erheb-
lich hoͤher als die Kaͤlte des aufthauenden Eiſes iſt. Es erhellt
naͤmlich leicht, daß unmittelbar am Boden des Waſſerloches, wo es
ſich in einer Eismaſſe endigt, die Gefrierkaͤlte ſtatt findet; die hier
ſich eben aufloͤſenden Waſſertheilchen ſind aber leichter, als die um
etwa 1 bis 4 Grad mehr erwaͤrmten, die ſich in der Mitte der
Waſſermaſſe befinden, und jene ſteigen daher hinauf, um dieſen
Platz zu machen; ſo gelangen Waſſertheilchen an den Eisboden,
die warm genug ſind, um wieder einige Eistheilchen in Waſ-
ſer zu verwandeln, und da ſie bei ihrem Abkuͤhlen wieder auf-
ſteigen und durch neue erſetzt werden, ſo dauert dieſes langſam
fortſchreitende Aufthauen ſo lange fort, als die Sonnenſtrahlen
das obere Waſſer noch immer ein wenig uͤber den Gefrierpunct
erwaͤrmen.
Luftſtroͤmungen.
Ueber die Abhaͤngigkeit der Luftſtroͤmungen und der Winde
von der ungleichen Erwaͤrmung der Luft habe ich ſchon bei einer
*) Gilb. Ann. LXVI. 140.
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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/46>, abgerufen am 21.12.2024.
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