auf das Licht anzusehen. Finden also hier, wie Brewster angiebt, doch noch kleine Verschiedenheiten in Hinsicht auf die zuweilen nicht gänzlich verschwindende Zurückwerfung bei gänzlich verschwindender Brechung statt, so müßte dieser Umstand noch besonders erklärt werden.
Unzulänglichkeit dieser Theorie für die ungleiche Bre- chung der ungleichfarbigen Strahlen.
Aber nun bietet sich eine wichtige Schwierigkeit dar, zu deren Wegräumung die Undulationstheorie kein Mittel anzugeben scheint. Es erhellt nämlich aus den eben durchgeführten Betrachtungen, daß die Größe der Brechung ganz allein von der Schnelligkeit der Fort- pflanzung der Lichtwellen in den an einander grenzenden Materien abhängt, diese Schnelligkeit aber durch die Dichtigkeit des Aethers bestimmt ist; da nun doch gewiß keine verschiedene Aether-Arten in einem und demselben Raume angenommen werden können, so müssen auch in dem zweiten Körper alle Lichtwellen eine gleiche Ge- schwindigkeit und folglich auch eine gleiche Brechung haben; eine Zerstreuung der Farbenstrahlen, eine ungleiche Brechbarkeit des ver- schiedenfarbigen Lichtes scheint nicht statt finden zu können. Da gleichwohl die Erfahrung diese ungleiche Brechung zeigt, so müssen wir etwas genauer die Verschiedenheit der Umstände bei den ver- schiedenen Farben erwägen, um zu sehen, wo etwa eine Erklärung dieser Erscheinung im Sinne der Undulationstheorie gesucht werden könnte. Nach dieser Theorie ist die Fortpflanzungsgeschwindigkeit für alle Farben gleich, aber da die Wellen des violetten Lichtes *) schneller auf einander folgen, einen geringern Zwischenraum zwi- schen den in gleichem Zustande befindlichen Theilchen darbieten, so müßte die Theorie einen Grund angeben, warum diese kürzeren Wellen mehr gebrochen werden. Euler hatte die Meinung ge- äußert, dies sei deswegen der Fall, weil jede folgende mehr als bei längern Wellen auf die Bewegung der Theilchen einwirke; aber Poisson macht die richtige Bemerkung, daß diese Einwirkung in
*) Es ist wohl kein Fehler so zu sprechen, obgleich nicht die Mei- nung ist, daß diese Wellen ein violettes Fluidum, verschieden von den rothen Wellen, sind.
auf das Licht anzuſehen. Finden alſo hier, wie Brewſter angiebt, doch noch kleine Verſchiedenheiten in Hinſicht auf die zuweilen nicht gaͤnzlich verſchwindende Zuruͤckwerfung bei gaͤnzlich verſchwindender Brechung ſtatt, ſo muͤßte dieſer Umſtand noch beſonders erklaͤrt werden.
Unzulaͤnglichkeit dieſer Theorie fuͤr die ungleiche Bre- chung der ungleichfarbigen Strahlen.
Aber nun bietet ſich eine wichtige Schwierigkeit dar, zu deren Wegraͤumung die Undulationstheorie kein Mittel anzugeben ſcheint. Es erhellt naͤmlich aus den eben durchgefuͤhrten Betrachtungen, daß die Groͤße der Brechung ganz allein von der Schnelligkeit der Fort- pflanzung der Lichtwellen in den an einander grenzenden Materien abhaͤngt, dieſe Schnelligkeit aber durch die Dichtigkeit des Aethers beſtimmt iſt; da nun doch gewiß keine verſchiedene Aether-Arten in einem und demſelben Raume angenommen werden koͤnnen, ſo muͤſſen auch in dem zweiten Koͤrper alle Lichtwellen eine gleiche Ge- ſchwindigkeit und folglich auch eine gleiche Brechung haben; eine Zerſtreuung der Farbenſtrahlen, eine ungleiche Brechbarkeit des ver- ſchiedenfarbigen Lichtes ſcheint nicht ſtatt finden zu koͤnnen. Da gleichwohl die Erfahrung dieſe ungleiche Brechung zeigt, ſo muͤſſen wir etwas genauer die Verſchiedenheit der Umſtaͤnde bei den ver- ſchiedenen Farben erwaͤgen, um zu ſehen, wo etwa eine Erklaͤrung dieſer Erſcheinung im Sinne der Undulationstheorie geſucht werden koͤnnte. Nach dieſer Theorie iſt die Fortpflanzungsgeſchwindigkeit fuͤr alle Farben gleich, aber da die Wellen des violetten Lichtes *) ſchneller auf einander folgen, einen geringern Zwiſchenraum zwi- ſchen den in gleichem Zuſtande befindlichen Theilchen darbieten, ſo muͤßte die Theorie einen Grund angeben, warum dieſe kuͤrzeren Wellen mehr gebrochen werden. Euler hatte die Meinung ge- aͤußert, dies ſei deswegen der Fall, weil jede folgende mehr als bei laͤngern Wellen auf die Bewegung der Theilchen einwirke; aber Poiſſon macht die richtige Bemerkung, daß dieſe Einwirkung in
*) Es iſt wohl kein Fehler ſo zu ſprechen, obgleich nicht die Mei- nung iſt, daß dieſe Wellen ein violettes Fluidum, verſchieden von den rothen Wellen, ſind.
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auf das Licht anzuſehen. Finden alſo hier, wie Brewſter angiebt,
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Brechung ſtatt, ſo muͤßte dieſer Umſtand noch beſonders erklaͤrt
werden.
Unzulaͤnglichkeit dieſer Theorie fuͤr die ungleiche Bre-
chung der ungleichfarbigen Strahlen.
Aber nun bietet ſich eine wichtige Schwierigkeit dar, zu deren
Wegraͤumung die Undulationstheorie kein Mittel anzugeben ſcheint.
Es erhellt naͤmlich aus den eben durchgefuͤhrten Betrachtungen, daß
die Groͤße der Brechung ganz allein von der Schnelligkeit der Fort-
pflanzung der Lichtwellen in den an einander grenzenden Materien
abhaͤngt, dieſe Schnelligkeit aber durch die Dichtigkeit des Aethers
beſtimmt iſt; da nun doch gewiß keine verſchiedene Aether-Arten
in einem und demſelben Raume angenommen werden koͤnnen, ſo
muͤſſen auch in dem zweiten Koͤrper alle Lichtwellen eine gleiche Ge-
ſchwindigkeit und folglich auch eine gleiche Brechung haben; eine
Zerſtreuung der Farbenſtrahlen, eine ungleiche Brechbarkeit des ver-
ſchiedenfarbigen Lichtes ſcheint nicht ſtatt finden zu koͤnnen. Da
gleichwohl die Erfahrung dieſe ungleiche Brechung zeigt, ſo muͤſſen
wir etwas genauer die Verſchiedenheit der Umſtaͤnde bei den ver-
ſchiedenen Farben erwaͤgen, um zu ſehen, wo etwa eine Erklaͤrung
dieſer Erſcheinung im Sinne der Undulationstheorie geſucht werden
koͤnnte. Nach dieſer Theorie iſt die Fortpflanzungsgeſchwindigkeit
fuͤr alle Farben gleich, aber da die Wellen des violetten Lichtes *)
ſchneller auf einander folgen, einen geringern Zwiſchenraum zwi-
ſchen den in gleichem Zuſtande befindlichen Theilchen darbieten, ſo
muͤßte die Theorie einen Grund angeben, warum dieſe kuͤrzeren
Wellen mehr gebrochen werden. Euler hatte die Meinung ge-
aͤußert, dies ſei deswegen der Fall, weil jede folgende mehr als bei
laͤngern Wellen auf die Bewegung der Theilchen einwirke; aber
Poiſſon macht die richtige Bemerkung, daß dieſe Einwirkung in
*) Es iſt wohl kein Fehler ſo zu ſprechen, obgleich nicht die Mei-
nung iſt, daß dieſe Wellen ein violettes Fluidum, verſchieden von den
rothen Wellen, ſind.
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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/269>, abgerufen am 22.02.2025.
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