Bei einiger Aufmerksamkeit kann man diese Drehung auf einem reinen, ganz ebnen Glase lange Zeit fortdauern lassen, und sie zu einer großen Schnelligkeit bringen.
Zweite Vorlesung.
Ungleiche Adhäsion flüssiger Körper an den Ober- flächen fester Körper.
Schon bei den Erscheinungen, die wir an den Haarröhrchen beobachten, zeigten sich Ungleichheiten, die von der Natur der ein- zelnen Körper abhängen; der eine flüssige Körper ward höher, der andre minder hoch in dem Haarröhrchen hinaufgezogen u. s. w. Diese stärkere Verschiedenheit zwischen der Anziehung der Glastheil- chen und der Wassertheilchen die auf Wasser wirken, die geringere Verschiedenheit der auf Alcohol wirkenden Glastheilchen und Alco- holtheilchen zeigte sich hier; -- also schon etwas von mehr oder minderer Verwandtschaft. Diese tritt aber deutlicher hervor in einem andern, leicht anzustellenden Versuche. Man gießt in eine flache Schale eine sehr niedrige Wasserschichte, so daß der Boden nur wenig bedeckt ist, und tröpfelt nun etwas Schwefel-Aether so hinzu, daß er, mit einiger Gewalt auf die Wasser-Oberfläche fallend, die Oberfläche des Gefäßes selbst berührt, so treibt er das Wasser zur Seite, indem er sich über einen breiten Theil des Bodens verbreitet, das Wasser zieht sich, wie auf einem fetten Körper, in einzelne Tropfen zusammen und erst wenn der Aether verdunstet ist oder auch sich mit dem Wasser gemischt hat, nimmt das Wasser seinen Platz wieder ein.
Die Erscheinung beruht offenbar darauf, daß die Glas-Ober- fläche oder Porzellan-Oberfläche den Aether mehr anzieht, als das Wasser, daß sie also, sobald der Aether nur in einem Puncte sie berührt hat, sich des Tropfens bemächtigt, um ihn über alle benachbarten Theile der Oberfläche auszubreiten, wobei dann das Wasser den Platz räumen muß, und anscheinend abgestoßen wird, oder zurückflieht. Diese größere Neigung der Glasfläche, den Ae-
Bei einiger Aufmerkſamkeit kann man dieſe Drehung auf einem reinen, ganz ebnen Glaſe lange Zeit fortdauern laſſen, und ſie zu einer großen Schnelligkeit bringen.
Zweite Vorleſung.
Ungleiche Adhaͤſion fluͤſſiger Koͤrper an den Ober- flaͤchen feſter Koͤrper.
Schon bei den Erſcheinungen, die wir an den Haarroͤhrchen beobachten, zeigten ſich Ungleichheiten, die von der Natur der ein- zelnen Koͤrper abhaͤngen; der eine fluͤſſige Koͤrper ward hoͤher, der andre minder hoch in dem Haarroͤhrchen hinaufgezogen u. ſ. w. Dieſe ſtaͤrkere Verſchiedenheit zwiſchen der Anziehung der Glastheil- chen und der Waſſertheilchen die auf Waſſer wirken, die geringere Verſchiedenheit der auf Alcohol wirkenden Glastheilchen und Alco- holtheilchen zeigte ſich hier; — alſo ſchon etwas von mehr oder minderer Verwandtſchaft. Dieſe tritt aber deutlicher hervor in einem andern, leicht anzuſtellenden Verſuche. Man gießt in eine flache Schale eine ſehr niedrige Waſſerſchichte, ſo daß der Boden nur wenig bedeckt iſt, und troͤpfelt nun etwas Schwefel-Aether ſo hinzu, daß er, mit einiger Gewalt auf die Waſſer-Oberflaͤche fallend, die Oberflaͤche des Gefaͤßes ſelbſt beruͤhrt, ſo treibt er das Waſſer zur Seite, indem er ſich uͤber einen breiten Theil des Bodens verbreitet, das Waſſer zieht ſich, wie auf einem fetten Koͤrper, in einzelne Tropfen zuſammen und erſt wenn der Aether verdunſtet iſt oder auch ſich mit dem Waſſer gemiſcht hat, nimmt das Waſſer ſeinen Platz wieder ein.
Die Erſcheinung beruht offenbar darauf, daß die Glas-Ober- flaͤche oder Porzellan-Oberflaͤche den Aether mehr anzieht, als das Waſſer, daß ſie alſo, ſobald der Aether nur in einem Puncte ſie beruͤhrt hat, ſich des Tropfens bemaͤchtigt, um ihn uͤber alle benachbarten Theile der Oberflaͤche auszubreiten, wobei dann das Waſſer den Platz raͤumen muß, und anſcheinend abgeſtoßen wird, oder zuruͤckflieht. Dieſe groͤßere Neigung der Glasflaͤche, den Ae-
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Bei einiger Aufmerkſamkeit kann man dieſe Drehung auf
einem reinen, ganz ebnen Glaſe lange Zeit fortdauern laſſen, und
ſie zu einer großen Schnelligkeit bringen.
Zweite Vorleſung.
Ungleiche Adhaͤſion fluͤſſiger Koͤrper an den Ober-
flaͤchen feſter Koͤrper.
Schon bei den Erſcheinungen, die wir an den Haarroͤhrchen
beobachten, zeigten ſich Ungleichheiten, die von der Natur der ein-
zelnen Koͤrper abhaͤngen; der eine fluͤſſige Koͤrper ward hoͤher, der
andre minder hoch in dem Haarroͤhrchen hinaufgezogen u. ſ. w.
Dieſe ſtaͤrkere Verſchiedenheit zwiſchen der Anziehung der Glastheil-
chen und der Waſſertheilchen die auf Waſſer wirken, die geringere
Verſchiedenheit der auf Alcohol wirkenden Glastheilchen und Alco-
holtheilchen zeigte ſich hier; — alſo ſchon etwas von mehr oder
minderer Verwandtſchaft. Dieſe tritt aber deutlicher hervor in
einem andern, leicht anzuſtellenden Verſuche. Man gießt in eine
flache Schale eine ſehr niedrige Waſſerſchichte, ſo daß der Boden
nur wenig bedeckt iſt, und troͤpfelt nun etwas Schwefel-Aether ſo
hinzu, daß er, mit einiger Gewalt auf die Waſſer-Oberflaͤche
fallend, die Oberflaͤche des Gefaͤßes ſelbſt beruͤhrt, ſo treibt er
das Waſſer zur Seite, indem er ſich uͤber einen breiten Theil des
Bodens verbreitet, das Waſſer zieht ſich, wie auf einem fetten
Koͤrper, in einzelne Tropfen zuſammen und erſt wenn der Aether
verdunſtet iſt oder auch ſich mit dem Waſſer gemiſcht hat, nimmt
das Waſſer ſeinen Platz wieder ein.
Die Erſcheinung beruht offenbar darauf, daß die Glas-Ober-
flaͤche oder Porzellan-Oberflaͤche den Aether mehr anzieht, als das
Waſſer, daß ſie alſo, ſobald der Aether nur in einem Puncte
ſie beruͤhrt hat, ſich des Tropfens bemaͤchtigt, um ihn uͤber alle
benachbarten Theile der Oberflaͤche auszubreiten, wobei dann das
Waſſer den Platz raͤumen muß, und anſcheinend abgeſtoßen wird,
oder zuruͤckflieht. Dieſe groͤßere Neigung der Glasflaͤche, den Ae-
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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/37>, abgerufen am 22.02.2025.
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