entsteht theils ein vollkommen dunkler, durch gar kein Licht jenes leuchtenden Körpers erhellter, Schatten, theils ein Halbschat- ten. Ist nämlich AB ein leuchtender Körper (Fig. 19.), CD undurchsichtig, so gelangt in den Raum CDE gar kein Licht; in dem Puncte F erhält man zwar von dem Theile BG des Körpers Licht, aber da noch ein Theil AG verdeckt ist, so kann die Erleuch- tung in F noch nicht so vollkommen sein, als sie ohne das Zwi- schentreten des dunkeln Körpers wäre, F liegt also im Halbschatten; dagegen empfangen Puncte, die von H gegen I zu liegen, Licht von allen Puncten des leuchtenden Körpers, sie liegen im vollen Lichte und die Linie DH begrenzt also den Halbschatten, so wie DE den vollen Schatten begrenzt. Ein Beispiel hiezu geben die Sonnenfinsternisse. Wegen der Kleinheit des Mondes CD (Fig. 19.) werden nur wenige Puncte auf der Erd-Oberfläche in E alles Sonnenlichtes beraubt, so daß sie sich in einer totalen Verfinsterung befinden; ja, wenn die Erde, deren Entfernung vom Monde nicht immer gleich ist, etwas weiter vom Monde entfernt, in K ist, so liegt kein Punct der Erde im vollen Schatten, sondern selbst da, wo des Schattens Mitte hinfällt, sieht man rund um den Mond noch Theile der Sonne, so daß die Sonnenfinsterniß ringförmig ist; aber eine theilweise Sonnenfinsterniß sieht man von K bis H, und dabei ist die Schwächung des Sonnenlichtes desto stärker, der verdeckte Theil der Sonne desto größer, je näher sich der Beobach- ter bei der Mitte K des Schattens befindet. Bei den Mondfin- sternissen zeigt sich uns der Halbschatten dadurch, daß der Rand des Erdschattens bei weitem nicht scharf ist, sondern ein verwasche- ner Rand sich von dem dunkelsten Theile des Schattens bis zu den noch völlig erleuchteten Gegenden des Mondes hin erstreckt, -- der Rand des Schattens verwaschen erscheint. Auch bei Gegen- ständen auf der Erde erkennen wir den sich allmählig verlierenden Halbschatten, z. B. wenn wir einen kleinen Körper der Lichtflamme nahe halten.
Grundsätze der Perspective.
Die Perspective, diejenige Wissenschaft, welche uns die einzelnen Theile der Gegenstände, so wie sie uns erscheinen, zeichnen lehrt, beruht auf diesem graden Fortgange der Lichtstrahlen. Um
entſteht theils ein vollkommen dunkler, durch gar kein Licht jenes leuchtenden Koͤrpers erhellter, Schatten, theils ein Halbſchat- ten. Iſt naͤmlich AB ein leuchtender Koͤrper (Fig. 19.), CD undurchſichtig, ſo gelangt in den Raum CDE gar kein Licht; in dem Puncte F erhaͤlt man zwar von dem Theile BG des Koͤrpers Licht, aber da noch ein Theil AG verdeckt iſt, ſo kann die Erleuch- tung in F noch nicht ſo vollkommen ſein, als ſie ohne das Zwi- ſchentreten des dunkeln Koͤrpers waͤre, F liegt alſo im Halbſchatten; dagegen empfangen Puncte, die von H gegen I zu liegen, Licht von allen Puncten des leuchtenden Koͤrpers, ſie liegen im vollen Lichte und die Linie DH begrenzt alſo den Halbſchatten, ſo wie DE den vollen Schatten begrenzt. Ein Beiſpiel hiezu geben die Sonnenfinſterniſſe. Wegen der Kleinheit des Mondes CD (Fig. 19.) werden nur wenige Puncte auf der Erd-Oberflaͤche in E alles Sonnenlichtes beraubt, ſo daß ſie ſich in einer totalen Verfinſterung befinden; ja, wenn die Erde, deren Entfernung vom Monde nicht immer gleich iſt, etwas weiter vom Monde entfernt, in K iſt, ſo liegt kein Punct der Erde im vollen Schatten, ſondern ſelbſt da, wo des Schattens Mitte hinfaͤllt, ſieht man rund um den Mond noch Theile der Sonne, ſo daß die Sonnenfinſterniß ringfoͤrmig iſt; aber eine theilweiſe Sonnenfinſterniß ſieht man von K bis H, und dabei iſt die Schwaͤchung des Sonnenlichtes deſto ſtaͤrker, der verdeckte Theil der Sonne deſto groͤßer, je naͤher ſich der Beobach- ter bei der Mitte K des Schattens befindet. Bei den Mondfin- ſterniſſen zeigt ſich uns der Halbſchatten dadurch, daß der Rand des Erdſchattens bei weitem nicht ſcharf iſt, ſondern ein verwaſche- ner Rand ſich von dem dunkelſten Theile des Schattens bis zu den noch voͤllig erleuchteten Gegenden des Mondes hin erſtreckt, — der Rand des Schattens verwaſchen erſcheint. Auch bei Gegen- ſtaͤnden auf der Erde erkennen wir den ſich allmaͤhlig verlierenden Halbſchatten, z. B. wenn wir einen kleinen Koͤrper der Lichtflamme nahe halten.
Grundſaͤtze der Perſpective.
Die Perſpective, diejenige Wiſſenſchaft, welche uns die einzelnen Theile der Gegenſtaͤnde, ſo wie ſie uns erſcheinen, zeichnen lehrt, beruht auf dieſem graden Fortgange der Lichtſtrahlen. Um
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[57/0071]
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dagegen empfangen Puncte, die von H gegen I zu liegen, Licht
von allen Puncten des leuchtenden Koͤrpers, ſie liegen im vollen
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DE den vollen Schatten begrenzt. Ein Beiſpiel hiezu geben die
Sonnenfinſterniſſe. Wegen der Kleinheit des Mondes CD (Fig.
19.) werden nur wenige Puncte auf der Erd-Oberflaͤche in E alles
Sonnenlichtes beraubt, ſo daß ſie ſich in einer totalen Verfinſterung
befinden; ja, wenn die Erde, deren Entfernung vom Monde nicht
immer gleich iſt, etwas weiter vom Monde entfernt, in K iſt, ſo
liegt kein Punct der Erde im vollen Schatten, ſondern ſelbſt da,
wo des Schattens Mitte hinfaͤllt, ſieht man rund um den Mond
noch Theile der Sonne, ſo daß die Sonnenfinſterniß ringfoͤrmig
iſt; aber eine theilweiſe Sonnenfinſterniß ſieht man von K bis H,
und dabei iſt die Schwaͤchung des Sonnenlichtes deſto ſtaͤrker, der
verdeckte Theil der Sonne deſto groͤßer, je naͤher ſich der Beobach-
ter bei der Mitte K des Schattens befindet. Bei den Mondfin-
ſterniſſen zeigt ſich uns der Halbſchatten dadurch, daß der Rand
des Erdſchattens bei weitem nicht ſcharf iſt, ſondern ein verwaſche-
ner Rand ſich von dem dunkelſten Theile des Schattens bis zu den
noch voͤllig erleuchteten Gegenden des Mondes hin erſtreckt, —
der Rand des Schattens verwaſchen erſcheint. Auch bei Gegen-
ſtaͤnden auf der Erde erkennen wir den ſich allmaͤhlig verlierenden
Halbſchatten, z. B. wenn wir einen kleinen Koͤrper der Lichtflamme
nahe halten.
Grundſaͤtze der Perſpective.
Die Perſpective, diejenige Wiſſenſchaft, welche uns die
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lehrt, beruht auf dieſem graden Fortgange der Lichtſtrahlen. Um
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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/71>, abgerufen am 21.02.2025.
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