Hebels, und man setzt dabei voraus, daß man das Gewicht, unter dessen Last die Nuß zerdrückt wird, kenne *). Daß man das Tra- gen eines Gewichtes noch schwieriger mache, wenn man es an einem in der Hand gehaltenen Stabe mit ausgestrecktem Arme hält, läßt sich auch leicht übersehen. Hier wird nämlich erstlich der Hebel-Arm, an welchem das Gewicht wirkt, durch die Länge des Stabes ver- größert, und die in gleicher Entfernung vom Drehungspuncte wirkende Muskelkraft muß daher größer sein; aber zweitens muß ich noch eine ganz neue Kraft anwenden, indem ich den auf dem Zeigefinger liegenden Stab mit dem Daumen niederdrücke und so meinen Zeigefinger oder einen andern Theil der Hand zum Unterstützungspuncte des Hebels, den der Stab darstellt, mache; hier muß der Daumen, wenn 1 Pfund am Stabe hän- gend zehnmal so entfernt als der Daumen vom Zeigefinger an- gebracht ist, 10 Pfund Kraft ausüben und der Zeigefinger den Druck von 11 Pfunden tragen.
Stärke der Balken.
Eine andre Anwendung der Lehre vom Hebel bietet die Bestimmung des Widerstandes dar, den wir bei dem Zerbrechen fester Körper finden. Die absolute Festigkeit lernten wir durch die Kraft, welche zum Zerreißen des Körpers nöthig ist, kennen, dagegen nennen wir relative Festigkeit denjenigen Widerstand des Zusammenhanges, der sich dem Zerbrechen ent- gegensetzt. Wenn ein Stab oder Balken in C unterstützt, in A und B aber mit Gewichten beschwert wird, so zerbricht er, und es erhellt nun erstlich, daß das Gewicht B oder A mit desto größerer Gewalt wirkt, je entfernter von der Unterlage C (Fig. 25.) es angebracht ist, so daß in der doppelt so großen Entfer- nung ein halb so großes Gewicht eben die Wirkung leisten würde. Die relative Festigkeit ist daher der Länge umgekehrt proportional, und dies wissen wir sehr gut, und unternehmen es eher einen längern Stab als einen kurzen eben so dicken zu zerbrechen. Daß die relative Festigkeit zweitens der Menge der zu zerreißenden Theilchen gemäß wächst, ist offenbar, aber wenn in E ein Theil-
*)Borelli de motu animalium p. 30. 31. 49.
Hebels, und man ſetzt dabei voraus, daß man das Gewicht, unter deſſen Laſt die Nuß zerdruͤckt wird, kenne *). Daß man das Tra- gen eines Gewichtes noch ſchwieriger mache, wenn man es an einem in der Hand gehaltenen Stabe mit ausgeſtrecktem Arme haͤlt, laͤßt ſich auch leicht uͤberſehen. Hier wird naͤmlich erſtlich der Hebel-Arm, an welchem das Gewicht wirkt, durch die Laͤnge des Stabes ver- groͤßert, und die in gleicher Entfernung vom Drehungspuncte wirkende Muskelkraft muß daher groͤßer ſein; aber zweitens muß ich noch eine ganz neue Kraft anwenden, indem ich den auf dem Zeigefinger liegenden Stab mit dem Daumen niederdruͤcke und ſo meinen Zeigefinger oder einen andern Theil der Hand zum Unterſtuͤtzungspuncte des Hebels, den der Stab darſtellt, mache; hier muß der Daumen, wenn 1 Pfund am Stabe haͤn- gend zehnmal ſo entfernt als der Daumen vom Zeigefinger an- gebracht iſt, 10 Pfund Kraft ausuͤben und der Zeigefinger den Druck von 11 Pfunden tragen.
Staͤrke der Balken.
Eine andre Anwendung der Lehre vom Hebel bietet die Beſtimmung des Widerſtandes dar, den wir bei dem Zerbrechen feſter Koͤrper finden. Die abſolute Feſtigkeit lernten wir durch die Kraft, welche zum Zerreißen des Koͤrpers noͤthig iſt, kennen, dagegen nennen wir relative Feſtigkeit denjenigen Widerſtand des Zuſammenhanges, der ſich dem Zerbrechen ent- gegenſetzt. Wenn ein Stab oder Balken in C unterſtuͤtzt, in A und B aber mit Gewichten beſchwert wird, ſo zerbricht er, und es erhellt nun erſtlich, daß das Gewicht B oder A mit deſto groͤßerer Gewalt wirkt, je entfernter von der Unterlage C (Fig. 25.) es angebracht iſt, ſo daß in der doppelt ſo großen Entfer- nung ein halb ſo großes Gewicht eben die Wirkung leiſten wuͤrde. Die relative Feſtigkeit iſt daher der Laͤnge umgekehrt proportional, und dies wiſſen wir ſehr gut, und unternehmen es eher einen laͤngern Stab als einen kurzen eben ſo dicken zu zerbrechen. Daß die relative Feſtigkeit zweitens der Menge der zu zerreißenden Theilchen gemaͤß waͤchſt, iſt offenbar, aber wenn in E ein Theil-
*)Borelli de motu animalium p. 30. 31. 49.
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Hebels, und man ſetzt dabei voraus, daß man das Gewicht, unter
deſſen Laſt die Nuß zerdruͤckt wird, kenne *). Daß man das Tra-
gen eines Gewichtes noch ſchwieriger mache, wenn man es an einem
in der Hand gehaltenen Stabe mit ausgeſtrecktem Arme haͤlt, laͤßt
ſich auch leicht uͤberſehen. Hier wird naͤmlich erſtlich der Hebel-Arm,
an welchem das Gewicht wirkt, durch die Laͤnge des Stabes ver-
groͤßert, und die in gleicher Entfernung vom Drehungspuncte
wirkende Muskelkraft muß daher groͤßer ſein; aber zweitens muß
ich noch eine ganz neue Kraft anwenden, indem ich den auf
dem Zeigefinger liegenden Stab mit dem Daumen niederdruͤcke
und ſo meinen Zeigefinger oder einen andern Theil der Hand
zum Unterſtuͤtzungspuncte des Hebels, den der Stab darſtellt,
mache; hier muß der Daumen, wenn 1 Pfund am Stabe haͤn-
gend zehnmal ſo entfernt als der Daumen vom Zeigefinger an-
gebracht iſt, 10 Pfund Kraft ausuͤben und der Zeigefinger den
Druck von 11 Pfunden tragen.
Staͤrke der Balken.
Eine andre Anwendung der Lehre vom Hebel bietet die
Beſtimmung des Widerſtandes dar, den wir bei dem Zerbrechen
feſter Koͤrper finden. Die abſolute Feſtigkeit lernten wir
durch die Kraft, welche zum Zerreißen des Koͤrpers noͤthig iſt,
kennen, dagegen nennen wir relative Feſtigkeit denjenigen
Widerſtand des Zuſammenhanges, der ſich dem Zerbrechen ent-
gegenſetzt. Wenn ein Stab oder Balken in C unterſtuͤtzt, in A
und B aber mit Gewichten beſchwert wird, ſo zerbricht er, und
es erhellt nun erſtlich, daß das Gewicht B oder A mit deſto
groͤßerer Gewalt wirkt, je entfernter von der Unterlage C (Fig.
25.) es angebracht iſt, ſo daß in der doppelt ſo großen Entfer-
nung ein halb ſo großes Gewicht eben die Wirkung leiſten wuͤrde.
Die relative Feſtigkeit iſt daher der Laͤnge umgekehrt proportional,
und dies wiſſen wir ſehr gut, und unternehmen es eher einen
laͤngern Stab als einen kurzen eben ſo dicken zu zerbrechen. Daß
die relative Feſtigkeit zweitens der Menge der zu zerreißenden
Theilchen gemaͤß waͤchſt, iſt offenbar, aber wenn in E ein Theil-
*) Borelli de motu animalium p. 30. 31. 49.
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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/77>, abgerufen am 03.03.2025.
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