Künstliche Kälte, durch Mischungen hervorgebracht.
Aus den Erscheinungen der latent werdenden Wärme beim Aufthauen lassen sich die hohen Kältegrade erklären, die man durch Mischungen von Salzen und Schnee oder von Salzen und Säuren hervorbringt. Indem nämlich diese Körper in den flüssigen Zustand übergehen, reißen sie die Wärme mit großer Gewalt an sich, und kühlen die benachbarten Körper stark ab. Schon gewöhnliches Salz mit Schnee gemischt bringt eine viel größere Kälte hervor als bloß schmelzender Schnee, noch wirksamer aber ist eine Mischung von salzsaurem Kalk (fixem Salmiak) mit Schnee. Wenn der salzsaure Kalk crystallisirt und dann zerstoßen ist, so muß man ungefähr dop- pelt so viel von demselben als vom Schnee nehmen und diese Kör- per schichtenweise mischen; dann entsteht eine bis auf 40 Reaum. Grade gehende Kälte, in welcher das Quecksilber gefriert. Man thut wohl, den Versuch nur in einer Umgebung, wo es wenigstens 6 bis 8 Gr. R. kalt ist, anzustellen, und sich eines weiteren Gefäßes mit Schnee und Salz gefüllt zu bedienen, um schon eine Kälte von 18 bis 20° zu bewirken; setzt man dann in dieses das kleinere Ge- fäß, worin der Schnee mit salzsaurem Kalk gemischt werden soll, und hat von diesem nicht zu wenig vorräthig, so wird man das Quecksilber gewiß zum Gefrieren bringen. Ein nicht zu geringer Vorrath ist erforderlich, um die entstandene Kälte, die wegen der äußern, gewöhnlich um 20 bis 30 Gr. höhern, Temperatur bald geringer zu werden geneigt ist, lange genug zu unterhalten.
Schnee mit Kochsalz bringt mit etwas Salpetersäure gemischt eine bedeutende Kälte hervor, selbst wenn die äußere Luft ziemlich hoch über den Gefrierpunct erwärmt ist; aber mit einer Mischung von gleichviel Schnee und Salpetersäure bei + 14° Wärme eine Kälte von --35° hervorzubringen, (wie man es wohl erreicht hat,) ist nur bei Anwendung sehr bedeutender Quantitäten und durch Umgebung des Hauptgefäßes mit einer sehr erkältenden Mischung möglich.
In den Polargegenden gefriert das Quecksilber sehr oft durch die dort statt findende Kälte der freien Luft, und da es sich dann unregelmäßig und sehr stark zusammen zieht, so hat man ehemals geglaubt, daß die Kälte dort einem viel höhern Thermometergrade
III. G
Kuͤnſtliche Kaͤlte, durch Miſchungen hervorgebracht.
Aus den Erſcheinungen der latent werdenden Waͤrme beim Aufthauen laſſen ſich die hohen Kaͤltegrade erklaͤren, die man durch Miſchungen von Salzen und Schnee oder von Salzen und Saͤuren hervorbringt. Indem naͤmlich dieſe Koͤrper in den fluͤſſigen Zuſtand uͤbergehen, reißen ſie die Waͤrme mit großer Gewalt an ſich, und kuͤhlen die benachbarten Koͤrper ſtark ab. Schon gewoͤhnliches Salz mit Schnee gemiſcht bringt eine viel groͤßere Kaͤlte hervor als bloß ſchmelzender Schnee, noch wirkſamer aber iſt eine Miſchung von ſalzſaurem Kalk (fixem Salmiak) mit Schnee. Wenn der ſalzſaure Kalk cryſtalliſirt und dann zerſtoßen iſt, ſo muß man ungefaͤhr dop- pelt ſo viel von demſelben als vom Schnee nehmen und dieſe Koͤr- per ſchichtenweiſe miſchen; dann entſteht eine bis auf 40 Reaum. Grade gehende Kaͤlte, in welcher das Queckſilber gefriert. Man thut wohl, den Verſuch nur in einer Umgebung, wo es wenigſtens 6 bis 8 Gr. R. kalt iſt, anzuſtellen, und ſich eines weiteren Gefaͤßes mit Schnee und Salz gefuͤllt zu bedienen, um ſchon eine Kaͤlte von 18 bis 20° zu bewirken; ſetzt man dann in dieſes das kleinere Ge- faͤß, worin der Schnee mit ſalzſaurem Kalk gemiſcht werden ſoll, und hat von dieſem nicht zu wenig vorraͤthig, ſo wird man das Queckſilber gewiß zum Gefrieren bringen. Ein nicht zu geringer Vorrath iſt erforderlich, um die entſtandene Kaͤlte, die wegen der aͤußern, gewoͤhnlich um 20 bis 30 Gr. hoͤhern, Temperatur bald geringer zu werden geneigt iſt, lange genug zu unterhalten.
Schnee mit Kochſalz bringt mit etwas Salpeterſaͤure gemiſcht eine bedeutende Kaͤlte hervor, ſelbſt wenn die aͤußere Luft ziemlich hoch uͤber den Gefrierpunct erwaͤrmt iſt; aber mit einer Miſchung von gleichviel Schnee und Salpeterſaͤure bei + 14° Waͤrme eine Kaͤlte von —35° hervorzubringen, (wie man es wohl erreicht hat,) iſt nur bei Anwendung ſehr bedeutender Quantitaͤten und durch Umgebung des Hauptgefaͤßes mit einer ſehr erkaͤltenden Miſchung moͤglich.
In den Polargegenden gefriert das Queckſilber ſehr oft durch die dort ſtatt findende Kaͤlte der freien Luft, und da es ſich dann unregelmaͤßig und ſehr ſtark zuſammen zieht, ſo hat man ehemals geglaubt, daß die Kaͤlte dort einem viel hoͤhern Thermometergrade
III. G
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0111"n="97"/><divn="2"><head><hirendition="#g">Kuͤnſtliche Kaͤlte</hi>, <hirendition="#g">durch Miſchungen hervorgebracht</hi>.</head><lb/><p>Aus den Erſcheinungen der latent werdenden Waͤrme beim<lb/>
Aufthauen laſſen ſich die hohen Kaͤltegrade erklaͤren, die man durch<lb/>
Miſchungen von Salzen und Schnee oder von Salzen und Saͤuren<lb/>
hervorbringt. Indem naͤmlich dieſe Koͤrper in den fluͤſſigen Zuſtand<lb/>
uͤbergehen, reißen ſie die Waͤrme mit großer Gewalt an ſich, und<lb/>
kuͤhlen die benachbarten Koͤrper ſtark ab. Schon gewoͤhnliches Salz<lb/>
mit Schnee gemiſcht bringt eine viel groͤßere Kaͤlte hervor als bloß<lb/>ſchmelzender Schnee, noch wirkſamer aber iſt eine Miſchung von<lb/>ſalzſaurem Kalk (fixem Salmiak) mit Schnee. Wenn der ſalzſaure<lb/>
Kalk cryſtalliſirt und dann zerſtoßen iſt, ſo muß man ungefaͤhr dop-<lb/>
pelt ſo viel von demſelben als vom Schnee nehmen und dieſe Koͤr-<lb/>
per ſchichtenweiſe miſchen; dann entſteht eine bis auf 40 Reaum.<lb/>
Grade gehende Kaͤlte, in welcher das Queckſilber gefriert. Man<lb/>
thut wohl, den Verſuch nur in einer Umgebung, wo es wenigſtens<lb/>
6 bis 8 Gr. R. kalt iſt, anzuſtellen, und ſich eines weiteren Gefaͤßes<lb/>
mit Schnee und Salz gefuͤllt zu bedienen, um ſchon eine Kaͤlte von<lb/>
18 bis 20° zu bewirken; ſetzt man dann in dieſes das kleinere Ge-<lb/>
faͤß, worin der Schnee mit ſalzſaurem Kalk gemiſcht werden ſoll,<lb/>
und hat von dieſem nicht zu wenig vorraͤthig, ſo wird man das<lb/>
Queckſilber gewiß zum Gefrieren bringen. Ein nicht zu geringer<lb/>
Vorrath iſt erforderlich, um die entſtandene Kaͤlte, die wegen der<lb/>
aͤußern, gewoͤhnlich um 20 bis 30 Gr. hoͤhern, Temperatur bald<lb/>
geringer zu werden geneigt iſt, lange genug zu unterhalten.</p><lb/><p>Schnee mit Kochſalz bringt mit etwas Salpeterſaͤure gemiſcht<lb/>
eine bedeutende Kaͤlte hervor, ſelbſt wenn die aͤußere Luft ziemlich<lb/>
hoch uͤber den Gefrierpunct erwaͤrmt iſt; aber mit einer Miſchung<lb/>
von gleichviel Schnee und Salpeterſaͤure bei + 14° Waͤrme eine<lb/>
Kaͤlte von —35° hervorzubringen, (wie man es wohl erreicht hat,)<lb/>
iſt nur bei Anwendung ſehr bedeutender Quantitaͤten und durch<lb/>
Umgebung des Hauptgefaͤßes mit einer ſehr erkaͤltenden Miſchung<lb/>
moͤglich.</p><lb/><p>In den Polargegenden gefriert das Queckſilber ſehr oft durch<lb/>
die dort ſtatt findende Kaͤlte der freien Luft, und da es ſich dann<lb/>
unregelmaͤßig und ſehr ſtark zuſammen zieht, ſo hat man ehemals<lb/>
geglaubt, daß die Kaͤlte dort einem viel hoͤhern Thermometergrade<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#aq"><hirendition="#b">III.</hi></hi> G</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[97/0111]
Kuͤnſtliche Kaͤlte, durch Miſchungen hervorgebracht.
Aus den Erſcheinungen der latent werdenden Waͤrme beim
Aufthauen laſſen ſich die hohen Kaͤltegrade erklaͤren, die man durch
Miſchungen von Salzen und Schnee oder von Salzen und Saͤuren
hervorbringt. Indem naͤmlich dieſe Koͤrper in den fluͤſſigen Zuſtand
uͤbergehen, reißen ſie die Waͤrme mit großer Gewalt an ſich, und
kuͤhlen die benachbarten Koͤrper ſtark ab. Schon gewoͤhnliches Salz
mit Schnee gemiſcht bringt eine viel groͤßere Kaͤlte hervor als bloß
ſchmelzender Schnee, noch wirkſamer aber iſt eine Miſchung von
ſalzſaurem Kalk (fixem Salmiak) mit Schnee. Wenn der ſalzſaure
Kalk cryſtalliſirt und dann zerſtoßen iſt, ſo muß man ungefaͤhr dop-
pelt ſo viel von demſelben als vom Schnee nehmen und dieſe Koͤr-
per ſchichtenweiſe miſchen; dann entſteht eine bis auf 40 Reaum.
Grade gehende Kaͤlte, in welcher das Queckſilber gefriert. Man
thut wohl, den Verſuch nur in einer Umgebung, wo es wenigſtens
6 bis 8 Gr. R. kalt iſt, anzuſtellen, und ſich eines weiteren Gefaͤßes
mit Schnee und Salz gefuͤllt zu bedienen, um ſchon eine Kaͤlte von
18 bis 20° zu bewirken; ſetzt man dann in dieſes das kleinere Ge-
faͤß, worin der Schnee mit ſalzſaurem Kalk gemiſcht werden ſoll,
und hat von dieſem nicht zu wenig vorraͤthig, ſo wird man das
Queckſilber gewiß zum Gefrieren bringen. Ein nicht zu geringer
Vorrath iſt erforderlich, um die entſtandene Kaͤlte, die wegen der
aͤußern, gewoͤhnlich um 20 bis 30 Gr. hoͤhern, Temperatur bald
geringer zu werden geneigt iſt, lange genug zu unterhalten.
Schnee mit Kochſalz bringt mit etwas Salpeterſaͤure gemiſcht
eine bedeutende Kaͤlte hervor, ſelbſt wenn die aͤußere Luft ziemlich
hoch uͤber den Gefrierpunct erwaͤrmt iſt; aber mit einer Miſchung
von gleichviel Schnee und Salpeterſaͤure bei + 14° Waͤrme eine
Kaͤlte von —35° hervorzubringen, (wie man es wohl erreicht hat,)
iſt nur bei Anwendung ſehr bedeutender Quantitaͤten und durch
Umgebung des Hauptgefaͤßes mit einer ſehr erkaͤltenden Miſchung
moͤglich.
In den Polargegenden gefriert das Queckſilber ſehr oft durch
die dort ſtatt findende Kaͤlte der freien Luft, und da es ſich dann
unregelmaͤßig und ſehr ſtark zuſammen zieht, ſo hat man ehemals
geglaubt, daß die Kaͤlte dort einem viel hoͤhern Thermometergrade
III. G
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/111>, abgerufen am 13.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.