und eben dadurch, daß in sehr kurzer Zeit ihre einfache Construction von mehrern Künstlern aufgefaßt und nachgeahmt wurde, scheint die genaue Kunde, wer der erste Erfinder gewesen ist, beinahe ver- lohren gegangen zu sein. Brillenmacher in Middelburg (ob Johann Lippersheim oder Zacharias Janssen [Jo- hanns Sohn] oder Metius ist nicht ganz entschieden) haben zuerst, schon vor 1609, Fernröhre verfertigt; Galiläi erhielt von dieser Kunst, durch Gläser entfernte Gegenstände deutlicher zu sehen, Nachricht, und erfand nun durch eigenes Nachdenken 1609 im April oder Mai die Einrichtung, die noch das Galiläische Fernrohr heißt; aber auch schon in eben dem Jahre scheint *) man in London sich so mit ihrer Verfertigung beschäftigt zu haben, daß man sie zum Verkauf ausbot. Das Erstaunen, welches diese Kunst, Gegenstände auf der Erde besser zu sehen, und am Himmel ganz neue Gegenstände zu entdecken, mag hervorgebracht haben, kann indessen kaum größer gewesen sein, als das Erstaunen, mit welchem wir in unsern Tagen die großen Verbesserungen kennen gelernt haben, die Herschel den Spiegeltelescopen, Fraun- hofer den dioptrischen Fernröhren gegeben hat, von deren Erfolg ich Ihnen bald mehr sagen werde.
Das astronomische Fernrohr.
Wenn man Fernröhre aus zwei Gläsern machen will, so bietet sich uns, als sich anschließend an die schon angestellten Be- trachtungen, dasjenige Fernrohr zuerst dar, welches man jetzt das Keplersche oder astronomische nennt. Es ist nämlich gewiß, daß ein dem Einfallen der Lichtstrahlen von sehr entfernten Gegen- ständen senkrecht dargebotenes Linsenglas, das Objectiv, auch von diesem ein Bild und dieses zwar ganz nahe am Brennpuncte, oder im Brennpuncte selbst darstellen wird; und daß wir dieses, seiner Klein- heit wegen nicht bequem mit bloßem Auge wahrzunehmende Bild deutlich müssen sehn können, wenn wir es durch ein zweites Linsen- glas, das Ocular, vergrößert sehen. Diese Zusammenfügung zweier Linsen giebt das astronomische Fernrohr, bei welchem wir zuerst den
*) Vgl. auch Gehlers Wörterbuch Th. IV. S. 144.
II. K
und eben dadurch, daß in ſehr kurzer Zeit ihre einfache Conſtruction von mehrern Kuͤnſtlern aufgefaßt und nachgeahmt wurde, ſcheint die genaue Kunde, wer der erſte Erfinder geweſen iſt, beinahe ver- lohren gegangen zu ſein. Brillenmacher in Middelburg (ob Johann Lippersheim oder Zacharias Janſſen [Jo- hanns Sohn] oder Metius iſt nicht ganz entſchieden) haben zuerſt, ſchon vor 1609, Fernroͤhre verfertigt; Galilaͤi erhielt von dieſer Kunſt, durch Glaͤſer entfernte Gegenſtaͤnde deutlicher zu ſehen, Nachricht, und erfand nun durch eigenes Nachdenken 1609 im April oder Mai die Einrichtung, die noch das Galilaͤiſche Fernrohr heißt; aber auch ſchon in eben dem Jahre ſcheint *) man in London ſich ſo mit ihrer Verfertigung beſchaͤftigt zu haben, daß man ſie zum Verkauf ausbot. Das Erſtaunen, welches dieſe Kunſt, Gegenſtaͤnde auf der Erde beſſer zu ſehen, und am Himmel ganz neue Gegenſtaͤnde zu entdecken, mag hervorgebracht haben, kann indeſſen kaum groͤßer geweſen ſein, als das Erſtaunen, mit welchem wir in unſern Tagen die großen Verbeſſerungen kennen gelernt haben, die Herſchel den Spiegelteleſcopen, Fraun- hofer den dioptriſchen Fernroͤhren gegeben hat, von deren Erfolg ich Ihnen bald mehr ſagen werde.
Das aſtronomiſche Fernrohr.
Wenn man Fernroͤhre aus zwei Glaͤſern machen will, ſo bietet ſich uns, als ſich anſchließend an die ſchon angeſtellten Be- trachtungen, dasjenige Fernrohr zuerſt dar, welches man jetzt das Keplerſche oder aſtronomiſche nennt. Es iſt naͤmlich gewiß, daß ein dem Einfallen der Lichtſtrahlen von ſehr entfernten Gegen- ſtaͤnden ſenkrecht dargebotenes Linſenglas, das Objectiv, auch von dieſem ein Bild und dieſes zwar ganz nahe am Brennpuncte, oder im Brennpuncte ſelbſt darſtellen wird; und daß wir dieſes, ſeiner Klein- heit wegen nicht bequem mit bloßem Auge wahrzunehmende Bild deutlich muͤſſen ſehn koͤnnen, wenn wir es durch ein zweites Linſen- glas, das Ocular, vergroͤßert ſehen. Dieſe Zuſammenfuͤgung zweier Linſen giebt das aſtronomiſche Fernrohr, bei welchem wir zuerſt den
*) Vgl. auch Gehlers Woͤrterbuch Th. IV. S. 144.
II. K
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und eben dadurch, daß in ſehr kurzer Zeit ihre einfache Conſtruction
von mehrern Kuͤnſtlern aufgefaßt und nachgeahmt wurde, ſcheint
die genaue Kunde, wer der erſte Erfinder geweſen iſt, beinahe ver-
lohren gegangen zu ſein. Brillenmacher in Middelburg (ob
Johann Lippersheim oder Zacharias Janſſen [Jo-
hanns Sohn] oder Metius iſt nicht ganz entſchieden) haben
zuerſt, ſchon vor 1609, Fernroͤhre verfertigt; Galilaͤi erhielt von
dieſer Kunſt, durch Glaͤſer entfernte Gegenſtaͤnde deutlicher zu ſehen,
Nachricht, und erfand nun durch eigenes Nachdenken 1609 im
April oder Mai die Einrichtung, die noch das Galilaͤiſche
Fernrohr heißt; aber auch ſchon in eben dem Jahre ſcheint *)
man in London ſich ſo mit ihrer Verfertigung beſchaͤftigt zu haben,
daß man ſie zum Verkauf ausbot. Das Erſtaunen, welches dieſe
Kunſt, Gegenſtaͤnde auf der Erde beſſer zu ſehen, und am Himmel
ganz neue Gegenſtaͤnde zu entdecken, mag hervorgebracht haben,
kann indeſſen kaum groͤßer geweſen ſein, als das Erſtaunen, mit
welchem wir in unſern Tagen die großen Verbeſſerungen kennen
gelernt haben, die Herſchel den Spiegelteleſcopen, Fraun-
hofer den dioptriſchen Fernroͤhren gegeben hat, von deren Erfolg
ich Ihnen bald mehr ſagen werde.
Das aſtronomiſche Fernrohr.
Wenn man Fernroͤhre aus zwei Glaͤſern machen will, ſo
bietet ſich uns, als ſich anſchließend an die ſchon angeſtellten Be-
trachtungen, dasjenige Fernrohr zuerſt dar, welches man jetzt das
Keplerſche oder aſtronomiſche nennt. Es iſt naͤmlich gewiß,
daß ein dem Einfallen der Lichtſtrahlen von ſehr entfernten Gegen-
ſtaͤnden ſenkrecht dargebotenes Linſenglas, das Objectiv, auch von
dieſem ein Bild und dieſes zwar ganz nahe am Brennpuncte, oder im
Brennpuncte ſelbſt darſtellen wird; und daß wir dieſes, ſeiner Klein-
heit wegen nicht bequem mit bloßem Auge wahrzunehmende Bild
deutlich muͤſſen ſehn koͤnnen, wenn wir es durch ein zweites Linſen-
glas, das Ocular, vergroͤßert ſehen. Dieſe Zuſammenfuͤgung zweier
Linſen giebt das aſtronomiſche Fernrohr, bei welchem wir zuerſt den
*) Vgl. auch Gehlers Woͤrterbuch Th. IV. S. 144.
II. K
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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/159>, abgerufen am 22.02.2025.
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