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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830.

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Fünfte Vorlesung.



Gleichgewicht am Hebel.

Die Fälle des Gleichgewichtes, mit welchen ich Sie, meine
h. H., neulich unterhielt, kamen alle darauf hinaus, daß zwei oder
mehr Kräfte in verschiedenen Richtungen wirkend einer ihrer mitt-
leren Richtung gegenüberstehenden Kraft entgegen wirkten. Bei
der schiefen Ebne zum Beispiel ist es, wenn ich von der Reibung,
die bei einer herabrollenden Kugel auch wirklich ganz unbedeutend
ist, absehe, die nach PT ziehende Kraft (Fig. 13.) und die nach
RP Widerstand gegen den Druck leistende Kraft der festen Ebne
selbst, welche so wie zwei nach PU, PT ziehende Kräfte dem
Gewichte der Last P, welches nach PQ herabdrückt, das Gleich-
gewicht halten.

Aber noch eine zweite Classe von Fällen, wo Gleichgewicht
statt findet, bietet sich unserer Betrachtung dar, nämlich das
Gleichgewicht der Kräfte am Hebel. Unsre gewöhnliche Waage
giebt uns von dem Entgegenwirken der beiden Kräfte am Hebel
das einfachste Beispiel, indem die eine Waageschaale steigen muß,
wenn die andere sinkt, und das Gegengewicht in jener das Sinken
dieser hindert. Im Allgemeinen verstehen wir unter einem Hebel
eine unbiegsame Stange, die in einem Puncte unterstützt, durch
zwei Kräfte nach entgegengesetzten Richtungen zur Drehung um
jenen Punct angetrieben wird. Unsre gewöhnliche Waage ist ein
gleicharmiger Hebel und wegen der gleichen Entfer-
nung vom Unterstützungspuncte müssen es hier gleiche Ge-
wichte sein, die einander das Gleichgewicht halten. Ist der He-
bel ungleicharmig, so läßt die Regel zur Bestimmung der nun
zum Gleichgewichte erforderlichen Kräfte sich am besten so über-
sehen. Wenn der Hebel AB (Fig. 16.) in C unterstützt ist, und
CA ist dreimal so lang als CB, so durchläuft A bei einer geringen
Drehung um C einen dreimal so großen Weg als B; nach der
Regel also, daß man an Kraft so viel gewinnt, als man sich an
größerem Aufwande von Geschwindigkeit einen Nachtheil muß ge-

Fuͤnfte Vorleſung.



Gleichgewicht am Hebel.

Die Faͤlle des Gleichgewichtes, mit welchen ich Sie, meine
h. H., neulich unterhielt, kamen alle darauf hinaus, daß zwei oder
mehr Kraͤfte in verſchiedenen Richtungen wirkend einer ihrer mitt-
leren Richtung gegenuͤberſtehenden Kraft entgegen wirkten. Bei
der ſchiefen Ebne zum Beiſpiel iſt es, wenn ich von der Reibung,
die bei einer herabrollenden Kugel auch wirklich ganz unbedeutend
iſt, abſehe, die nach PT ziehende Kraft (Fig. 13.) und die nach
RP Widerſtand gegen den Druck leiſtende Kraft der feſten Ebne
ſelbſt, welche ſo wie zwei nach PU, PT ziehende Kraͤfte dem
Gewichte der Laſt P, welches nach PQ herabdruͤckt, das Gleich-
gewicht halten.

Aber noch eine zweite Claſſe von Faͤllen, wo Gleichgewicht
ſtatt findet, bietet ſich unſerer Betrachtung dar, naͤmlich das
Gleichgewicht der Kraͤfte am Hebel. Unſre gewoͤhnliche Waage
giebt uns von dem Entgegenwirken der beiden Kraͤfte am Hebel
das einfachſte Beiſpiel, indem die eine Waageſchaale ſteigen muß,
wenn die andere ſinkt, und das Gegengewicht in jener das Sinken
dieſer hindert. Im Allgemeinen verſtehen wir unter einem Hebel
eine unbiegſame Stange, die in einem Puncte unterſtuͤtzt, durch
zwei Kraͤfte nach entgegengeſetzten Richtungen zur Drehung um
jenen Punct angetrieben wird. Unſre gewoͤhnliche Waage iſt ein
gleicharmiger Hebel und wegen der gleichen Entfer-
nung vom Unterſtuͤtzungspuncte muͤſſen es hier gleiche Ge-
wichte ſein, die einander das Gleichgewicht halten. Iſt der He-
bel ungleicharmig, ſo laͤßt die Regel zur Beſtimmung der nun
zum Gleichgewichte erforderlichen Kraͤfte ſich am beſten ſo uͤber-
ſehen. Wenn der Hebel AB (Fig. 16.) in C unterſtuͤtzt iſt, und
CA iſt dreimal ſo lang als CB, ſo durchlaͤuft A bei einer geringen
Drehung um C einen dreimal ſo großen Weg als B; nach der
Regel alſo, daß man an Kraft ſo viel gewinnt, als man ſich an
groͤßerem Aufwande von Geſchwindigkeit einen Nachtheil muß ge-

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[50/0072] Fuͤnfte Vorleſung. Gleichgewicht am Hebel. Die Faͤlle des Gleichgewichtes, mit welchen ich Sie, meine h. H., neulich unterhielt, kamen alle darauf hinaus, daß zwei oder mehr Kraͤfte in verſchiedenen Richtungen wirkend einer ihrer mitt- leren Richtung gegenuͤberſtehenden Kraft entgegen wirkten. Bei der ſchiefen Ebne zum Beiſpiel iſt es, wenn ich von der Reibung, die bei einer herabrollenden Kugel auch wirklich ganz unbedeutend iſt, abſehe, die nach PT ziehende Kraft (Fig. 13.) und die nach RP Widerſtand gegen den Druck leiſtende Kraft der feſten Ebne ſelbſt, welche ſo wie zwei nach PU, PT ziehende Kraͤfte dem Gewichte der Laſt P, welches nach PQ herabdruͤckt, das Gleich- gewicht halten. Aber noch eine zweite Claſſe von Faͤllen, wo Gleichgewicht ſtatt findet, bietet ſich unſerer Betrachtung dar, naͤmlich das Gleichgewicht der Kraͤfte am Hebel. Unſre gewoͤhnliche Waage giebt uns von dem Entgegenwirken der beiden Kraͤfte am Hebel das einfachſte Beiſpiel, indem die eine Waageſchaale ſteigen muß, wenn die andere ſinkt, und das Gegengewicht in jener das Sinken dieſer hindert. Im Allgemeinen verſtehen wir unter einem Hebel eine unbiegſame Stange, die in einem Puncte unterſtuͤtzt, durch zwei Kraͤfte nach entgegengeſetzten Richtungen zur Drehung um jenen Punct angetrieben wird. Unſre gewoͤhnliche Waage iſt ein gleicharmiger Hebel und wegen der gleichen Entfer- nung vom Unterſtuͤtzungspuncte muͤſſen es hier gleiche Ge- wichte ſein, die einander das Gleichgewicht halten. Iſt der He- bel ungleicharmig, ſo laͤßt die Regel zur Beſtimmung der nun zum Gleichgewichte erforderlichen Kraͤfte ſich am beſten ſo uͤber- ſehen. Wenn der Hebel AB (Fig. 16.) in C unterſtuͤtzt iſt, und CA iſt dreimal ſo lang als CB, ſo durchlaͤuft A bei einer geringen Drehung um C einen dreimal ſo großen Weg als B; nach der Regel alſo, daß man an Kraft ſo viel gewinnt, als man ſich an groͤßerem Aufwande von Geſchwindigkeit einen Nachtheil muß ge-

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/72>, abgerufen am 21.11.2024.